BMW Mitarbieter an einem Aluminiumgehäuse bei BMW

Die rund 3.700 Mitarbeiter am Landshuter BMW-Standort arbeiten mit Hochdruck an zentralen Komponenten für BMWs Elektromodelle der Neuen Klasse. (Bild: BMW Group)

Landshut hat eine besondere Stellung innerhalb des Produktionsnetzwerks der BMW Group. Alleine im Jahr 2023 fertigten die rund 3.700 Mitarbeiter am niederbayerischen Standort insgesamt rund 3,6 Millionen Gusskomponenten, 430.000 Kunststoff-Komponenten für das Exterieur, mehr als 300.000 CFK-Bauteile, 286.000 Cockpits, 1,4 Millionen Gelenkwellen sowie 20.000 Sondermotoren. Der größte Gusskomponenten-Standort beherrscht bewährtes Handwerk wie den Guss von Aluminium und die Kunstofffertigung für alle Modelle und geht zugleich mit neuen Produkten wie dem Aluminium-Gehäuse für die Antriebseinheit der 2025 startenden Neuen Klasse – einer gesamten kommenden Fahrzeuggeneration - einen noch breiteren Weg im Portfolio. Dazu hat man einen eigenen Prozess entwickelt, das sogenannte Injector Casting-Verfahren.

Als Standort erweitern wir kontinuierlich unsere Kompetenzen sowohl in der Fertigung unserer hochinnovativen Komponenten als auch in der Entwicklung neuer Technologien. Dieses Leistungsspektrum bietet uns die notwendige Flexibilität, die wir auch in Zukunft benötigen werden“, erläutert Werkleiter Thomas Thym vor Journalisten. Man sei bemüht, resiliente Lieferketten zu modulieren und sehe sich als zuverlässigen Teil des großen Ganzen, denn schließlich sei man ja auch ein Lieferant im eigenen Haus, so der Leiter des Werks, der seit vergangenem Dezember die Geschicke in Landshut leitet.

Landshut fertigt Aluminium-Gehäuse für die Neue Klasse

Mit der Produktion der Zentralgehäuse der sechsten Antriebs- Generation für die Neue Klasse, die bereits 2025 in Debrecen und 2026 auch in München vom Band rollt, vollzieht der niederbayerische Standort einen weiteren Schritt in der Transformation zur Elektromobilität. Die Besonderheit für das komplexe Bauteil und seinen unterschiedlichen Wandstärken ist dessen Herstellungsprozess, das Injector Casting. Dieses garantiere optimale mechanische Eigenschaften des Gussteils, erläutert Karl Bauer, Leiter Produktion Injector Casting, Druckguss und Lost Foam im BMW-Werk Landshut im Interview mit Automobil Produktion. Zudem soll es eine reduzierte Taktzeit ermöglichen und im Zuge dessen eine deutliche Reduktion des Energieverbrauchs sowie geringere CO2-Emissionen aufgrund einer geringeren Gießtemperatur. Im Bereich der Kunststoffe wird Landshut auch Kunststoffkomponenten für die Neue Klasse bauen, etwa für das Exterieur des Fahrzeugs.

Wie funktioniert Injector Casting bei BMW?

BMW Mitarbeiterin vor einem Bauteil
(Bild: BMW)

Das neue Zentralgehäuse für Elektrofahrzeuge von BMW ist ein hochintegriertes Bauteil. In dieses werden sowohl die Hochleistungselektronik, das Getriebe, der Stator als auch der Rotor und die Kühlung integriert. "Dies führt zu einer gewissen Bauteilkomplexität mit einerseits recht dickwandigen und zum anderen auch dünnwandigen Bereichen oder Flächen", erläutert Karl Bauer, Leiter Produktion Injector Casting, Druckguss und Lost Foam im BMW-Werk Landshut. Hinzu würden sich gewisse Torsionsanforderungen und hohe Qualitätsanforderungen gesellen. Im Interview mit Automobil Produktion erklärt er das Verfahren: "Das Injector Casting Verfahren ist ein innovatives Gießverfahren, das von der Leichtmetallgießerei hier in Landshut entwickelt und patentiert wurde. Bei diesem Verfahren wird die Kokille mittels eines Injektors von innen gefüllt, so dass kein zusätzliches Angusssystem benötigt wird. Dadurch kann bis zu 40 Prozent Schmelze pro Bauteil eingespart werden. Da sich der Injektor immer im oberen Schmelzebad befindet, kann mit geringerer Schmelzetemperatur gegossen werden, was zu weiteren Energieeinsparungen und zu kürzeren Erstarrungszeiten, also Taktzeiten, führt." Die schnellere Erstarrung bewirkt Bauer zufolge obendrein ein feineres Gefüge und bessere mechanische Eigenschaften. Bauer ergänzt: "Das Verfahren eignet sich für die Herstellung von allen Aluminiumgussteilen, die im Standard-Schwerkraftkokillengussverfahren hergestellt werden können. Die beschriebenen Vorteile hinsichtlich Füllung und Erstarrung ermöglichen zudem die Produktion von dünnwandigen Bauteilen mit komplexen Strukturen und hohen mechanischen Anforderungen."

Weitere Flächen und moderner 3D-Druck-Prozess

Künftig produziert BMW am Standort die Zentralgehäuse in einer neuen Halle auf einer Fläche von 12.000 Quadratmetern auf drei Ebenen. Für solche neue Herausforderungen, wie sie die neue Fahrzeuggeneration mit sich bringt, sieht man sich bei BMW in Landshut gewappnet und hat erst im Januar ein direkt ans Werk angrenzendes, etwa 30.000 Quadratmeter großes Grundstück erworben, das dem OEM für weitere künftige Produktionsumfänge Planungssicherheit bietet. Die Investitionen umspannen darüber hinaus auch die wichtige Erstellung der für den Guss relevanten Sandkerne im 3D-Verfahren. Auf Basis von emissionsfreien und umweltschonenden anorganischen Bindersystemen druckt die Anlage über ein Druckkopfsystem Sandschicht für Sandschicht, aus welchen sich die Sandkernform ergibt, die für den Guss von 4- und 6-Zylinder-Ottomotoren der BMW Group benötigt werden.

In Landshut hält Catena-X Einzug in die Produktion

Wenn alle eine gemeinsame Sprache nutzen, ist dies von Vorteil. Mit Blick auf die riesigen Mengen an Daten, die in der Fertigung entstehen, könne das Datenökosystem Catena-X eine solche gemeinsame Sprache sein, erläutert Sabrina Schrangl, Projektleiterin Catena-X BMW Group Komponentenfertigung, beim Rundgang durch die Landshuter Hallen. Im niederbayerischen Werk pilotiert das Unternehmen nämlich erstmals die datenbasierte Energieverbrauchsmessung bei der Fertigung einer gesamten Komponente. „Gemeinsam mit unseren Partnern berechnen wir den Product Carbon Footprint der Niere des BMW iX über das Datenökosystem Catena-X“, schildert Schrangl. Wie dies anhand von CO2-Realdaten aus der Fertigung funktioniert, zeigt BMW anhand dieser Komponente als Showcase auf der Hannover Messe.

Gemeinsam mit Partnern und Lieferanten bildet der OEM hier erstmals eine gesamte Datenkette ab. „Über den radikal neuen Zusammenarbeitsansatz von Catena-X werden wir, die BMW Group und unsere Partner, im Kontext Nachhaltigkeit, Versorgungssicherheit und Qualität unsere Wertschöpfungsprozesse verbessern und dabei zudem Kosten sparen“, verkündete Oliver Ganser, Vice President Digitalisierung des Einkaufs- und Lieferantennetzwerks der BMW Group, sowie Vorstandsvorsitzender des Catena-X e.V. auf der Hannover Messe. Perspektivisch sollen alle Daten bis zum Ende des Lebenszyklus erfasst werden (Cradle to-Grave), um langfristig eine industrieübergreifende Kreislaufwirtschaft zu ermöglichen.

Qualifizierung macht in Landshut Schule

Zum „besonderen Spirit“ in Landshut, wie Thomas Thym und Karl Bauer den Willen der Belegschaft beschreiben, gerne neue Wege zu erkunden, gesellt sich eine breit angelegte Qualifikationsoffensive. Vorrangige Kompetenzen, auf die man sich fokussiere, finden sich den Landshutern zufolge in den Bereichen Robotik, Qualitäts- und Prozessmanagement, Analyse von Elektrik- und Elektronikumfängen, Instandhaltung und Logistik. Zu den Bausteinen zählt etwa eine zwölfmonatige Umschulung im Bereich Elektrik und Elektronik zum Industrieelektriker, die das Unternehmen eigenen Mitarbeitern wie auch externen Bewerbern anbietet.

Ich bin davon überzeugt, dass es gezielt eingesetzte Qualifizierungsbausteine benötigt, um auf die sich verändernden Kompetenzbedarfe in unserer Industrie zu reagieren und dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken“, betont Anna Sponsel, Leiterin des Personalwesens am Standort. Seit dem vergangenen Jahr bietet das Werk Landshut außerdem ein eigenes duales Studium für den Bereich Qualitätsmanagement an. Das Werk konnte 2023 mehr als 250 neue Einstellungen vermelden. Auch für dieses Jahr rechne man mit der Einstellung einer dreistelligen Zahl an Beschäftigten und fokussiere sich dabei vor allem auf Zeitarbeitskräfte, die bereits am Standort tätig seien, so die Personalchefin.

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