Die BBAC-Fertigung in Peking von Mercedes-Benz

Im BBAC-Werk in Peking von Mercedes-Benz wurden 2023 573.000 Autos gebaut. (Bild: Mercedes-Benz)

Das Herz von Mercedes schlägt in Untertürkheim oder allenfalls Sindelfingen – meinen zumindest viele der Schwaben mit Stern. Doch die Realität sieht mittlerweile anders aus. Während der SUV-Fertigung im amerikanischen Tuscaloosa innerhalb des Mercedes-Werksverbunds eine immer größere Bedeutung bekommt, wird die Fertigung in der modernen Factory 56 (insbesondere E-, S- und EQS-Klasse) in Sindelfingen nicht nur in seiner Größe längst von der Produktion in Peking gefressen.

Wer meint, das Werk der Beijing Benz Automotive Co. Ltd. (BBAC) würde nur in der zweiten Reihe laufen, irrt. „In einigen Disziplinen sind wir sogar besser als die Factory 56 in Sindelfingen“, sagt Werksleiter Jörg Bartels nicht ohne Stolz. In dem BBAC-Werk im Yizhuang Industrial Park im Süden von Peking werden mittlerweile nicht nur insgesamt elf Fahrzeug-Baureihen gefertigt, sondern hier befindet sich auch eine große Motoren- und Batterieproduktion, aus der seit 2013 jene Modelle aus lokaler Produktion versorgt werden. Die größte Produktionsanlage im Mercedes-Verbund hat seit 2005 mehr als fünf Millionen Fahrzeuge – insbesondere Langversionen von GLC-, C- und E-Klasse – gefertigt. Rund 70 Kilometer nördlich befindet sich unweit des Flughafens im Stadtteil Shunyi eine zweite Mercedes-Fertigung für EQ- und MFA-Modelle, aus der Kapazitäten variabel hin- und hergeschoben werden können.

 

Seit 2019 werden an dem China-Standort auch die Batteriesysteme für den EQC sowie nunmehr für den EQE gefertigt. Im kommenden Jahr beginnt der Hochlauf von elektrischen Antriebseinheiten und Batterien für neue vollelektrische EQ-Modelle der MMA- und MB.EA-Plattform. „Hier an unserem Standort arbeiten mehr als 12.700 Angestellte“, erläutert Jörg Bartels, der zugleich auch CEO von Beijing Benz ist, „dazu kommen nochmals mehr als 7.000 weitere Kräfte - insgesamt also mehr als 20.000 Personen. Die versorgen wir allein in 15 Kantinen auf unserem Areal.“

Gearbeitet wird im Zweischichtbetrieb – die erste tagsüber – die zweite nachts. Unterstützt werden die Arbeiter dabei von zahllosen Robotern – allein 4.700 im Bodyshop. Besonders stolz ist man jedoch auch die immer größer werdende Zahl von Cobots – Roboter, die hier im Werk entwickelt wurden und zusammen mit den Mitarbeitern am Band arbeiten. Zum Beispiel werden Cobots bei der Qualitätskontrolle eingesetzt. Ist der Antrieb der C- oder E-Klasse erst einmal zusammengefügt, fotografieren die elektronischen Helfer die Schlüsselstellen automatisiert. Die Fehlertoleranz liegt bei 0,3 Prozent – besser als bei jedem Menschen. Im Unterschied zu normalen Robotern sind die sogenannten Peking Cobots dabei nicht von Zäunen umgeben, sondern werkeln offen in der Fertigungslinie. Die Zahl der intelligenten Cobots soll in den kommenden Monaten vervielfacht werden und auch Einzug halten in andere Produktionsstandorte von Mercedes.

Wer sich die Produktion von C-Klasse und E-Klasse auf einer Linie anschaut, ist beeindruckt. Die gigantische Werkshalle ich nicht nur ungemein sauber, sondern es ist auch so leise, dass man sich geradezu im Flüsterton unterhalten kann, während nebenan ein schwarzer Mercedes E 300 L gefertigt wird. Pro Stunde werden 44 Fahrzeuge fertiggestellt – nachdem diese vorher 300 Arbeitsstationen durchlaufen haben. Eine zweite kleinere Nebenlinie mit 30 Stationen und einem geringeren Automatisierungsgrad ist für Sonderprojekte gedacht oder wenn ein Arbeitspuffer benötigt wird. Allein im vergangenen Jahr wurden hier auf den vier Plattformen (MRA, MFA und EQ) in Peking 573.000 Fahrzeuge gefertigt.

Das BBAC-Werk ist durch das Produktionsökosystem MO360 nebst Industrie-4.0-Technologien mit den Fertigungsanlagen in Bremen und Sindelfingen vernetzt – das erhöht Flexibilität und Effizienz. Das Bediensystem MO360 umfasst dabei eine ganze Reihe von Softwareapplikationen, die durch gemeinsame Schnittstellen und einheitliche Benutzeroberflächen verbunden sind. Mit der Anwendung Quality Live lässt sich beispielsweise die Fertigung eines Fahrzeugs in Echtzeit überprüfen, während das Programm auf sämtliche Daten zurückgreift, die im Produktionsprozess erfasst werden. Bereits jetzt laufen die Vorbereitungen für die neuen Modelle der MMA-Plattform (Mercedes Modular Architecture), die nicht nur in Rastatt und dem ungarischen Kecskemét, sondern eben auch bei BBAC in Peking vom Band laufen sollen.

Doch das BBAC-Werk im Yizhuang Industrial Park beinhaltet nicht nur die Fertigung an sich. 2021 wurde direkt angeschlossen ein neues Forschungs- und Entwicklungszentrum eröffnet, das 1,1 Milliarden RMB (ca. 145 Millionen Euro) gekostet hat. Hier werden Fahrzeuge und Module speziell für den chinesischen Markt entwickelt; sprich jene Modelle, die ein paar Meter weiter am Band laufen. Das neue R&D Tech Center China mit seinen 1.000 Ingenieuren hat eine Bruttogrundfläche von 55.000 Quadratmetern und integriert neben einem Büro- auch ein Testgebäude mit hochmodernen Prüfeinrichtungen, einer Werkstatt, einem Lager und Testwagenparkplätzen. Das Herzstück des Campus sind die Prüf-, Test- und Validierungseinrichtungen für Hard- und Software, die alle wesentlichen Funktionen umfassen.

„China ist unser wichtigster Markt und ein entscheidender Technologie-Hub für die globale Automobilindustrie. Zudem ist China Vorreiter bei Tech-Innovationen und Zukunftstrends“, sagt Mercedes-CEO Ola Källenius, „daher setzen wir unsere Investitionen hier fort, vergrößern unseren Forschungs- und Entwicklungsbereich vor Ort und stärken gleichzeitig unsere regionale Produktion. So gewinnen wir bei der Transformation in Richtung Elektrifizierung, Digitalisierung und CO2-Neutralität weiter an Fahrt.“

Auch das Thema Nachhaltigkeit ist in China wichtiger als je zuvor. Viele Dachflächen der Produktionshallen sind mit Photovoltaik-Anlagen bedeckt; einige sollen noch folgen. Jörg Bartels: „Wir müssen uns auf einigen Dächern noch etwas einfallen lassen, weil es an der Dachlast hapert, doch hier wird sich zeitnah etwas tun. Durchschnittlich können wir damit 20 bis 25 Prozent unseres Energiebedarfs abdecken; an einem sonnenreichen Tag im Juni oder Juli sind es sogar bis zu 100 Prozent. Zudem wird das Wasser komplett wiederaufbereitet.“

 

Daten und Fakten zum BBAC-Werk

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