In München soll ab 2026 die Neue Klasse als Limousine vom Band rollen.

In München soll ab 2026 die Neue Klasse als Limousine vom Band rollen. (Bild: BMW / Collage)

Wie muss die Produktkommunikation von BMW wohl Anfang der 1960er Jahre ausgesehen haben? Denn schon einmal, nämlich ab dem Jahr 1962, definierte BMWs Neue Klasse eine völlig neue Mittelklasse. An diese Tradition wollen die Münchner ab Ende 2025 anknüpfen – und das soll bitteschön jeder mitbekommen. Der Höhepunkt des Ankündigungsfeuerwerks dürfte auf der diesjährigen IAA im September erreicht werden. Beim Heimspiel in der bayrischen Landeshauptstadt will BMW das finale erste Modell endlich enthüllen.

Die jüngsten Einblicke gewährte der OEM Ende Februar auf der Großbaustelle im Stammwerk. Neben der laufenden Produktion der klassischen 3er und i4-Automobile in all ihren Antriebsvarianten (ICE, PHEV und BEV) lautet das Motto der Münchner Bauherren, getreu dem Peter Fox Song aus dem Jahr 2008 „Alles neu“: Für den Einzug der neuen Neuen Klasse entstehen hier ein komplett neuer Karosseriebau wie auch eine neue Montagehalle, die aufgrund der Logistik aus bis zu 25 Meter langen Betonfertigbauteilen besteht. Der Grund hierfür: Die Fertigbauteile sparen Platz, Beton wird lediglich für die Arbeiten an den Fundamenten frisch vor Ort gemischt.

Flexibilität trägt zur Auslastung der Werke bei

Für das Werk bedeuten die Bauarbeiten während der laufen Fahrzeugproduktion eine immense logistische Herausforderung. Dies allein schon aufgrund des beständigen An- und Abfahrtsverkehrs. Die Logistikexperten sprechen von täglich 750 Lkw für die rein aktuell laufende Fahrzeugproduktion, 400 Lkw kommen pro Tag für die Bauarbeiten noch on top hinzu – eine Meisterleistung im Handling, wie man bei BMW stolz betont. Genaugenommen entstehen am Standort drei neue Produktionshallen – für den Karosseriebau, die Montage und die dazugehörige Produktionslogistik.

Bei BMW hat man schon vor Jahren darauf gesetzt, alle Antriebsarten in seinen Fahrzeugen in den jeweiligen Werken gemeinsam zu beherrschen. Diese sogenannte Abtauschflexibilität bietet dem OEM gerade in den je nach Markt holperigen Zeiten eine große Sicherheit. Wie kaum ein anderer Hersteller müssen sich die Bayern nicht mit Fahrzeughalden befassen und können gerade mit Blick auf die Marktnachfrage nach Elektrofahrzeugen flexibel reagieren.

So ist man im gesamten Produktionsnetzwerk von BMW in der Lage, unterschiedliche Modellvarianten wie auch Antriebsarten auf einem Band zu fertigen. Den Hochlauf der E-Mobilität beschreibt Produktionsvorstand Milan Nedeljkovic als nicht linear, er verlaufe mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten. Daher setze man auf sogenannte Flex-Werke die beides beherrschen, Verbrenner und E-Antriebe. Der Vorstand betont: „Damit stellen wir sicher, dass wir bei unterschiedlichen Marktsituationen lieferfähig und unsere Standorte ausgelastet sind.“

Neue Klasse kommt auch aus Mexiko und den USA

Bei BMW glaubt man an den Verbrenner, aber genauso an den E-Antrieb und geht von einer deutlichen Steigerung der Marktanteile insbesondere bei vollelektrischen Automobilen aus. Daher investiert man mit dem Blick auf die Elektro-Kapazitäten nicht nur in Greenfield-Werke wie dem ungarischen Debrecen und die deutsche Brownfield-Zentrale in München. Auch das US-amerikanische Spartanburg soll ab Ende 2026 elektrische Fahrzeuge produzieren, San Luis Potosi in Mexiko will man überdies zu einem weiteren Standort für die Neue Klasse erweitern.

Beim OEM geht man davon aus, dass zum Ende des Jahrzehnts zwischen Verbrenner und E-Antrieben Gleichstand herrschen wird. Auf dem Weg dorthin gebe München ein Beispiel, wie man sich vom Verbrenner zum Flex-Werk und schließlich zum Werk für E-Fahrzeuge entwickle, erklärt Werkleiter Weber die hauseigene Strategie. Vorstand Nedeljkovic weist auf die derzeit allein 15 Elektro-Derivate hin, die man im Portfolio hat. Diese sicherten im Übrigen auch das Einhalten der CO2-Regulatorien in diesem Jahr. Dennoch, so der Vorstand, sehe man den politisch vorgegebenen Ausstieg aus dem Verbrenner für 2035 skeptisch. Ein Hebel für Elektromobilität könne nur über Kunden gelingen, die von der Technologie überzeugt sind.

Neue Klasse soll die Fertigungskosten um zehn Prozent senken

BMW jedenfalls scheint seine E-Hausaufgaben gemacht zu haben: Der Anteil der E-Derivate in der Flotte des OEM liegt aktuell bereits bei 17 Prozent. Der Umstieg auf die Neue Klasse bietet auch mit Blick auf die Kosten in der Fertigung Vorteile. Dafür zoomen Vorstand Nedeljkovic und Werkleiter Weber hinein in die Produktionsabläufe, die künftig freilich digitaler und automatisierter ablaufen werden. Die beiden Experten sprechen von gezielter Automation und Komplexitätsreduktion. Beides dürfe nicht um jeden Preis erfolgen. Insbesondere gelte es sie zu beherrschen, so Weber. Innovation müsse Mittel zum Zweck sein, wie etwa der Einsatz von KI in der Messtechnik, die zu schnelleren Regelkreisen führen. Milan Nedeljkovic weist auf gestraffte Fügeprozesse – überwiegend das Punktschweißen und weniger exotische Verfahren – hin, auf weniger Über-Kopf-Arbeit, Qualitätsprozesse mithilfe von Kameras und KI wie auch einen geringeren Lackverbrauch. All dies trage in Addition zu Einsparungen bei den Fertigungskosten bei, die dem Vorstand zufolge bei etwa zehn Prozent liegen.  

Mit der Zunahme der Elektromobilität und damit den entsprechenden Produkten im eigenen Hause wachse indes freilich der Bedarf nach neuen Kompetenzen der Mitarbeitenden. Durch den flexiblen Hochlauf der E-Mobilität in den Werken bereite man sie Zug um Zug auf neue Arbeitsinhalte vor, heißt es bei BMW. „Trotz technischer und struktureller Innovationen steht der Mensch bei uns im Mittelpunkt. Wir sind stolz auf das Know-how, die Erfahrung und den Verbesserungswillen unserer Mitarbeitenden“, sagt Peter Weber. Zum Portfolio des OEM zählen umfangreichen Weiterbildungsmaßnahmen. Allein im letzten Jahr habe man fast 25.000 Trainings-Teilnahmen im Bereich E-Mobilität gezählt. Alle diese Bausteine sollen dazu beitragen, dass das Werk München einen weiteren Wandel in seiner bewegten Geschichte besteht und kräftig zum Fahrzeugabsatz des OEM beiträgt.

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