Angesichts der zunehmenden Umweltanforderungen kann in der Automobilproduktion kaum noch etwas als Fortschritt gelten ohne dass Nachhaltigkeitsbemühungen als integraler Bestandteil mitgedacht wurde. Mit dem Design for Circularity-Ansatz in der Entwicklung möchte BMW eine führende Rolle in der Kreislaufwirtschaft übernehmen, um über einen ganzheitlichen Produktionszyklus die entsprechenden Nachhaltigkeitsziele zu erreichen.
Eine übergeordnete Rolle spielt daher die Richtlinie Secondary First im Produktdesign – wo immer möglich soll der Einsatz von Sekundärrohstoffen maximiert werden. Dabei kommen vier Grundprinzipien zur Anwendung: In der Materialselektion werden möglichst reine und recyclingfähige Rohstoffe genutzt, auf kritische Rohmaterialien wird möglichst verzichtet. Bauteile werden derweil sowohl in ihrer Anzahl reduziert als auch für die Demontage optimiert.
„Wir berücksichtigen die Marktverfügbarkeit und technische Machbarkeit bei der Festlegung von Anforderungen an Produkte, Materialien und Lieferanten“, erklärt BMW-Experte Roberto Rossetti. Gleichzeitig stelle man trotz der Priorisierung von Sekundärmaterialien sicher, dass die Anforderungen an Qualität, Sicherheit, Ästhetik und Zuverlässigkeit der Produkte stets mit den gleichen hohen Standards wie bei Primärmaterialien erfüllt würden.
Kreislaufwirtschaft ist keine Zukunftsmusik mehr
Eine Demonstration der Kreislauf-Prinzipien liefert BMW unter anderem mit dem i Vision Circular – einem vollelektrischen und nachhaltigen Konzeptfahrzeug auf Basis von 100 Prozent recycelten und wiederverwertbaren Materialien. Die Studie auf Basis der vier Prinzipien Re:think, Re:duce, Re:use und Re:cycle beeinflusse bereits aktuelle Serienmodelle und komme immer stärker in den Prozessen des Unternehmens an, erklärt Rossetti. Mit der im kommenden Jahr anlaufenden Neuen Klasse möchte BMW die Nachhaltigkeit der eigenen Fahrzeuge derweil auf ein neues Level heben. „Elektrifizierung, Kreislaufwirtschaft und Digitalisierung sind die zentralen Elemente dieser Transformation“, erklärt der BMW-Experte.
Als eine Säule der Kreislaufwirtschaft konzentriert sich BMW auf den Einsatz von Monomaterialien, um die Recyclingfähigkeit zu verbessern. Wie bei jedem Projekt dieser Größenordnung entstehen aus diesem Ansatz Herausforderungen aber auch neue Innovationen – unter anderem, wenn es darum geht, das Gleichgewicht zwischen Nachhaltigkeit und Ästhetik zu wahren. „Eine effiziente Demontage und der Einsatz von Monomaterial-Komponenten sind zentrale Maßnahmen zur Schaffung einer stärkeren Kreislauffähigkeit und damit essenziell für die Recyclingfähigkeit“, so Rossetti. Der Einsatz von Monomaterialien dürfe jedoch keine negativen Auswirkungen auf die Ästhetik, Sicherheit oder Qualität der Produkte haben.
Als Beispiel für dieses Gleichgewicht nennt Rossetti unter anderem den Econeer-Sitzbezug auf Basis von PET-Monomaterialien im BMW 1er. „Der Anteil an Sekundärrohstoffen beträgt 100 Prozent im Garn und 85 Prozent im Vlies. Darüber hinaus lässt sich der Econeer-Sitzbezug deutlich einfacher vom Sitz trennen als herkömmliche Sitzdesigns.“ Der BMW Vision Neue Klasse stelle ein weiteres Beispiel dar: Die schwarze Frontstoßstange sei nicht nur ein kontrastierendes Designelement, sondern weise auch einen höheren Anteil an Sekundärrohstoffen auf, bestehe aus weniger Materialien und lasse sich leichter demontieren.
Catena-X unterstützt die Kreislaufwirtschaft
BMW selbst lege die Nutzung von Sekundärmaterialien hinsichtlich Produkt, Material und Lieferant in jedem Auswahlprozess fest, so Rossetti. „Wir arbeiten eng mit unseren Lieferanten zusammen, um sicherzustellen, dass diese Materialien in ausreichender Menge und Qualität verfügbar sind – unterstützt durch das branchenübergreifende Daten-Ökosystem Catena-X.“ Die Plattform gewährleiste durch den Datenaustausch innerhalb der Lieferkette einen effizienteren, kreislauforientierten Materialfluss. Darüber hinaus definiere man Ziele und Mindestanforderungen an die Recyclingfähigkeit, die in den Lieferketten erreicht werden müssen. „Der CO2-Fußabdruck der Lieferkette ist neben dem Gehalt an Sekundärrohstoffen und dem Einsatz von Grünstrom ein entscheidendes Kriterium in den Gesprächen mit BMW-Lieferanten“, betont Rossetti. „Die BMW Group unterstützt die Umstellung auf weniger CO2-intensive Herstellungsprozesse, wie beispielsweise in der Stahlproduktion.“ Darüber hinaus stärke der Autobauer gemäß dem local for local-Prinzip seine regionalen Lieferketten.
Im eigenen Produktionsnetzwerk hat BMW bereits früh damit begonnen, auf Ressourceneffizienz zu setzen. Über die Jahre wurden etwa das Abfallvolumen pro Fahrzeug sowie die Nutzung von Wasser und Energie gesenkt. Hierfür setze man auf Recyclingkonzepte, die auf die jeweiligen Werke, gesetzliche Anforderungen und die regionalen Entsorgungssysteme zugeschnitten seien, so Rossetti. BMWs iFactory soll nun den nächsten Schritt zur Kreislaufwirtschaft ebnen.
Informationen aus dem Recycling fließen in die Entwicklung
Eine wichtige Rolle bei der Demontage und Rohstoffrückgewinnung spielt BMWs Recycling und Demontagezentrum (RDZ). Um den Ansatz des Design for Circluarity zu realisieren, arbeitet das Zentrum in München eng mit der Entwicklungsabteilung des Autobauers zusammen. Konkret werden etwa die Chancen und Herausforderungen bei der Demontage von Komponenten mit den Experten der Entwicklung geteilt, um Verbesserungen zu erreichen. Im Fokus stehen unter anderem die stärkere Nutzung von Monomaterialien oder leichter zu trennenden und wiederverwertbaren Rohstoffen. „Alles in allem“, so Rossetti, „hat das RDZ in den vergangenen drei Jahrzehnten immer wieder die Entwicklung neuer Modelle, Materialien und Technologien unterstützt, indem es Fortschritte im Recycling ermöglicht hat.“
Dieser Artikel erschien ursprünglich bei unserem englischen Schwestermagazin automotive manufacturing solutions. Das englische Original finden Sie hier.