Kaum ein anderer Prozess in der Automobilproduktion bildet die klassische Fertigung so gut ab wie das Schweißen. Der Urmeter der Verbindungstechniken hat nicht nur für die Experten in den Automobil- und Zuliefererwerken eine ganz besondere Note: spiegelt er doch wider, was sich viele unter einem maschinellen Fertigungsvorgang vorstellen. Und für die zahlreichen Varianten ist noch lange kein Ende in Sicht. Denn Schweißen gilt nach wie vor als eine sehr zuverlässige und gut reproduzierbare Fügetechnik und wird von Experten beständig den neuen Herausforderungen angepasst.
Digitale Elektronenstrahltechnologie für Hairpin-Statoren
Ein Beispiel bietet die Elektronenstrahltechnologie, wie sie bei klassischen Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor seit Jahren zum Einsatz kommt. Beim Spezialisten pro-beam erachtet man sie auch für die E-Mobilität als zielführenden Prozess, da sich mit ihr eine hohe Qualität der Schweißnähte über einen geringen Wärmeeintrag erzielen lässt. Neben den Vorteilen in der Powertrain-Fertigung etwa bei der schlanken Produktion von Klappentellern bei Abgasturboladern, bei der eine hohe Reproduzierbarkeit und eine Fertigung frei von Hilfsstoffen gefragt ist, soll der Prozess nun auch bei elektrischen Antriebssträngen reüssieren. „In mehrjähriger Forschungs- und Entwicklungsarbeit haben wir unsere Technologie und Anlagen weiterentwickelt, sodass wir als erstes Unternehmen Komponenten für E-Autos mit dem Elektronenstrahl fügen konnten“, schildert Thorsten Löwer, Leitung Entwicklung und Anlagentechnik bei der pro-beam Gruppe.
Zum Einsatz kommt der Elektronenstrahl beispielsweise bei Hairpin-Statoren für Elektromotoren, bei denen bis zu 300 Kupfer-Pins gefügt werden. Den Experten zufolge ist er hier deshalb besonders geeignet, da im Gegensatz zu anderen Strahlverfahren keine lichtoptischen Effekte entstehen. Ferner ermöglicht das zu 100 Prozent digitale Verfahren eine reproduzierbare Schweißperlengeometrie. Und selbst bei Höhenversätzen von über einem Millimeter gelinge ein präzises Resultat, sagen die Verfahrensexperten. Darüber hinaus soll der Elektronenstrahl seine Stärke unter anderem auch beim Schweißen der Kurzschlussläufer-Rotoren von Elektroantrieben unter Beweis stellen. Aufgrund des zuverlässigen und stabilen Tiefschweißprozesses erziele er die benötigte Einschweißtiefe von über 60 Millimetern in nur einem Schweißdurchgang.
40 Prozent der Wertschöpfung entfallen auf die Batteriezellen
Speziell bei Elektrofahrzeugen liegt der größte Anteil der Wertschöpfung in ihren Batteriezellen – bis zu 40 Prozent sind es nach Angaben des Unternehmens für Laser-Technologie Raylase aus Weßling bei München. Die Lasermaterialbearbeitung kommt bei der Fertigung wesentlicher Bestandteile zum Einsatz, zu denen unter anderem der elektrische Antrieb selbst, die Batteriezellen, -module und -packs, und schließlich die notwendige Leistungselektronik zählen. Das Unternehmen arbeitet eigenem Bekunden nach in den folgenden Applikationen bereits mit Kunden zusammen: Beim Schneiden von Elektrodenfolien zur Batterieherstellung, beim Kontaktschweißen unterschiedlicher Batteriezellformate sowie beim Verschweißen von Aluminiumbauteilen.
Bis zum Jahr 2025 planen Autohersteller rund 400 neue batterieelektrische Fahrzeugmodelle auf den Markt zu bringen. Hierfür benötigen sie effiziente Methoden zur Entwicklung von Elektro-Plattformen und -Modellen, ohne unwirtschaftliche Kosten zu generieren, sagen die Experten im Bereich Sensoren, Software und autonome Lösungen von Hexagon. Eine Grundvoraussetzung für den Erfolg der neuen Antriebsart ist dabei das Reduzieren von Gewicht, um den Energiebedarf der Fahrzeuge einzudämmen. Leichtbau beeinflusse die gesamte Zulieferkette, hört man von den Experten für Rohrbiegeverfahren bei Schwarze-Robitec.
Beim Unternehmen aus Köln nimmt man einen wachsenden Bedarf an kompakten und dennoch leistungsstarken Bauteilen wahr, wie etwa an besonders dünnwandigen Rohren aus hochfesten Materialien. Zudem nehme die Nachfrage nach komplexen, unsymmetrischen Formen mit vielgestaltigen Querschnitten zu, heißt es. Gerade die Elektromobilität verlangt den Prozessexperten zufolge kundenspezifisch konfigurierbare, produktabhängige Spezialmaschinen. Zusammen mit der sogenannten NxG-Steuerung, die vollautomatisch das Zusammenspiel aller Achsen prüft und die Bewegungsabläufe aufeinander abstimmt, will das Unternehmen die Produktionszeit je nach Bauteil und gewünschter Rohrgeometrie um 20 bis 40 Prozent senken.
Leichtbau beeinflusst zunehmend die gesamte Zuliefererkette
Mit Blick auf das schier unendliche Feld der Gewichtsreduzierung nehmen in neuen Antriebsgenerationen Kunststoffe eine zunehmend starke Rolle ein. Das Unternehmen Pöppelmann aus dem niedersächsischen Lohne arbeitet mit über 2.500 Mitarbeitern an Sonderanfertigungen aus Kunststoff. Der Geschäftsbereich K-Tech startete bereits vor rund zehn Jahren zusammen mit der Daimler-Tochter ACCUmotive ein Großprojekt für Zellrahmen, Isolationsrahmen und Stromkollektorrahmen für die Akkus des elektrischen Smart. Zu den Anforderungen gehören unter anderem ein hoher Flammschutz, eine möglichst kompakte Auslegung der Bauteile für den begrenzten Bauraum sowie höchste Genauigkeit in Bezug auf die Maße, „also beispielsweise ein hohes Maß an Dimensionsstabilität der Zellrahmen, damit es auch unter Realbedingungen wie dem Zellwachstum nicht zu unerwünschten Reaktionen kommt“, erläutert Reinhard Thobe, Technischer Vertrieb bei Pöppelmann K-Tech.
Die meisten Fahrzeuge der Smart ED3-Generation seien noch auf den Straßen unterwegs – mit offensichtlich gut geschütztem Akku, hebt man beim Unternehmen hervor. Dank dieser Erfahrung sei man nun in das E-Auto-Projekt eines namhaften Herstellers von Luxus-Limousinen eingebunden und liefere wieder die Zellrahmen. Diese werden bei Pöppelmann im Zweikomponenten-Spritzgussverfahren (2K) hergestellt. Mit diesem Prozess lassen sich die Werkstoffeigenschaften zweier verschiedener Kunststoffe vereinen, wie beispielsweise hart und weich. 2K soll zu einer festen Verbindung zwischen den unterschiedlichen Materialien beitragen; das Bauteil entsteht in einem Fertigungsablauf, so dass der Aufwand für Montage und Nachbearbeitung entfallen kann.
Als Spezialist für die Ausrüstung der Montage elektrifizierter Fahrzeuge hat sich das Unternehmen Grob aus dem bayerischen Mindelheim etabliert. Trotz der weltweiten Turbulenzen in der ersten Jahreshälfte habe man bislang für den Lieferzeitraum 2020/2021 mehr als 15 Stator- beziehungsweise Rotor-Projekte für komplexe Montageanlagen wie auch Prototypenaufträge gewinnen können. Das Unternehmen meldet weitere Fortschritte bei den Hairpin-Technologien für die Statoren der Elektroantriebe. Mit den wachsenden Anforderungen im automobilen Antriebsstrang hätten auch die Themen zuverlässige Montage von Batteriesystemen sowie die effiziente Produktion von Batteriezellen an Bedeutung gewonnen.
Das Unternehmen kann aktuell auf mehr als zehn Festaufträge für die Batteriemodulmontage verweisen. Daneben entwickelt Grob Lösungen für die Batteriezell-Assemblierung der im Elektro-Antriebsbereich aktuellen Lithium-Ionen-Zellen. Speziell für die Prozessentwicklung neuer und skalierbarer Fertigungsverfahren hat das Unternehmen zwischenzeitlich ein eigenes Applikationslabor geschaffen.
Passende Qualifikationsangebote helfen durch die Transformation
Gut, wenn man auf Erfahrung aus der bisherigen Powertrain-Fertigung bauen kann. In der Antriebsfertigung lassen sich Produktionsprozesse mit Blick auf die Elektrifizierung jedoch nicht ohne weiteres 1:1 vom klassischen Verbrenner übertragen. Der Anbieter von Antriebstechnologien und Elektrifizierungslösungen Vitesco Technologies will daher mit einer breit angelegten Qualifizierungs-Offensive möglichst viele seiner Mitarbeiter für neue Projekte im Bereich der E-Mobilität befähigen. Seit 2017 haben rund 840 Mitarbeiter am sogenannten „Electrification Program“ teilgenommen. Weitere rund 460 Mitarbeiter nehmen aktuell an Trainings teil oder starten in Kürze, heißt es beim Unternehmen. Man verstehe kontinuierliches Lernen als zentrale Voraussetzung für eine erfolgreiche Transformation, was heute wichtiger sei denn je, sagt Ingo Holstein, CHRO von Vitesco Technologies. Erst Ende Januar meldete der Supplier den Abschluss von rund 100 Teilnehmer seines Technology Labs am Electrification Program im italienischen Pisa.
Am italienischen Standort verfüge man über großes Know-How im Bereich Industrie 4.0. Gleichwohl sei der Standort, der in der Hauptsache rein mechanische Komponenten für Verbrennertechnologien produziere, stark von der Transformation betroffen. „Mit diesem Qualifizierungsangebot können wir unsere Stärken weiter ausbauen”, schildert Standortleiter Riccardo Toncelli. Das kürzlich erfolgte Training mit 104 Unterrichtseinheiten fand in Kooperation mit der Universität Pisa statt. Den Zeit-Invest für den Zertifikatskurs bringen Unternehmen und Teilnehmer zu gleichen Teilen ein. So hätten sich die Arbeitsstunden, die Vitesco Technologies in Weiterbildung investiert habe, innerhalb eines Jahr bereits verdreifacht, heißt es. In Deutschland arbeitet die Powertrain-Sparte mit der Ostbayerischen Technischen Hochschule, der Industrie- und Handelskammer (IHK) Regensburg, der IHK Cham sowie den Fachhochschulen in Frankfurt und Dortmund zusammen. Weitere Kooperationen sind dem Unternehmen zufolge in Vorbereitung.
Elektrofahrzeuge verlangen nach neuen Ansätzen
Eine Philosophie der speziellen Anpassung von Komponenten des Antriebsstrangs hat man bei Benteler. E-Fahrzeuge würden nach ganz anderen Ansätzen und Ingenieurskonzepten verlangen, heißt es beim Unternehmen. Dies betreffe insbesondere Batterie, Hochvolt-Steuerung, Schnellladen und Sicherheit sowie den elektrischen Antriebsstrang, sagt Marco Kollmeier, Vice President Business Unit E-Mobility. „Bei vielen unserer Produkte ist es nicht entscheidend welche Antriebsart dahintersteckt. Denn 85 Prozent unserer Teile sind unabhängig von der Antriebsart – ob Verbrenner, E-Auto, Hybrid oder Wasserstoff.“ Als Prozessspezialist entwickle man hinsichtlich der Produktionsfähigkeit zugeschnitten auf Kundenwünsche und passe somit die Produktion auf alle Antriebsarten an.
Mit seinem Rolling Chassis, das Benteler gemeinsam mit Bosch entwickelt hat – eine modulare Plattform mit Allradantrieb und 300 kW Leistung – habe man die Fahrzeugsegmente D bis F im Fokus. Mittlerweile frage der Markt aber auch stark nach Plattformen in den kleineren Segmenten B und C. Daher arbeitet das Unternehmen mit Fokus auf Kosteneffizienz und robustem Design auch an einer Plattform für diese Segmente. Das Spektrum möglicher Anwendungen sei groß, sagt Kollmeier und erläutert: „Über leichte und umweltfreundliche Transportfahrzeuge für die ,letzte Meile‘ bei Lieferdiensten bis hin zu neuen Konzepten für den öffentlichen Nahverkehr wie etwa teil- und vollautonom fahrende und barrierefreie People Mover. Bei der letzten Kategorie sind wir bereits in verschiedenen Entwicklungsprojekten involviert.“
Die Endprodukte definieren letztlich die Fertigungsprozesse
Beim Auftragsfertiger Magna Steyr gehört das Abbilden der aktuell zunehmenden Vielfalt im Antriebsstrang zum Tagesgeschäft. So fertigt das Unternehmen etwa für Jaguar Land Rover die Modelle Jaguar E-Pace und I-Pace auf einer Linie. Ein Schlüssel zum Erfolg sei hierbei die frühzeitige Integration des sogenannten „Manufacturing Engineerings“ in die Produktentstehungsphase, da „das Produkt den Fertigungsprozess definiert und der Prozess das Produktionsequipment“, beschreibt dies Erwin Fandl, Vice President Manufacturing Magna Steyr. Zu den Schlüsseln zählen auch umfangreiche Anpassungen in allen Prozessstufen sowie ein passender Automatisierungsgrad.
Ein wichtiger Faktor in der Auftragsfertigung ist dem Unternehmen zufolge jedoch die Reduktion von Einmalkosten. Fandl schildert: „Daher verfolgen wir eine konsequente Anlagenstrategie, hier stehen bei Anlagenmodifikationen oder der Integration von neuen Systemen kurze Integrationszeiten bei niedrigen Integrationskosten, ein wirtschaftlich sinnvoller Automatisierungsgrad und Nachhaltigkeit im Vordergrund. Zur Nutzung der Anlagen über mehrere Produktlebenszyklen hinweg, haben wir ein ganzheitliches TPM-Management - Total Productive Maintenance - etabliert, um eine zuverlässige Funktion über einen langen Zeitraum zu gewährleisten.“
Die Multi-OEM-Strategie ermögliche es Magna Steyr, die Anforderungen mit größtmöglicher Flexibilität und Effizienz zu erfüllen. Fandl bringt dies auf einen simplen Nenner: „So viel als möglich gemeinsam – so wenig als nötig getrennt.“ Seinen Kunden könne Magna Steyr daher das gesamte Portfolio eines One-Stop-Shop bieten. Neue Anforderungen stelle das Thema Hochvolt freilich an die Qualifikation der Mitarbeiter. Hinzu kommen notwendige infrastrukturelle Anpassungen wie Sicherheitsmaßnahmen von Lagerbereichen und entsprechende Notfallpläne.
Für das Fahren von Verbrenner- und E-Versionen auf einer Linie sind Magna-Experte Fandl zufolge die Prüfeinrichtungen und -prozesse, sowie die Ladeinfrastruktur für Hochvoltbatterien wesentliche Schlüsselelemente. Zusätzlich zu den unterschiedlichen Ausstattungsvarianten steige durch die verschiedenen Antriebsstränge der Fahrzeuge die Komplexität in der Montage, da die Anzahl und Inhalte der Arbeitsschritte immer stärker divergieren. Dem gelte es mit entsprechenden Konzepten, beispielsweise für die Hochzeit, entgegen zu wirken. „Das Optimum erreichen wir durch den engen Schulterschluss zwischen Produktentstehung und Produktion, um die Expertise aller Gewerke bereits bei der Fahrzeugentwicklung einfließen zu lassen, indem wir beispielsweise das Manufacturing Engineering von Beginn an einbeziehen.“