BMW Batteriezellenfertigung Wickeln der Jelly Roll

Das Wickeln der sogenannten Jelly Rolls - BMW-Mitarbeiter mit Anodencoil in BMWs Kompetenzzentrum für Batteriezellfertigung in Parsdorf. (Bild: BMW)

ChargeTec: Ladetechnologie & Infrastruktur für E-Fahrzeuge

Chargetec München 27. & 28.05 Munich

Am 27. und 28. Mai kehrt die Chargetec-Konferenz in ihrer 5. Ausgabe zurück und vereint in München Branchenführer, Innovatoren und Entscheidungsträger, um die neuesten Entwicklungen und Chancen im Bereich Ladeinfrastruktur und -technologie für Elektrofahrzeuge (EVs) zu beleuchten. Ob strategische Forschung, Produktentwicklung oder unternehmensspezifische Ladelösungen – die ChargeTec bietet exklusive Einblicke und Networking-Möglichkeiten, maßgeschneidert für Branchenprofis.

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Reichweite, Fahrleistung und Ladezeit: Das sind die zentralen Eigenschaften eines Elektroautos – verantwortlich dafür ist die Batteriezelle. Ein fachlich tiefes Verständnis rund um die Batteriezellproduktion zu haben, ist ein entscheidender Erfolgsfaktor in der Elektromobilität. Denn der Hochvoltspeicher allein macht rund 40 Prozent der Fahrzeugkosten aus und bietet daher einen enormen Hebel zur Kostenreduzierung. Und die Batteriezelle wiederum ist mit 80 Prozent die kostenintensivste Komponente und das Herzstück des Speichers. „Im Wettbewerb wird neben Qualität und Reichweite der Kostenfaktor entscheidend sein, der sich für die Batteriezelle aus 80 Prozent Materialkosten und 20 Prozent Prozesskosten zusammensetzt", betont Bernd Wächtershäuser, Planungs- und Betriebsleiter in Parsdorf.

Mit der Investition in ein Cell Manufacturing Competence Center (CMCC) in Parsdorf bei München setzte der bayerische Premiumhersteller zum technologischen Weitsprung an und zielte darauf ab, die Entwicklungsgeschwindigkeit am Standort Deutschland voranzutreiben. 200 Patente meldete der Münchner Autobauer rund um die neue Batterietechnologie bereits an und ist damit im Branchenvergleich im Spitzenbereich. „Die eine beste Zelle gibt es dabei gar nicht, da es auf eine Ausgewogenheit zwischen Schnellladefähigkeit, Sicherheit, Reichweite und Energiefluss ankommt", kommentiert Wächtershäuser. Je nach Fahrzeug müsse die Zelle andere Attribute mitbringen, um am Ende des Tages ein individuellen Gesamtpaket zu ermöglichen.

Bereits 2008 hatte sich die BMW Group auf den Weg gemacht, Batteriezellen zu erforschen und gründete 2017 eigens das Kompetenzzentrum BCCC in der Lemgostraße München. Im Gegensatz zum Standort in München beschäftigt man sich dort hauptsächlich mit Prototypen sowie dessen Rezeptentwicklung und Post Mortem Analyse. Gemeinsam mit über 300 Kontakten – darunter unter anderem Institute, Akademien und Startups – arbeitet das BCCC an rund Einzelprojekten im Rahmen der Produktinnovation. Vom Materialeinkauf über die Vorprodukte, die verschiedensten Zellentypen und -formate bis hin zum Test unter Extrembedingungen. Hier bündelt der bayerische Autobauer seine Experten aus Einkauf, Entwicklung und Produktion. Gemeinsam schufen sie die Grundlage für eine industrielle Anwendung, wie sie jetzt an der Pilotlinie im CMCC nachvollziehbar ist.

BMW Kompetenzzentrum BCCC in der Lemgostraße München
In das Areal des BCCC, auf dem Mitarbeiter unter anderem aus den Bereichen Chemie, Physik wie auch dem Maschinenbau beschäftigt sind, investierte BMW insgesamt rund 200 Millionen Euro. (Bild: BMW)

BMW errichtet fünf neue Standorte für die Batteriemontage

Rund 80 Beschäftigte in Parsdorf übernehmen unterdessen den Bereich der Prozessinnovation zur Verbesserung der Wertschöpfungsprozesse. Gemeinsam mit ihren Zulieferern führt die BMW Group die Batteriezelle hier zur Serienreife, um sie schließlich auch von ihnen produzieren zu lassen. Die Philosophie dahinter: „Es kommt nicht darauf an, dass BMW eine eigene Zellproduktion aufbaut. Dazu gibt es bereits einige etablierte Batteriehersteller, die über eine entsprechende globale Infrastruktur verfügen“, betont BMW-Produktionsvorstand Milan Nedeljkovic. „Für uns ist es sehr wichtig zu wissen, was genau wir von unseren Lieferanten wollen.“

Dazu geht der Blick auch schon in Richtung Zukunft: Neben den aktuellen Lithium-Ionen-Batterien entwickelt BMW mit seinen Partnern bereits an Feststoffbatterien (All-Solid-State-Batteries, ASSB), die als zukünftige Meilensteine in der Batterietechnologie gelten. Zudem plant der OEM die Implementierung der Batteriemontage der sechsten Generation an fünf weiteren Standorten: Woodruff, San Luis Potosí, Irlbach-Straßkirchen, Debrecen und Shenyang.  Dieser Ansatz soll die Produktion auch bei unvorhergesehenen politischen und wirtschaftlichen Ereignissen absichern.

KI-Lösungen zur Unterstützung der Batteriezellfertigung

Im Rahmen einer Forschungskooperation mit dem Exzellenzzentrum für Robotertechnologie der Universität Zagreb erforscht das BCCC aktuell die Fertigung von Batteriezellen mithilfe von Künstlicher Intelligenz. Dafür sammeln und strukturieren Doktoranden und Studierende vorhandene Produktionsdaten. Anhand dieser Daten werden KI-Modelle erstellt, die bestimmte Muster in den Daten erkennen und so Vorhersagen treffen sollen, wie die Produktion bezüglich Leistung, Qualität und Kosten weiter optimiert werden kann. Die Universität Zagreb bringt ihre Expertise in den Bereichen Maschinenbau, Elektrotechnik und Informatik in dieses Projekt ein.

„Als Universität bieten wir der BMW Group Zugang zu neuesten Forschungsergebnissen und innovativen Ideen, während unsere Studierenden von der Möglichkeit profitieren, ihr theoretisches Wissen in der Praxis anzuwenden“, erklärt Zdenko Tonković, Dekan der Fakultät für Maschinen- und Schiffsbau an der Universität Zagreb. Ein weiterer wichtiger Aspekt dieser Kooperation sei die Förderung von Nachwuchstalenten. „Durch das gemeinsame Projekt begeistern wir die Studierenden für die BMW Group und die innovative Arbeit in unseren Batteriezell-Kompetenzzentren“, kommentiert Moritz Poremba, Leiter der Technologieentwicklung Batteriezellenrecycling bei BMW. „Natürlich erhoffen wir uns dabei auch, junge Talente für unser Unternehmen zu gewinnen.“

Die 6 Schritte der Batteriezellproduktion

  1. Dosieren & Mischen
  2. Beschichten & Trocknen
  3. Kalandrieren & Schneiden
  4. Wickeln & Assemblierung
  5. Elektrolytbefüllung & Formierung
  6. Alterung

Wie entstehen Batteriezellen bei BMW?

Im 15.000 Quadratmeter großen CMCC beginnt die Zellfertigung mit der Produktion der Elektroden. Hier wird das Grundmaterial, bestehend aus Graphit für die Anode und Nickeloxiden für die Kathode, mit Bindern und Lösemitteln in einem exakt bemessenen Verhältnis zueinander dosiert und gemischt. Dabei ist äußerste Vorsicht geboten, denn das Material mit dem man im Batteriekompetenzzentrum arbeitet ist laut Planungs- und Betriebsleiter „nicht ganz ungefährlich" – einige Stoffe seien gar krebserregend, weshalb ein ausgeklügeltes Arbeitssicherheitskonzept unverzichtbar ist.

Das erzeugte Gemisch namens Slurry wird auf Metallfolien mit einer Dicke von 6 µ aufgetragen, wobei besonderes Augenmerk auf gleichmäßigem Flächengewicht liegt, um die Funktionalität der Batterie am Ende der Produktion gewährleisten zu können. Im Anschluss erfolgen Trocknung und Verdichtung durch mehrere Walzen, die mit einem Gewicht von bis zu 500 Tonnen pro Quadratzentimeter arbeiten. Dieser Prozess, der für die Energiedichte und eine homogene Beschichtung verantwortlich ist, heißt in der Fachsprache Kalandrieren und beeindruckt durch eine Presskraft vom Gewicht eines Airbus A380.

Aus den beschichteten Folien entstehen gewickelte, sogenannte Jelly Rolls, die sich in einem Zellgehäuse positionieren. Mit Elektrolyt befüllt, werden diese nun erstmals geladen und abschließend auf ihre Funktion und Qualität geprüft. Was so simpel klingt, ist in der Praxis durchaus herausfordernd: Mit über 3.000 Ursache-Wirkzusammenhängen ist kaum ein Bauteil komplexer als die Batteriezelle.

Flacher, schneller, weiter: Die Hochvoltbatterien für die Gen6

Mit der sechsten Generation seiner vollelektrischen Antriebstechnologie, kurz Gen6, will der Automobilhersteller einen grundlegenden Technologiesprung realisieren. Das neue System soll ab 2025 erstmals in den Fahrzeugen der Neuen Klasse zum Einsatz kommen und perspektivisch das gesamte elektrische Produktportfolio des Unternehmens einschließlich kommender M-Modelle antreiben. Zentrale technische Weiterentwicklungen beträfen vor allem Ladegeschwindigkeit, Reichweite und Systemintegration.

So sei durch die Einführung einer 800-Volt-Systemarchitektur eine um bis zu 30 Prozent schnellere Ladezeit sowie eine bis zu 30 Prozent größere Reichweite im Vergleich zur vorherigen Generation möglich – abhängig vom Modell auch mehr. Die dafür neu entwickelte Rundzelle verfüge über eine 20 Prozent höhere Energiedichte als die bisherigen prismatischen Zellen. Im sogenannten Cell-to-Pack-Verfahren wird sie direkt in das Batteriegehäuse integriert, was Gewicht und Bauraum spare und die strukturelle Nutzung der Batterie begünstige. Die Hochvoltbatterie sei darüber hinaus so konzipiert, dass sie als tragendes Element in die Fahrzeugstruktur eingebunden wird („Pack-to-open-Body“). Das flachere Design ermögliche eine flexible Integration über unterschiedliche Fahrzeugsegmente hinweg – unabhängig von der Bauform.

Eine zentrale Rolle im neuen Energiesystem übernehme der sogenannte BMW Energy Master. Diese elektronische Steuereinheit auf dem Batteriemodul verantworte die Verteilung zwischen Hoch- und Niedervoltnetz, reguliere die Versorgung der E-Maschine und solle für Sicherheit und Effizienz im Betrieb sorgen. Die gesamte Hard- und Software ist laut BMW intern entwickelt worden, was künftige Remote-Software-Updates unabhängig und in Echtzeit ermöglichen soll.

Batteriekompetenzzentrum erforscht nachhaltigere Prozesse

Das CMCC Parsdorf verfügt über hohe ökologische Standards: Es wird fossilfrei über regenerativ erzeugten Strom betrieben, unter anderem mithilfe von Photovoltaik-Anlagen auf dem Dach des Gebäudes. Auch die Wärme wird regenerativ erzeugt: mit Grundwasser- und Luftwärmepumpen. Zudem werde in der Lieferkette darauf geachtet, dass der CO2-Footprint und der Verbrauch an Ressourcen für die Herstellung so niedrig wie möglich sind. Für die Serienproduktion der Batteriezellen liefern die Zellersteller bereits heute Batteriezellen mit Anteilen von Sekundärrohstoffen wie Nickel, die aus verschiedenen Altbatterie-Quellen, unter anderem Produktionsabfällen, stammen. Langfristig strebt BMW den umfassenden Wiedereinsatz der verwendeten Rohstoffe in kreislauffähigen Hochvoltbatterien an.

Unterstrichen wurden die nachhaltigen Standards des Batteriezentrums im November 2024: Parsdorf erhielt die europäische Umweltzertifizierung EMAS (Eco-Management and Audit Scheme). EMAS gelte als eines der weltweit anspruchsvollsten Umweltmanagementsysteme und basiert auf der Norm ISO 14001. Es zielt auf eine kontinuierliche Verbesserung der Umweltleistung ab – etwa durch höhere Energieeffizienz, reduzierte Emissionen und Abfallvermeidung. Bewertet werden nicht nur direkte Umweltaspekte, sondern auch indirekte Faktoren wie Produktverantwortung, Beschaffung, Lieferketten oder das Verhalten von Auftragnehmern.

Zusammen mit den Verpflichtungen ihrer Zelllieferanten, für die Produktion ausschließlich Grünstrom aus erneuerbaren Energien zu verwenden, will die BMW Group den CO2-Footprint in der Batteriezellproduktion um bis zu 60 Prozent gegenüber der aktuellen Generation von Batteriezellen reduzieren. Derzeit forscht das CMCC zudem im Bereich der Trockenbeschichtung: Durch die Umstellung von Feucht- auf Trockenbeschichtung könnte man sich den Einsatz sowie das Recycling  von Lösungsmittel sparen und sich von der 25 Meter langen Trockenstraße trennen.

Neues Kompetenzzentrum für Direktrecycling

Parallel zur Arbeit im CMCC verfolgt BMW einen weiteren Baustein ihrer Kreislaufwirtschaftsstrategie: In Salching (Niederbayern) errichtet das Unternehmen über sein Joint-Venture Encory derzeit ein neues Kompetenzzentrum für Direktrecycling von Batteriezellen (Cell Recycling Competence Center; CRCC). Hier werden Rohstoffe wie Nickel, Kobalt und Lithium direkt aus gebrauchten oder fehlerhaften Zellen ohne Umweg über chemische Trennverfahren extrahiert und dem Produktionskreislauf erneut zugeführt. Damit sollen sich Materialverluste minimieren lassen und die Umweltbilanz in der Zellfertigung weiter verbessern – ein wichtiger Beitrag zur Ressourcenschonung und CO2-Reduktion.

Auf diesem Wege bündelt BMW sein Know-how zur Batteriezellfertigung in drei aufeinander abgestimmten Kompetenzzentren: Im BCCC in München werden Zellen entwickelt, im CMCC Parsdorf zur Serienreife gebracht und künftig im neuen Recyclingzentrum (CRCC) wieder in den Kreislauf zurückgeführt. So sollen kurze Wege und geschlossene Materialkreisläufe entstehen.

Dieser Artikel erschien ursprünglich am 14. November 2023 und wird seitdem fortlaufend aktualisiert.

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