Das Rennen um die Zukunft des Antriebs geht nach Punkten derzeit an den rein batterieelektrischen Vortrieb. Industrie und Politik scheinen sich zumindest beim Individualverkehr mit dem Pkw darauf verständigt zu haben, dass in der Kombination aus E-Maschinen und Akkus (BEV) die Zukunft liegt. Und so überbieten sich viele Hersteller mit Jahreszahlen, mal um, nach oder gar vor 2030, an denen der Umstieg im Produktportfolio vollzogen sein und der Verbrennungsmotor endgültig abgestellt werden soll. Dessen unbenommen können batterieelektrische Fahrzeuge gewisse Anforderungen nicht ausreichend bedienen. Dies besonders dann nicht, wenn es um große Reichweiten, schwere Lasten sowie den Bedarf nach rascher Betankung geht. Sowohl die Brennstoffzelle (H2-BZ) als auch der mit Wasserstoff betriebene Verbrennungsmotor (H2-Motor) können neben der Fortführung des Fossil-Verbrenners sowie den BEVs Lösungen bieten.
Zulieferer fordern mehr Vielseitigkeit beim Antrieb
Fast schon gebetsmühlenartig klingt die Mahnung nach Technologieoffenheit, die insbesondere von Seiten der Zulieferer im derzeitigen E-Hype erhoben wird. Ein Augenmerk gilt dabei dem Wasserstoff. So plädierte kürzlich während des 22. Internationalen Stuttgarter Symposiums etwa Jumana Al-Sibai, Konzerngeschäftsführerin im Bereich Thermomanagement beim Zulieferer Mahle, für mehr Weitblick im Antrieb. Ihr zufolge kann Wasserstoff insbesondere im Verbrenner bei der Betrachtung der Gesamtbilanz einen entscheidenden Beitrag leisten. In der derzeitigen Transitionszeit gelte es alle Technologien zu nutzen, so die Wirtschaftsingenieurin. Zur Technik konkretisierte Bosch-Kollege Thomas Pauer in Stuttgart, dass der Wasserstoff-Verbrenner gerade bei Volllast einen noch besseren Wirkungsgrad als die Brennstoffzelle biete.
Vielseitigkeit beim Antrieb ist auch für den CTO der Eberspächer-Tochter Purem, Rainer Lehnen, ein Credo. Zahlreiche Komponenten der Brennstoffzellenantriebe sind bei Eberspächer wie auch beim jungen Tochterunternehmen Purem beheimatet. Aus der Ventil-Expertise der Esslinger heraus zählen dazu etwa Kathodensperrventile, Wasserabscheider oder Akustiklösungen sowie die Sensorik. Nach und nach wolle man einen neuen Geschäftsbereich entlang der Wasserstoffmobilität als Eberspächer-Gruppe aufbauen, schildert der Experte im Interview mit Automobil Produktion. Lehnen zufolge wird die Brennstoffzellentechnologie im Heavy-Duty-Segment Erfolge erzielen, wie auch in stationären oder in Sonder-Applikationen. Für Pkw fallen ihm zufolge die Prognosen zwar schwieriger aus. Eine komplementäre Technologie-Option sieht Lehnen jedoch im Wasserstoffmotor. Dieser stehe für eine rasche Markteinführung und könne die Brennstoffzelle besonders dort ergänzen, wo sie außerhalb ihres besten Wirkungsgrads liege, etwa im Schwerlastverkehr mit besonderen Topologie-Anforderungen.
Brennstoffzelle gut für den Waren- und Personentransport
Auf dem Weg zur Klimaneutralität sollen nach EU-Vorgaben die CO2-Emissionen schwerer Nutzfahrzeuge bis 2030 um 30 Prozent verringert werden. Darüber, wie dies mit Hilfe alternativer Antriebe erreicht werden kann, herrscht jedoch noch Uneinigkeit. Immerhin: Man setze im Fernverkehr schwerer Nutzfahrzeuge klar auf den Brennstoffzellenantrieb, heißt es etwa seitens der Industrieverbände VDI und VDE. Den Einsatzbereich von batterieelektrischen Transportern sehe man vor allem im urbanen Raum. Auch Eric Sax, Leiter des Instituts für Technik der Informationsverarbeitung am Karlsruher Institut für Technologie (KIT), plädiert für die Brennstoffzelle im Fernverkehr. Für den KIT-Experten ist komprimierter Wasserstoff die klimaneutrale Alternative der Stunde: Im Vergleich zur Batterietechnologie liefere er etwa dieselbe Menge Energie bei geringerem Gewicht und Volumen sowie kurzer Betankungszeit.
Ein maßgeblicher Hebel dazu ist eine funktionierende Wasserstoffinfrastruktur. Daimler Truck setzt beim Antrieb der Zukunft auf eine Doppelstrategie mit batterieelektrischen und wasserstoffbasierten Antrieben. Gemeinsam mit Volvo ist man im 2021 ins Leben gerufenen Joint Venture Cellcentric tätig, das ab 2025 einer der größten europäischen Serienproduzenten von Brennstoffzellsystemen werden soll. Im November des vergangenen Jahres gab Daimler Truck bekannt, sich gemeinsam mit TotalEnergies für die Dekarbonisierung des Straßengüterverkehrs in der Europäischen Union einzusetzen. Im Rahmen ihrer Vereinbarung wollen die Partner insbesondere bei der Entwicklung einer Wasserstoffinfrastruktur für schwere Lkw zusammenarbeiten und somit die Attraktivität und Effektivität eines CO2-neutalen Straßengüterverkehrs auf Wasserstoffbasis demonstrieren.
Wasserstoff könnte neben dem Gütertransport auch das weite Feld des Personentransports beflügeln. So meldete ZF kürzlich, sich gemeinsam mit Freudenberg, Flixbus und der Klimaschutzorganisation Atmosfair am Projekt HyFleet des Bundesverkehrsministeriums zur Brennstoffzellentechnologie zu beteiligen. Ziel ist die Auslegung und Erprobung eines rein elektrisch angetriebenen Reisebusses. Und auch beim Zulieferer Bosch ist man vom Energieträger Wasserstoff überzeugt. Zusammen mit dem Nutzfahrzeughersteller Qingling Motors haben die Stuttgarter das Gemeinschaftsunternehmen Bosch Hydrogen Powertrain Systems gegründet. Das Joint Venture soll Brennstoffzellen-Systeme für den Markt in China entwickeln, montieren und vermarkten. Bosch geht erheblich in Vorleistung und investiert bis 2024 gut 600 Millionen Euro in mobile Anwendungen und 400 Millionen Euro in Anwendungen für stationäre Strom- und Wärmeerzeugung. Mit Blick auf das Produktportfolio für mobile Wasserstoffanwendungen gab das Unternehmen eine Erweiterung um Komponenten für H2-Tanksysteme wie Tankventile oder Druckregler bekannt. Die Stuttgarter arbeiten dazu mit dem italienischen Spezialisten für Wasserstoff-Speicherlösungen OMB Saleri aus Brescia in einer Entwicklungspartnerschaft zusammen.
Wasserstoff-Verbrenner sind zügig umsetzbar
Die Idee Wasserstoff in einem klassisch aufgebauten Verbrennungsmotor einzusetzen ist Jahrzehnte alt. Viele erinnern sich vor allem im Segment der Pkw an das starke Engagement von BMW. Der Charme liegt darin, dass die vorhandene Hardware mit relativ geringen Modifikationen einen schnellen Einsatz erlaubt und auf dem Weg zur Minderung der CO2-Emissionen einen zügigen Hebel bieten kann. Im H2-Aggregat wird im Ansaugsystem Wasserstoff in die Brennräume eingeblasen. Verändert sind vereinfacht gesagt die Verbrennungssteuerung und die Abgasnachbehandlung. Der Wasserstoffverbrenner emittiert nur Wasser und geringe Mengen Stickoxide.
Auf dem Gebiet der Pkw hat zuletzt jedoch nur noch Toyota die Idee weiterverfolgt, einen Hubkolbenmotor mit Wasserstoff zu beflügeln. Die Japaner meldeten bereits im vergangenen Jahr neben ihrem Mirai-Brennstoffzellenantrieb auch ganz praxisnah den mit Wasserstoff betriebenen Verbrennungsmotor zu testen. Konkret handelt es sich um einen Versuchsträger in einem Corolla mit Dreizylinder-Turbo-Aggregat, das aus einem Hochdrucktank mit Wasserstoff versorgt wird. Eine Bewährungsprobe musste das Fahrzeug bereits 2021 anlässlich des 24-Stunden-Rennens in Fuji bestehen. Einen baldigen Serieneinsatz habe man zwar nicht angedacht, man wolle aber aus den Ergebnissen wichtige Erkenntnisse für diese Antriebsart gewinnen, hört man aus Japan.
Auch beim H2-Motor gehen die Entwicklungen nun eher in die Richtung, seine Potenziale im Bereich der Nutzfahrzeuge zu nutzen. So meldete AVL sich in Form eines speziell auf den Einsatz in Schwerlastfahrzeugen zugeschnittenen Motors den Herausforderungen durch strenge CO2-Ziele zu widmen. Die Basis dazu bildet ein 12,8-Liter-Erdgasaggregat. Im Rahmen eines Entwicklungsprojekts gilt es das Effizienzpotenzial sowohl eines Multiport-Motors als auch eines Wasserstoff-Direkteinspritzmotors für den Direktantrieb eines Nutzfahrzeugs mit einem bestehenden Standard-Antriebsstrang zu verbessern. Der Reiz liegt AVL zufolge auch darin, dass Wasserstoff-Verbrennungsmotoren und Wasserstoff-Brennstoffzellen-Elektrofahrzeuge in den kommenden Jahrzehnten die gleiche Betankungsinfrastruktur nutzen können.
Grüner Wasserstoff weiter im Wartestand
Der Erzeugung von grünem Wasserstoff widmen sich seit kurzem namhafte Unternehmen wie etwa Schaeffler, Linde oder Asahi Kasei. Der Lkw-Hersteller MAN sieht grünen Wasserstoff jedoch noch nicht in ausreichenden Mengen vorhanden und seinen Einsatz zunächst eher in der Stahlherstellung oder der Chemie. Dennoch entwickelt der OEM mit den Industriepartnern Bosch, Faurecia und ZF einen Brennstoffzellen-Laster, der Mitte 2024 an fünf Speditionsunternehmen ausgeliefert und in realen Einsätzen getestet werden soll. Für das „Bayernflotte“ genannte Projekt stellt der Freistaat Bayern über acht Millionen Euro zur Verfügung. Nach aktuellem Stand der Technik hätten Nutzfahrzeuge mit Brennstoffzellen zwar eine höhere Reichweite als solche mit Batterien als Energiespeicher, jedoch seien die Energiekosten von Wasserstoff im Betrieb absehbar noch deutlich höher, hört man aus der MAN-Firmenzentrale.
Der Energiekostenvorteil des batterieelektrischen Lkw bilde den Schlüssel für einen schnellen Umstieg auf E-Trucks. Dieser sei dringend notwendig, um die Klimaziele des Verkehrssektors zu erfüllen, heißt es bei MAN. Lkw und Reisebusse mit H2-Brennstoffzelle könnten die Flotte jedoch ergänzen, zumal diese auf den BEV-Antriebssträngen aufsetzen, einen Großteil der gewichtsintensiven Batterien aber durch leichtere Wasserstofftanks sowie die Brennstoffzelle ersetzen.