Bilyana Stern, Werkleiterin bei Opel, steht mit verschränkten Armen in einem schwarzen Rollkragenpullover vor dem Hintergrund des Opel-Werks in Kaiserslautern. Im Bildhintergrund sind moderne Presswerk-Anlagen, Metallteile in Gitterboxen und eine helle Industriehalle mit gelben Sicherheitsmarkierungen zu sehen.

Bilyana Stern ist seit März 2025 Werkleiterin im Opel-Werl Kaiserslautern. (Bild: Opel)

Als vergleichsweise junger Mensch kommt man sich in der Arbeitswelt manchmal vor wie im falschen Film. Insbesondere bei der Suche nach einem neuen Job kann es schnell frustrieren, wenn potentielle Arbeitgeber mehrjährige Berufs- oder gar Führungserfahrung erwarten. Wie soll das gehen? Eine, die mit gerade einmal 35 Jahren schon massenhaft Erfahrungen gesammelt hat, dürfte dieses Gefühl dagegen nicht kennen: Die Rede ist von der frischgebackenen Werkleitern des Opel-Werks in Kaiserslautern, Bilyana Stern. Nach dem Maschinenbaustudium mit Schwerpunkt technischer Logistik an der TU Dortmund stieg sie direkt in die Produktion ein. Fünf Jahre lang arbeitete sie bei Avery Dennison, einem amerikanischen Konzern für selbstklebende Folien, wo sie als Process Engineer in großen Beschichtungsanlagen tätig war. Internationale Einsätze in Kuala Lumpur und Belgien prägten nicht nur ihr technisches Know-how, sondern führten sie auch an die pragmatische, lösungsorientierte Arbeitsweise amerikanischer Unternehmen heran.

Bilyana Stern spricht auf dem APK 2025:

Automobil Produktion Kongress 2025

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Diese Erfahrung ebnete ihr den Weg zu weiteren anspruchsvollen Stationen: „Danach kam Amazon. Ich wurde angesprochen, ob ich beim Aufbau von neuen Logistikzentren mitmachen möchte", erinnert sie sich. Stern verantwortete operative Prozesse im Inbound- und Robotics-Bereich. „Dort habe ich viel über Menschenführung gelernt, denn das operative Geschäft ist sehr intensiv." Bei Tesla kehrte sie in die Produktion zurück – ihr eigentliches berufliches Zuhause. In der Batteriezellenfertigung und später in der Antriebstechnik übernahm sie Führungsverantwortung. Schließlich wurde sie gefragt, ob sie sich vorstellen kann, in ein Führungskräfteentwicklungsprogramm bei Stellantis einzusteigen – mit Blick auf eine Werkleiterrolle. So kam Stern zu Opel, zunächst in Rüsselsheim. Nach gut einem Jahr wurde sie zur Leiterin des Presswerks in Rüsselsheim berufen und seit März 2025 leitet sie das Komponentenwerk in Kaiserslautern.

Frau Stern, welche Erfahrungen aus Ihrer Zeit bei Tesla und Amazon prägen Ihre Arbeit heute bei Opel?

Bei Amazon habe ich gelernt, wie wichtig schnelle Entscheidungen sind. 70-Prozent-Planung reicht, dann wird umgesetzt – man hat keine Zeit, alles zu perfektionieren. Das ist ein ganz anderer Ansatz als bei traditionellen Herstellern, wo man oft sehr lange plant. Tesla war extrem technologiegetrieben. Es gab viele sehr junge Leute, denen große Verantwortung übertragen wurde – ohne fertige Prozesse oder Vorgaben. Sie mussten sich alles selbst erarbeiten. Das prägt meinen Führungsstil bis heute: lieber ausprobieren und schnell lernen, statt auf das perfekte Setup zu warten.

Seit März 2025 sind Sie zusätzlich zur Leitung des Presswerks in Rüsselsheim auch Werksleiterin in Kaiserslautern – welche Herausforderungen bringt diese Doppelrolle mit sich?

Es ist eine große Herausforderung, zwei so unterschiedliche Standorte zu führen. Kaiserslautern ist sehr unabhängig aufgestellt. Entscheidungen werden lokal getroffen, das Team arbeitet relativ autonom. Das Presswerk in Rüsselsheim war dagegen lange eng an das Fahrzeugwerk angebunden. Aktuell entwickelt es sich zu einer selbständigen und profitablen Business Unit mit verschiedensten Kunden im Konzern. Passend dazu möchte ich jetzt Schritt für Schritt auch das Mindset verändern. Ich werde in Kaiserslautern sein, aber auch das Presswerk in Rüsselsheim leiten. Unterstützt werde ich dabei von einem Unit Manager, der in Rüsselsheim meine rechte Hand ist.

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Priorität ist es, die gute Qualität und Wettbewerbsfähigkeit zu sichern, trotz hoher Lohn- und Energiekosten in Deutschland.

Bilyana Stern

Was sind Ihre Prioritäten für das Werk Kaiserslautern? Gibt es besondere Projekte oder Schwerpunkte, die Sie vorantreiben möchten?

Kaiserslautern ist das größte Teilezulieferwerk von Stellantis in Europa. Wir beliefern mehr als 20 Länder mit über 500 verschiedenen Teilen – eine zentrale Rolle im Konzern. Allein für die Fertigung des neuen Opel Grandland liefern wir über 18.000 Pressteile jede Woche nach Eisenach. Priorität ist es, die gute Qualität und Wettbewerbsfähigkeit zu sichern, trotz hoher Lohn- und Energiekosten in Deutschland. Denn „made in Germany“ ist uns wichtig. Ein großes Ziel ist es, Synergien zu schaffen – etwa durch zentrale Funktionen für die deutschen Werke. Beispielsweise wollen wir die Logistik- und Qualitätsprozesse für Rüsselsheim und Kaiserslautern zusammenlegen.

 

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Bei Amazon habe ich gelernt, Entscheidungen auch auf Basis unvollständiger Informationen zu treffen.

Bilyana Stern

Die Automobilproduktion steht vor großen Veränderungen – wie stellen Sie das Werk Kaiserslautern für die Zukunft auf?

Wir setzen auf Agilität, Effizienz und Eigenverantwortung. Ein Beispiel aus meiner Zeit im Karosseriewerk in Rüsselsheim: Wir hatten 104 Schweißzangen, die mit 12 bar betrieben wurden – ein enormer Energieverbrauch. Ich habe das Team herausgefordert, dass wir einen Booster einsetzen, um 12-bar-Leitungen auf 6 bar umzustellen – das spart sehr viel Energie, da sie gezielt eingesetzt wird. Viele sagten anfangs: „Das funktioniert nie.“ Doch nach nur vier Monaten hatten wir das Projekt erfolgreich umgesetzt – mit einer enormen Kostenersparnis pro Jahr. Solche Projekte zeigen, dass Veränderung möglich ist – wenn man bereit ist, alte Denkweisen zu hinterfragen. Und mit dem Motto „Challenge the Status Quo“ wollen wir nun auch gemeinsam in Kaiserslautern Ideen umsetzen.

Wie erleben Sie die Transformation der Automobilindustrie aus Produktionssicht – und welche Trends halten Sie für besonders entscheidend?

Wir sehen einen riesigen Wandel – vor allem durch die Elektromobilität, Digitalisierung und schnellere Produktzyklen. Früher hatten wir Jahre Zeit von der Planung bis zur Serienreife. Heute erwarten Kunden die Wahl verschiedener Antriebe, die wir dank unserer Multi-Energy-Plattform geben können, aber auch ständig Updates und mehr Designanpassungen. Das alles erfordert Agilität in der Produktion. Bei Amazon habe ich gelernt, Entscheidungen auch auf Basis unvollständiger Informationen zu treffen. Dieses Mindset brauchen wir auch in der Automobilindustrie. Warten wir zu lange, sind wir nicht mehr wettbewerbsfähig.

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Ich erwarte, dass man mir sagt, wenn etwas nicht funktioniert – aber dann will ich auch einen konkreten Gegenvorschlag hören.

Bilyana Stern

Was macht für Sie eine gute Führungskraft aus, und wie gestalten Sie Ihren eigenen Führungsstil?

Für mich geht es darum, den Menschen in den Mittelpunkt zu stellen. Ich arbeite sehr nah an meinen Teams, auf Augenhöhe. Ich fordere viel, aber ich fördere auch viel. Mein Stil ist sehr hands-on: Ich bin präsent, greife Themen direkt auf und möchte die Menschen gleichzeitig motivieren eigenverantwortlich mutige Entscheidungen zu treffen, die das Unternehmen voranbringen. Führung bedeutet für mich ganz besonders, andere wachsen zu lassen – sie zu inspirieren und mit auf die Reise zu nehmen. Ich erwarte, dass man mir sagt, wenn etwas nicht funktioniert – aber dann will ich auch einen konkreten Gegenvorschlag hören.

Als Frau sind Sie in einem sehr exklusiven Kreis der Werkleiterinnen. Was bedeutet diese Beförderung für Sie?

Für mich ist das ein großer Schritt, aber auch eine Bestätigung. Ich habe eine achtjährige Tochter – die Vereinbarkeit von Familie und Karriere ist immer ein Balanceakt. Anfangs waren manche überrascht: „So jung – und dann noch eine Frau?“ Aber sobald es um Inhalte geht, zählt nur die Leistung. Ich habe nie typische Frauenrollen gehabt, war immer im Produktionsumfeld. Ich arbeite gern mit Männern – das funktioniert gut, solange gegenseitiger Respekt da ist.

Warum gibt es aus Ihrer Sicht so wenige Frauen in Führungsrollen im Werksumfeld?

Weil es schwer ist, beides zu vereinbaren: Familie und Werk. Die Produktion schläft nicht – das ist ein 24/7-Job. Viele Frauen schrecken davor zurück. Dazu kommt oft das Gefühl: „Ich muss perfekt sein, bevor ich mich bewerbe.“ Aber das ist Quatsch. Wir brauchen mehr Mut.

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Ich liebe es, wenn es komplex wird.

Bilyana Stern

Sie haben in verschiedenen Produktionsumfeldern gearbeitet – welche Unterschiede gibt es zwischen der Automobilindustrie und anderen Industrien?

Die Grundprinzipien sind überall gleich: Effizienz, Qualität, Motivation der Mitarbeitenden. Aber in der Automobilindustrie ist der Takt extrem hoch, der Kostendruck enorm. Gleichzeitig ist der Gestaltungsspielraum oft kleiner – gerade in traditionellen Strukturen.

Was reizt Sie persönlich an der Automobilproduktion und der Leitung eines Werks?

Ich liebe es, wenn es komplex wird – und wenn ich Dinge verbessern kann. Ich bin technikbegeistert, ich arbeite gern mit Menschen, ich liebe es, wenn etwas ins Rollen kommt. Werkleitung ist die perfekte Kombination aus Strategie, Technik und Führung. Ich sehe sofort, was mein Handeln bewirkt – und das motiviert mich jeden Tag.

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