„Kasachstan bietet für Skoda Auto spannende Möglichkeiten“, hatte Vorstandschef Klaus Zellmer im Oktober 2023 noch stolz erklärt. „Wir kehren auf einen Markt mit vielversprechendem Potenzial zurück“, so der Manager. „Im kommenden Jahr 2024 werden wir 15 Showrooms in kasachischen Großstädten wie Astana, Almaty, Shymkent und Kostanay eröffnen“, hatte Martin Jahn, der Vorstand für Vertrieb und Marketing, hinzugefügt. Das Portfolio für werde neben dem Octavia auch die SUV-Baureihen Kodiaq, Kamiq und Karoq umfassen, so der Manager. Diese Modelle würden „im Frühjahr 2024 angeboten". Zudem startete der Konzern eine operative Zusammenarbeit mit dem einheimischen Unternehmen Allur.
Damit sah es so aus, dass Skoda bei seinem Strategiewechsel einen Meilenstein erreicht hatte. Denn nach dem Kriegsausbruch musste sich der Hersteller schnell aus dem lukrativen Russland zurückziehen und Ersatzmärkte finden – eine Mammutaufgabe. Und mit der Präsentation von Kasachstan schien zumindest eine Etappe erreicht.
Skoda gerät in Kasachstan ins Straucheln
Doch jetzt zeigt sich, dass der Wiedereintritt in das zentralasiatische Land nicht ganz einfach wird. Denn die Händler haben von Januar bis Juli gerade einmal 362 Fahrzeuge der Marke Skoda verkauft. Wie aus den aktuellen Statistiken des Automobilverbandes Kasachische Automobil Union (KAU) hervorgeht, fand der Löwenanteil von 216 sogar nur im Juli seine Abnehmer. Damit lag Skoda unter den gelisteten 20 Anbietern sogar nur auf dem vorletzten Platz. Bis Ende Juli wurden insgesamt fast 101.400 Fahrzeuge veräußert. Das waren 0,6 Prozent weniger als noch vor zwölf Monaten. Im Juli gab es allerdings gegen dem Juni ein Plus von 9,2 Prozent auf 18.000.
Dabei waren die Ziele von Skoda für Kasachstan schon bescheiden gewesen. Der Konzern ging im Oktober für den gesamten Markt in den kommenden Jahren von einem Verkaufsvolumen von mehr als 200.000 aus. Daran wollte der Hersteller zwischen 2024 und 2028 einen „dauerhaften Anteil von fünf Prozent“ erreichen, also rund 10.000. In dem dünnbesiedelten Land, das fast achtmal so groß ist wie Deutschland, spielt aufgrund seiner Größe der Flugverkehr eine wichtige Rolle. Deswegen entfallen dort statistisch derzeit nur 186 Autos auf 1.000 Einwohner. „Ein vielversprechendes Wachstumspotenzial“, fand deshalb das tschechische Unternehmen.
Diese Faktoren machen dem Markt zu schaffen
Zur Einordnung: Skoda hat deswegen so große Probleme, weil der Markt in Kasachstan massiv unter Druck steht. Der Krieg, die Auswirkungen der Pandemie und die internationalen Verwerfungen an den Märkten wirken sich offenbar immer noch aus. Denn laut Nationalem Statistikbüro (BNS) haben die Händler 2023 eben genau diesen Absatz von 200.000 erreicht, von dem Skoda bis 2028 ausgeht. 70 Prozent davon stammen aus einheimischer Produktion. Dabei ist der Markt vergleichsweise klein. In Russland lag das Volumen 2023 bei mehr als 900.000. Polen verfügt über mehr als 600.000 pro Jahr und Ungarn über 500.000. In der Ukraine dürfte es weit weniger als 300.000 betragen.
Wie groß die Probleme der kasachischen Autoindustrie sind, wird auch an den Produktionszahlen deutlich. So sind die Volumina nach BNS bis Ende Juni 2024 um 14,4 Prozent auf 62.435 Wagen oder 814,4 Milliarden Tenge (1,5 Milliarden Euro) zurückgegangen. Die wichtigsten Marken waren Hyundai (19.155), Kia (12.967), Chevrolet (12.830), Jac (6.730) und Jetour (5.199).
Darüber hinaus war schon der erste Auftritt von Skoda zwischen 2005 und 2021 nicht sonderlich erfolgreich gewesen, da das Unternehmen nach eigenen Angaben innerhalb dieses Zeitraums gerade einmal 23.000 Wagen verkauft hat. Zum Vergleich: Grundsätzlich sind es weltweit mehr als 860.000, die der Produzent unter die Kunden bringt. In Russland verkaufte Skoda vor Kriegsausbruch pro Jahr mehr als 90.000 Fahrzeuge.
Diese kümmerlichen Absatzzahlen waren denn wohl auch der Grund, warum sich das Unternehmen damals aus Kasachstan zurückgezogen hat. Die Holding BIPEK Auto Kazakhstan, die die tschechische Marke im Land verkauft und in einer Fabrik hergestellt habe, sei bankrott gewesen. Das schreibt die kasachische Ausgabe des internationalen Magazins Forbes.
So groß bleibt der Einfluss von Russland
Und auch 2024 sieht es nicht erstmal nicht viel besser aus. Der unkontrollierte illegale Import von gebrauchten und neuen Fahrzeugen, die nicht den technischen Normen der euroasiatischen Wirtschaftsunion (EAWU) entsprachen, hat in Kasachstan im laufenden Jahr so zugenommen, dass dies den Markt beeinflusst hat. Nach Einschätzung von Anar Makasheva, der Vorstandsvorsitzenden der Kasachischen Auto Union (KAU), ist dies „eine Bedrohung für die Sicherheit der Wirtschaft, die den Konsumenten Probleme schafft.“
Das Problem: Es ist nicht unwahrscheinlich, dass diese unkontrollierten Importen von Fahrzeugen auch aus Russland stammen. Denn der Nachbar bleibt in Kasachstan allgegenwärtig – der EU-Sanktionen zum Trotz. Kasachstan ist gemeinsam mit Russland Mitglied in der Freihandelszone EAWU, von der das Land aufgrund seiner Außenhandelsquote von mehr als 50 Prozent stark abhängig ist. Mit knapp 27 Prozent am Gesamtimport ist Russland das Hauptlieferland – und zwar insbesondere von Metallen und Metallerzeugnissen - Produkte, die auch für den Fahrzeugbau wichtig sind.
Zusätzlich bleiben die russischen Unternehmen stark – beispielsweise Kamaz. Der Hersteller hat zwar 2022 unter politischem Druck seine Anteile am Industriekonzern KamLit KZ LLP verkauft, der unter anderem Antriebsachsen baut. Doch agieren die Russen bereits seit 2005 am Markt und gelten als Pionier. Ihn kann man nicht so einfach ignorieren.
Warum eine Abkehr Kasachstans von Russland so schwer ist
Und politisch hat die kasachische Regierung immer eine „multivektorale Politik“ verfolgt. Das bedeutet, sie wollte Länder unterschiedlicher politischer Couleur in toleranter Weise einbinden. Dabei ist China gerne als Investor gesehen. Darüber hinaus sollte aus Deutschland die notwendigen technischen Gerät importiert werden. Russland war durch die gemeinsame Zeit in der UdSSR fast schon ein natürlicher Partner, den die kasachische Regierung nicht einfach beiseiteschieben kann. Sie hat sich zwar sehr schnell vom Angriffskrieg distanziert, doch bleibt die Ignoranz Russlands ein diplomatischer und wirtschaftlicher Drahtseilakt.
Doch trotz all dieser schwierigen Marktbedingungen und der fatalen Absatzzahlen fand die Vorstandsvorsitzende der Kasachischen Auto Union (KAU), Anar Makasheva, zum Schluss doch noch ermutigende Worte zu Skoda: „Das Erscheinen neuer Automarken in Kasachstan hat einen positiven Einfluss auf die Entwicklung der Konkurrenz. Der Markt hat noch nicht seinen Sättigungspunkt erreicht. Unter günstigeren Bedingungen wird das Wachstum wohl fortgesetzt, wenn auch im langsameren Tempo.“