BYD in voller Fahrt auf Brücke

Die aktuellen Krisen gehen auch an den chinesischen Herstellern nicht spurlos vorbei, doch man gibt sich optimistisch. (Bild: BYD)

In China setzt die Autobranche, angetrieben durch staatliche Subventionen, konsequent auf Elektromotoren. Und zweifelsohne ist die globale Dominanz der Volksrepublik bei E-Fahrzeugen auf absehbare Zeit unbestritten: Allein im Vorjahr wurden über 2,9 Millionen Einheiten im Reich der Mitte verkauft, was einen weltweiten Marktanteil von rund 53 Prozent ausmacht. Gleichzeitig jedoch hat die heimische Branche im laufenden Kalenderjahr aufgrund der Corona-Lockdowns eine turbulente Achterbahnfahrt hingelegt.

Die in Shanghai ansässige Traditionsmarke SAIC beispielsweise gilt zwar nach wie vor als wichtiger Player auf dem Autobilmarkt, doch das Staatsunternehmen schwächelt zunehmend. Bei den Geschäftszahlen für das erste Halbjahr 2022 musste ein Einbruch des Nettogewinns im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um knapp 50 Prozent bekanntgeben werden. Nur der Verkauf von Fahrzeugen mit alternativen Antrieben zeigt weiterhin nach oben – mit einem Anstieg von 32,9 Prozent sogar deutlich.

So will SAIC der Krisenzeit ein Ende setzen

Dass 2022 kein gutes Jahr für SAIC ist, hat auch mit externen Faktoren zu tun. So wurde das Unternehmen im Frühjahr besonders stark von dem zweimonatigen Lockdown in Shanghai getroffen, wo auch das Hauptwerk des Herstellers angesiedelt ist. Wenig später sorgte die schwerwiegendste Hitzewelle Chinas seit über 60 Jahren für eine Energiekrise, die der Produktion massiv zusetzte. Doch teilweise ist die Krise hausgemacht. Bereits 1955 gegründet, haftet SAIC nach wie vor das Image eines angestaubten Staatsunternehmens an. Nur aufgrund der internationalen Joint Ventures, allen voran mit Marktführer Volkswagen sowie General Motors, musste sich SAIC lange Zeit um seine Geschäftsbilanzen nur wenig sorgen.

Nun setzt auch das staatliche Flaggschiff bei seiner Expansion nach Europa auf Elektromobilität. Diesen September legte der futuristische „MG4 Electric“ sein Debüt hin, der in Deutschland mit rund 32.000 Euro bepreist ist. Während die Technik fast ausschließlich „made in China“ ist, hat man sich beim futuristischen Design auch von Experten des Londoner „Royal College of Art“ unter die Arme greifen lassen. Im nächsten Jahr peilt der chinesische OEM für das Modell weltweit 150.000 Einheiten an.

MG4 Electric SAIC
Mit dem neuen Modell MG4 Electric soll der Schritt vom Traditionsunternehmen zum modernen Autohersteller gelingen. (Bild: SAIC)

Changan mischt mit Huawei und CATL den E-Markt auf

Changan möchte mit Huawei den Elektro-Markt aufmischen. Zhu Huarong, Geschäftsführer des staatlichen Autokonzerns Cangan Automobile, hielt im August anlässlich einer Branchenmesse in Peking eine Rede, in der der 59-Jährige die chinesische Regierung dazu aufrief, sich in Zukunft noch stärker auf das Ende der Verbrenner-Motoren vorzubereiten. Damit sorgte Zhu, selbst hochrangiger Parteikader, auch für die politische Gunst von Xi Jinping. Der chinesische Staatschef hat schließlich den Wandel zu Elektromobilität längst zur Chefsache erklärt hat.

Mit der Marke Avatr möchte Changan nun – in Kooperation mit dem Telekommunikationsausstatter Huawei und dem Batteriehersteller CATL – den E-Markt aufmischen. Im Dezember soll das SUV Avatr 11 erstmals ausgeliefert werden, für Huawei ist dies das Debüt auf dem Automarkt.

BYD verkauft die meisten E-Autos weltweit

Build Your Dream, kurz: BYD, repräsentiert passend zum Namen eine Art chinesischen Traum. Denn im ersten Halbjahr 2022 sorgte die einst etwas angestaubte Marke tatsächlich für einen solchen. Das Unternehmen mit Sitz in Shenzhen ist in der Elektro-Sparte an Marktführer Tesla vorbeigezogen und hat mit 641.000 Einheiten die meisten E-Autos weltweit verkauft. Die Statistik hinkt freilich etwas, schließlich ist das Gros der BYD-Autos mit Hybrid-Motoren ausgestattet. Das Unternehmen sorgte aufgrund des rasanten Aufstiegs dennoch für einen ordentlichen Paukenschlag, der auch die deutsche Konkurrenz wachrüttelte. Laut der jährlichen Umfrage der US-amerikanischen Vermögensverwaltungsgesellschaft Bernstein ist BYD gar die derzeit beliebteste Elektro-Automarke unter chinesischen Konsumenten – noch vor Tesla und Volkswagen.

Als 2008 die Investorenlegende Warren Buffet über 230 Millionen bei BYD mit acht Prozent an Firmenanteilen einstieg, kannte niemand die obskure Automarke aus Südchina. Seither aber haben sich die Aktienkurse mehr als verzwanzigfacht. Und technologisch zählt BYD aufgrund seiner jahrelangen Erfahrungen bei der Batterieproduktion zur Federführerschaft. Dem OEM gelingt nun auch ein signifikanter Vorstoß auf dem europäischen Markt: So kündigte Autovermieter Sixt an, über die kommenden Jahre rund 100.000 Elektroautos des chinesischen Herstellers zu kaufen.

Weißer BYD auf Landstraße im Wald, Frontalaufnahme
Für BYD könnte durch Kooperationen wie mit Sixt bald der nächste Traum wahr werden: in Form weiterer Marktanteile auf dem europäischen Markt. (Bild: BYD)

Nio will vorerst keine Direktverkäufe in Europa

Schillerndster Stern unter Chinas Elektro-Autobauern ist zweifelsohne Nio. Von William Li im Jahr 2014 gegründet, gilt das Unternehmen als Premiummarke, die vor allem mit ihrer innovativen Marketing-Strategie überzeugt. Anfang Oktober präsentierte Robin Li seine Expansionspläne für den deutschen Markt, nachdem man bereits 2021 in Norwegen ein Pilotprojekt gestartet hat.

Bei der Pressekonferenz in München sorgte der 47-jährige Unternehmer gleich für mehrere Überraschungen: Zunächst wird Nio in Europa komplett auf direkte Autoverkäufe verzichten und lediglich ein sogenanntes Abo-Modell anbieten. Wie Li in chinesischen Medien erklärte, beruht die Überlegung darauf, dass in einigen europäischen Märkten Leasing bereits 60 Prozent des gesamten Automarktes ausmache. In China zählt Nio zum gehobenen Preissegment, die Limousine „ET7“ kostet im Heimatmarkt umgerechnet rund 60.000 Euro. Die Verkaufszahlen von Nio können sich sehen lassen: Im September lieferte man knapp 11.000 Fahrzeuge aus, im gesamten Vorjahr waren es über 90.000.

Doch so rasant Nio aufgestiegen ist, so spektakulär stürzte die Marke kürzlich ab: Im März 2020, zu Beginn der Corona-Pandemie, stand das Unternehmen kurz vor einer Insolvenz und konnte nur durch staatliche Hilfen der Lokalregierung von Hefei gerettet werden. Bis heute schreibt der Hersteller – wie praktisch alle chinesische Elektro-Autobauer – noch keine schwarzen Zahlen. Der britische Branchenexperte Henry Sanderson geht davon aus, dass jeder verkaufte Nio trotz stolzem Preisschild ein Verlustgeschäft für das Unternehmen darstellt.

Nio EP9,  blauer Sportwagen auf schwarzer Bühne mit schwarzem Hintergrund
Auch das Modell EP9 von Nio unterstreicht, dass der Hersteller im Premiumsegment der Autobranche angesiedelt ist. (Bild: Nio)

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