Carlos Tavares

Allen voran bekräftigt die Dare Forward 2023 Strategie die Transformation des Portfolios: Bis 2030 soll der weltweite Absatz von Elektrofahrzeugen (BEV) auf fünf Millionen Einheiten jährlich anwachsen. (Bild: Stellantis)

Die Bilanz des niederländischen Stellantis-Konzerns, der neben Opel die einst eigenständigen Markengruppen Chrysler, Fiat und PSA in sich vereint, kann sich sehen lassen. Die Erfolge haben einen Grund: Boss Carlos Tavares und seine Führungsmannschaft schnitten in den vergangenen Jahren fast alles ab, was nicht unbedingt notwendig war, reduzierten Modellangebote ebenso wie Technologien oder markentypische Extravaganzen, die in Frankreich, Italien und Deutschland lange ausgelebt wurden.

Die gesamte Stellantis-Gruppe brachte im vergangenen Jahr 6,39 Millionen Vehikel vor Kunde und reihte sich hinter Toyota, Volkswagen und der Hyundai Motor Group auf Platz vier der internationalen Verkaufsrangliste ein. Getrieben wird der Absatz durch die Regionen Nord- und Südamerika sowie Europa, während es in Asien und insbesondere auf dem Massenmarkt China nicht zufriedenstellend läuft. Während andere zunehmend auf eine Expansion in China setzen, konzentriert sich Stellantis außerhalb Europas insbesondere auf Südamerika. Bis zum Jahre 2030 investiert Stellantis 5,6 Milliarden Euro in der Region – das größte Investitions-Volumen in der Geschichte der südamerikanischen Automobilindustrie. Die geplanten Investitionen fließen in die Markteinführung von mehr als 40 neuen Produkten sowie in die Entwicklung neuartiger Bio-Hybridtechnik und der Dekarbonisierungen in der gesamten Lieferkette.

Anders als Fiat, Alfa Romeo, Chrysler oder Dodge sind gerade Konzernmarken wie Peugeot, Citroen, Opel oder Jeep im Vergleich zum Zeitraum von vor vier Jahren kaum wiederzuerkennen. Die Angebote wurden gestrafft, die Portfolios ausgedünnt und Antriebsversionen abseits nennenswerter Volumina gestrichen. Da wundert es, dass Stellantis eine Mikromarke wie Lancia wieder ausgräbt, die nur noch mit einem Modell auf dem Heimatmarkt in Italien existierte.

Hier ist der kleine Y zugegeben eine fahrende Legende und obschon der kleine Norditaliener mächtig in die Jahre gekommen ist, wurde er im vergangenen Jahr mit 45.000 verkauften Modellen nochmals zum drittmeistverkauften Fahrzeug Italiens. Jetzt folgt die Neuauflage mit schickem Italo-Design und bekannter Technik aus den Konzernregal. Auf diesem Weg will Stellantis die Marke Lancia nach Jahren des Dahinsiechens neu aufleben lassen. Nach dem Y folgen bis 2028 zwei weitere Elektromodelle, mit denen sich Lancia ins ertragreiche Premiumsegment emporarbeiten will.

Im Gegensatz zu diesem Fahrzeug-Modell, das speziell mit Blick auf den Heimatmarkt etwas unglücklich für die Elektropositionierung auch als 74 kW / 100 PS starker Benziner mit Mildhybridtechnik Kunden locken soll, werden die kommenden größeren Modelle Gamma und Delta ausschließlich elektrisch angetrieben. Der Lancia Gamma wird 2026 eine rund 4,70 Meter lange Schräghecklimousine, die betont luxuriös ausgestattet auch als Allradler angeboten wird. „50 Prozent der Kunden werden aus Italien kommen; die andere Hälfte soll in anderen Nationen verkauft werden“, sagt Lancia-CEO Luca Napolitano. 2028 rollt der große Lancia Delta an.

Die italienische Regierung steht wirtschaftlich vor großen Herausforderungen. Mit Argwohn blickt man daher auch nach Paris und Hoofddorp in die Konzernzentralen von Stellantis. Die dortig beschlossenen Kosten- und Effizienzmaßnahmen dürften ab diesem Jahr deutlich mehr auch die Marken Fiat, Alfa Romeo sowie Maserati und Ferrari treffen. Doch die Führung des niederländischen Stellantis-Markenkonsortiums bekennt sich deutlich stärker zu Alfa Romeo, als man dies beispielsweise von Citroen oder Opel gesehen hat. Im nächsten Jahr kommt zunächst der neue Alfa Romeo Stelvio; 2026 folgt der ebenfalls überfällige Giulia – entwickelt in Italien und im Cassino-Werk 130 Kilometer südlich von Rom produziert.

Doch nicht allein die Plattform von Stelvio und Giulia ist neu; beide Mittelklassemodelle bekommen nicht nur das neue „Smart Cockpit“, sondern auch die Software-Architektur STLA Brain, die over-the-air updatefähig ist. Die vollständige Integrierung in die Cloud entkoppelt Hardware- und Softwarezyklen voneinander – so sollen die Fahrzeuge länger zeitgemäß bleiben. Die neue Generation besteht neben den zentralen Informationen auf den digitalen Instrumenten aus einem gebogenen Infotainmentsystem und erstmals auch einem Head-Up-Display nebst Nachtsichtgerät und digitalen Außenspiegeln. Neben Sprach- und Touchbedienung sollen sich die Fahrzeugfunktionen mit der neuen IT-Architektur unter anderem auch per Geste und Blicken bedienen lassen.

Auf der neu entwickelten Plattform STLA Large lassen sich unterschiedliche Antriebssysteme realisieren und so wird der kommende Alfa Romeo Stelvio das erste elektrische Fahrzeugmodell, das auf dieser Plattform die 800-Volt-Technologie nutzen wird. STLA Large ermöglicht mit variablen Radständen, Längen, Breiten und Bodenfreiheiten unterschiedliche Aufbauten und Fahrzeugkonzepte. Für die Stellantis-Crossover mit der italienischen Landesflagge wird es im D- und E-Segment erstmals Technologien wie hochautomatisiertes Fahren, eine aktive Wankstabilisierung oder Geländeerkennung geben. Die maximale Batteriekapazität von Alfa Romeo Stelvio, Giulia sowie späteren Modellen wie dem Lancia Gamma und Delta soll bei 118 kWh liegen und eine Ladeleistung von 4,5 kWh pro Minute ermöglichen.

In diesem Juli wird Fiat 125 Jahre alt. Passend zum Geburtstag startet der italienische Autobauer mit großen Ambitionen ins neue Autojahr. Der neue Panda soll eine ganze Familie von kleinen Fahrzeugen begründen, darunter auch einen Pick-up oder einen Camper, die bis 2027 erscheinen sollen. Das grundlegende Konzept, das Fiat-CEO Olivier François jüngst präsentierte, ähnelt dem der französischen Konzernschwester Citroën. Die kantige Front erinnert auch sofort an den kleinen Citroën-Stromer, der auf der Stellantis-CMP-Smart-Car-Plattform basiert, die unterschiedliche Antriebsformen ermöglicht – also BEV, MHEV oder auch Gasantrieb, der für Lateinamerika wichtig ist. „Wir können endlich von echten globalen Modellen träumen. The sky is the limit“, strahlt François. Neben einem Pick-up wird es eine schnittige Fließheck-Limousine als Nachfolger des Fiat Tipo oder des Fiat Fastback in Brasilien geben. Die Ingenieure reizen die Architektur voll aus und stellen ein SUV auf die Räder, das als Panda XL auch als Familientransporter dienen soll.

Doch es geht längst nicht allein um Autos, denn Stellantis hat mit seinen Marken gerade in Europa große Nachhaltigkeitsziele. Bereits im Jahre 2038 will der Gesamtkonzern nach Aussagen von Carlos Tavares CO2-neutral sein. Bis Ende des Jahrzehnts will Stellantis mit Marken wie Alfa Romeo, Chrysler, Citroën, Fiat, Maserati, Jeep und Peugeot insgesamt 75 elektrische Modelle im Angebot haben und jährlich fünf Millionen Elektroautos verkaufen. In den kommenden zwei Jahren stehen in den Bereichen Elektromobilität und IT-Investitionen von mehr als 30 Milliarden Euro an – insbesondere um nachhaltiger zu werden.

Peugeot arbeitet neben der Umstellung des Modellportfolios im Konzernverbund mit Hochdruck daran, Beschaffungs- und Lieferkettenstrategien zu modernisieren, um nachhaltigere Materialien in die Fahrzeuge zu bekommen. Licht und Glas sollen die energieintensiveren Module in schwarz und Chrom ersetzen. Der globale Lebenszyklus der einzelnen Produkte wird von derzeit 15 Jahren auf dann 20 bis 25 Jahre verlängert. So soll das Global Warming Potential (GWP) in den nächsten beiden Fahrzeuggenerationen um ein Viertel reduziert werden.

Pandelleria
Laut Fiat wird es den bisherigen Panda trotz des bald erscheinenden Nachfolger-Modells weiterhin geben. (Bild: Olaf Pignataro)

Fiat tut sich wegen der kleinen Fahrzeuge leichter als andere Marken, seinen CO2-Fußabdruck weiter zu reduzieren. „Es ist kein Zufall, dass Stellantis genau dann entsteht, wenn unsere Welt eine neue Art von Automobilunternehmen benötigt, die sich für saubere und intelligente Lösungen einsetzen, um die Freiheit der Mobilität für alle zu ermöglichen“, so der Verwaltungsratsvorsitzende John Elkann, „unsere globale Größe und Reichweite bieten uns die Ressourcen, um in modernste Technologien, unverwechselbare Exzellenz und eine unübertroffene Auswahl für unsere Kunden zu investieren. Aber es ist die geografische und kulturelle Vielfalt der Mitarbeiter von Stellantis, seit dem ersten Tag unser größter Wettbewerbsvorteil ist.“

Opel fehlt nach der Einstellung des Topmodells Insignia mehr denn je ein Aushängeschild; bedient sich bei der Metamorphose zur Elektromarke neuer Modelle mit bekannten Modellnamen. Dabei lässt der von vielen erwartete Elektro-Manta ebenso auf sich warten wie ein luxuriöser Neo-Monza. Als viele Autohersteller Anfang der 1990er Jahren noch von SUVs und Geländewagen träumten, brachten die Rüsselsheimer den Frontera in die eigene Produktpalette. Der Opel Frontera war zunächst nicht für den europäischen, sondern in erster Linie für den asiatischen Markt gedacht, wo er unter Führung von General Motors als Isuzu Wizard angeboten wurde. Jetzt kehrt der Frontera zurück – wieder als SUV und wieder unter dem Opel-Blitz. „Der Name Frontera passt perfekt zu unserem komplett neuen spannenden SUV. Das neue Modell wird mit einem selbstbewussten Charakter auftreten und im Zentrum des Marktes positioniert sein“, sagt Opel CEO Florian Huettl.

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