
So ungefähr soll die Serienversion des ID.1 aussehen. (Bild: Volkswagen)
Wird er zum Heilsbringer für VW? Margentechnisch sicherlich nicht. Doch darum geht es den Wolfsburgern mit ihrem Konzeptfahrzeug ID.EVERY1 auch nicht in erster Linie. Die Marke will ihrem Namen wieder alle Ehre machen und Autos anbieten, die sich mehr Leute leisten können. 2027 will Volkswagen die Serienversion vorstellen – mit einem Grundpreis von rund 20.000 Euro. Wenige Tage nach der Weltprenmierte steht nun auch fest, in welchem Werk das Auto gebaut werden soll. Das portugiesische Werk in Palmela, nahe Lissabon, hat den Zuschlag erhalten. Das Werk in Portugal sei eines der kosteneffizientesten in der Gruppe, begründete Markenchef Thomas Schäfer die Entscheidung. Bisher wird dort der T-Roc gebaut.
Bereits 2026 soll der ID. 2all in der 25.000-Euro-Klasse starten. Beide Modelle sind Teil der sogenannten Electric Urban Car Family mit Frontantrieb, die markenübergreifend unter dem organisatorischen Dach der Core-Gruppe angesiedelt sind. „Bei zukünftigen Modellen sprechen wir von Customer Defined Vehicles. Der ID. EVERY1 zeigt, dass wir unsere Kunden, ihre Wünsche, ihre Interessen und ihre Vorlieben, konsequenter als je zuvor in den Mittelpunkt der Fahrzeugentwicklung rücken“, sagt Kai Grünitz, Volkswagen-Markenvorstand für Technische Entwicklung. Als erstes Modell im gesamten Konzern soll die Serienversion des ID.1 eine grundlegend neue, besonders leistungsfähige Software-Architektur nutzen. So könne der künftige Basis-Volkswagen über den gesamten Lebenszyklus neue Funktionen erhalten. Auch nach dem Neuwagenkauf lasse sich der kleine VW individuell an Kundenbedürfnisse anpassen, verspricht der OEM.
Welche Reichweite hat der ID.1?
Der künftige "Einser" im ID-Kosmos Volkswagens soll an den inzwischen eingestellten Up anknüpfen. Doch während lange Touren im Letzteren auch kein Problem darstellen, dürften diese mit dem ID.1 eher schwierig werden. Eine Reichweite von rund 250 Kilometern peilt VW hier an. Die Studie erreicht eine Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h und wird von einer neu entwickelten E-Maschine mit 70 kW (95 PS) angetrieben. Mit einer Länge von 3,88 Metern ist der ID. EVERY1 zwischen dem ehemaligen Up (3,6 Metern), dem ID. 2all (4,05 Metern) und dem aktuellen Polo (4,07) positioniert. Innen bietet er Platz für vier Personen und ein Kofferraumvolumen von 305 Litern.
Die Vorgeschichte des ID.1
Spätestens seit die Konkurrenz aus China auf den europäischen Markt drängt, wurden hierzulande die Stimmen nach bezahlbarem Einstieg in die E-Mobilität lauter. Im Mai 2024 bekannte sich Volkswagen zu seiner „gesellschaftlichen Verantwortung", wie es Konzernchef Oliver Blume ausdrückte, und kündigte Elektro-Fahrzeuge um 20.000 Euro an. So soll die Markengruppe Core, zu der Volkswagen, Škoda, Seat/Cupra und Volkswagen Nutzfahrzeuge gehören, ab 2027 mehrere Modelle auf den Markt bringen.
Entscheidender Aspekt des Projektes sei der hohe europäische Lokalisierungsgrad, hieß es in einer Mittelung des Autobauers. „Es geht um elektrische Einstiegsmobilität aus Europa für Europa. Damit verbinden wir ein klares Bekenntnis zum Industriestandort Europa, einer europäischen Industriepolitik und handeln damit letztendlich im Sinne der europäischen Kunden", so Blume.
Wo genau die neuen Modelle gefertigt werden ist hingegen noch unklar. „Zum jetzigen Zeitpunkt ist noch keine Entscheidung getroffen, an welchem Standort die preiswerten Elektrofahrzeuge gebaut werden", so ein Volkswagen-Sprecher auf Anfrage von Automobil Produktion. Deutschland dürfte aufgrund der hohen Kostenstruktur aber ausgeschlossen sein.

Damit sich die Elektromobilität in der Breite durchsetzt, braucht es attraktive Fahrzeuge, gerade im Einstiegsegment
VW-Markenchef nimmt Politik in die Pflicht
Ein Elektromodell für einen Preis unter 20.000 Euro wird schon lange von europäischen Autobauern gefordert. Angesichts steigender Energie-, Material- und Rohstoffkosten ist ein solches E-Auto aus Europa allerdings kein leichtes Unterfangen, wie VW-Markenchef Thomas Schäfer weiß: „Elektromobilität aus Europa für Europa kann nur mit Unterstützung der Politik und konkurrenzfähigen Rahmenbedingungen gelingen.“
Volkswagen arbeitet aktuell bereits an einer „Electric Urban Car Family“, mit der die Markengruppe Core Ende 2025 Elektroautos für unter 25.000 Euro präsentieren will. Geplant sind zwei Kompaktwagen, einer von VW und einer von CUPRA, sowie zwei kleine SUVs, je einer von Škoda und einer von VW. Auch diese Modellfamilie ist bereits „aus Europa für Europa": Alle vier Fahrzeuge werden in Spanien gebaut.
Chinesische Autohersteller kommen nach Europa
Volkswagens Bekenntnis zum „Volks-Stromer" und zum Standort Europa darf auch als Reaktion auf die erstarkende Konkurrenz aus China gewertet werden. OEMs wie MG oder BYD gehören auch in Deutschland mehr und mehr zum Straßenbild. Dazu stehen weitere Autobauer wie etwa Dongfeng in den Startlöchern.
Auch auf dem chinesischen Heimatmarkt möchte Volkswagen verlorenen Boden gutmachen und investiert rund 2,5 Milliarden Euro in den Entwicklungs- und Produktionsstandort Hefei. Bis 2023 haben sich die Wolfsburger das Ziel gesetzt, in China mehr als 30 E-Modelle der eigenen Marken auf die Straße zu bringen.
Kommen die günstigen E-Autos von Volkswagen zu spät?
Fraglich bleibt, ob der Markstart 2027 ausreicht, um die Konkurrenz aus Fernost vom europäischen Markt fernzuhalten. Auch Branchenexperte Professor Stefan Bratzel vom Center of Automotive Management sieht große Herausforderungen auf die Wolfsburger zukommen. „Die Ankündigung von Volkswagen ist ein wichtiges Signal und für den Hochlauf der Elektromobilität fundamental", so Bratzel. „Vor dem Hintergrund der Wettbewerber aus China kommt der Schritt aber relativ spät. Die nächsten zwei Jahren werden für Volkswagen nicht leicht werden."