Die Messer waren schon gewetzt. Und sicher nicht zu Unrecht. Jahrelang spöttelte man bei BMW über die „Frontkratzer“ und deklarierte den Hinterradantrieb auch in der Kompaktklasse zum fahrdynamischen Glücksbringer. Dass das beim 1er mit Nachteilen der Raumökonomie erlangt wurde, nahm man gerne in Kauf. Schließlich tanzte bei einem echten BMW das Hinterteil mit einem echten Schwenk um die Kurve mit. Jetzt sind solche Sätze nicht mehr zu vernehmen, denn das Münchner Kompaktmodell mit dem internen Code F40 steht auf der UKL-2-Architektur und das heißt bei BMW Vorderradantrieb. Der Wind weht jetzt aus einer anderen Richtung: „Wir wollen etwas für den Kunden bringen. Unter anderem mehr Platz“, sagt der BMW-1er-Projektleiter Holger Strauch und der Leiter der Fahrdynamik Peter Langen fügt hinzu: „Der Frontantrieb ist ein Befähiger das bessere Auto zu erreichen. Auch fahrdynamisch!“
Hört, hört, das sind ja ganz neue Töne. Eine Fahrt in einem Vorserienfahrzeug des neuen 1ers wird diese Aussage ins Reich der Fabel verweisen oder die Agilitäts-Neuausrichtung bestätigen. Tatsächlich wendet BMW einen Kniff an, der auch dem BMW i3s und dem kommenden Elektro-Mini Beine macht. Die Ansatzpunkte sind das DSC / ESP und die Schlupfregelung. Aufgrund der Daten, die die Sensoren sammeln, beeinflusst die Software nicht mehr die Umdrehung der Räder, sondern die der Kurbelwelle. So geht der Regeleingriff bis zu zehnmal schneller vonstatten als bisher. Das sind Welten! Deswegen bezeichnet BMW dieses System auch als ARB-Technologie (Actornahe Radschlupfbegrenzung). Zusammen mit gezielten Bremseingriffen an einzelnen Rädern haucht das System des neuen BMW eine Agilität ein, die man bei einem vorderradangetriebenen Automobil bisher so nicht kannte.
Die Untersteuerneigung ist weitgehend eliminiert. Der BMW 118i mit seinen 103 kW / 140 PS ist sicher kein Dynamikwunder, aber das Auto zieht selbst auf nasser Fahrbahn beeindruckend seine Bahn. Geleitet von der präzisen Steuerung, lenkt der Vorderwagen freudig ein und die Hinterachse unterstützt den Fahrer in seinem Ansinnen. Auch schmissige Drifts um die Kurve sind kein Problem. Wenn man nicht wüsste, dass man in einem Fahrzeug mit Vorderradantrieb sitzt, würde man die Dynamik des Heckantriebs loben. So zieht man den Hut vor der Leistung der Ingenieure. „Wie bei einem Slotcar Auto auf einer Carrerabahn geben wir die Hinterachse frei und kontrollieren die Vorderachse“, erklärt Fahrdynamiker Jos van As das Prinzip.
„Schauen Sie sich die einzelnen Komponenten an, da ist nichts Besonderes dabei“, erklärt Holger Strauch. Anstatt die Abstimmung an einen Zulieferer zu delegieren, nahm der Münchner Autobauer die Sache selbst in die Hand und ließ die ganze Erfahrung der Ingenieure bei der Abstimmung eines Automobils und Regelsystemen in das neue Konzept einfließen. Mit spürbarem Erfolg, Denn auch mit dem Basisfahrwerk mit konventionellen Stahlfedern bietet der neue 1er einen guten Komfort. Wank- und Neigbewegungen sowie nerviges Nachwippen des Karosserieaufbaus sind auf ein Minimum reduziert. Ein Blick auf die Überhänge lässt trotz der Tarnverkleidung erahnen, dass diese, wie beim Mini Cooper, der ebenfalls auf der UKL-Plattform besteht, geschrumpft sind.
Auf den Fahrten über Landstraßen begeisterte vor allem der 120d xDrive aufgrund seiner Agilität und dem präzisen Fahrverhalten gepaart mit einem kräftigen Drehmoment. Wer dennoch den Extra-Kick will, greift zum BMW M 135i xDrive, der mit 225 kW / 306 PS aus einem Vierzylindermotor auch auf der Rennstrecke Spaß macht. Damit dieses ausgetüftelte Konzept auch in die Tat umgesetzt werden konnte, war eine enge Zusammenarbeit zwischen Fahrdynamikern und Karosseriebauern nötig. Ausgehend von aufwendigen Simulationen, in die das fahrdynamische Knowhow der Ingenieure eingeflossen ist, musste das Auto – zum Beispiel mit Versteifungen – für die neue Abstimmung angepasst werden. Nur so konnte diese konzertierte Aktion klappen. Mehr Rechenleistung und eine optimierte Software sind zwei weitere Faktoren. Vor fünf Jahren wäre dies nicht möglich gewesen.
Doch in der Kompaktklasse geht es nicht nur darum, um die Kurve zu feuern, sondern auch um Praktikabilität und Platz. Auch in diesen Disziplinen ist der neue BMW 1er besser als der Vorgänger. Im Fond wächst die Beinfreiheit um knapp 30 Millimeter, was auch das Einsteigen deutlich erleichtert und der Kofferraum legt um 20 Liter zu. Das Cockpit war noch verhangen, vermutlich wird auch der neueste BMW auch die neue Instrumententafel mit den klammerförmigen Anzeigen bekommen. Also schwellt die BMW-Brust an. Aus gutem Grund: „Wir sehen dem neuen Golf gelassen entgegen“, strahlt Peter Langen.