Mit den leichten Nutzfahrzeugen lässt sich richtig Geld verdienen. Mercedes hat sich mit seinem Vorzeigemodell Sprinter und den kleinen Brüdern V-Klasse und Vito nicht allein in Europa ein nennenswertes Stück vom umkämpften Kuchen abgeschnitten. Doch die jüngste Überarbeitung der aktuellen Modelle ist nicht mehr als eine lauschige Überbrückungsmusik, denn an sich blickt intern alles nur auf die neue Fahrzeugplattform namens Van.Ea – kompromisslos auf Kosten, Technik und Skalierung getrimmt.
Die Modelle unterschiedlichster Aufbauten und Einsatzmöglichkeiten sollen rein elektrisch nahezu das komplette Programm abdecken – vom günstigen Transporter in weiß uni für Kurierdienst bis zum belederten Edelvan mit Loungeausstattung, der endlich auch die asiatische Konkurrenz mit Modellen wie Denza D9, Toyota Alphard oder Voyah Dreamer angreifen und damit insbesondere in China punkten kann. Bestenfalls wagen die Schwaben den kompletten Sprung ins mittlerweile lauwarme Wasser, denn Umbaufirmen bietet bereits die jetzige Mercedes V-Klasse als Maybach-Version an.
Die Zukunft der Mercedes-Vans ist elektrisch
Es geht weniger um das Auto an sich oder mit welchem Titel es für welchen Kundenkreis hinterher durch Europa, die USA oder China surrt – die Plattform gibt den Ton an. Und das ist Elektro-Pop, denn die kommende Mercedes V-Klasse wird ebenso rein elektrisch wie der kommende Sprinter. Auf den alten Plattformen sollen die aktuellen Generationen noch einige Zeit im Markt bleiben, doch Mercedes-Van-Chef Mathias Geisen macht keinen Hehl daraus, dass die Zukunft seiner Modelle elektrisch sein wird. Mit Technologieträgern wie dem Sustaineer gab es bereits seriennahe Ausblicke auf den kommenden Sprinter, doch gerade die V-Klasse wird noch zwei Schritte weiter springen. Die aktuelle Modellgeneration war für die Stuttgarter ein großer Wurf, doch der Dauererfolg von VW T6 / T6.1 schmerzte, ehe der neue T7 Hoffnung macht, die Plattformschwäche der Hannoveraner mit dem modularen Elektrobaukasten ausnutzen zu können.
Anders aus Volkswagen Nutzfahrzeuge, die sich Ford und damit den Transit als Kooperationspartner ins Haus geholt haben, geht Mercedes selbst in die Vollen. Allen Rufen aus dem gewerblichen Lager zum Trotz, Verbrenner- wie insbesondere Dieseltechnik nicht zu verbannen, wurde mit großem Aufwand die Elektroplattform namens Van.Ea entwickelt. Auf ihr werden die kleinen Modelle wie die V-Klasse ebenso unterwegs sein wie die großen Sprinter – auf Wunsch mit langem Radstand und Hochdach perfekt für Handwerker oder Kurierdienste.
Die V-Klasse hat Raum für Optimierungen
Die aktuelle Generation der V-Klasse ist gut und erfolgreich – doch mit Elektroantrieb eine schlappe Nummer. Allein mit Frontantrieb zu bekommen, bietet der EQV 300 gerade einmal 150 kW / 204 PS, 140 km/h Spitze, müdes Ladetempo und eine reale Reichweite von weit unter 300 Kilometern. Zudem fehlt jenes Luxusniveau, so dass er auch in China so erfolgreich sein könnte, wie man es gerne hätte. Umbaufirmen geben der V-Klasse ein neues Gesicht, viel Chrom sowie eine edlere Innenausstattung und verkaufen ihn als Maybach – ein Geschäft, das Mercedes nur allzu gerne selbst machen würde und nach einem Blick hinter die Kulissen auch machen wird.
Die Schwächen des aktuellen Elektromodells wischt das Nachfolgemodell mit einem Handstreich fort. Dafür, dass das Ganze technisch ein Erfolg wird, sorgt Entwicklungsleiter Andreas Zygan, der vorher Luxusmodellen wie der S-Klasse oder einem GL/ GLS Inhalt und Tiefe gegeben hat. 2026 soll die neue V-Klasse auf den Markt rollen und die neue Elektroplattform schrittweise einführen. Etwas später folgt die Nutzfahrzeugversion, zu der es ergänzend bis auf Weiteres auch den bisherigen Sprinter mit Verbrennerantrieb auf alter Plattform geben soll. Dieser wurde erst jüngst aufgefrischt und soll auch weiterhin eine nennenswerte Rolle im Portfolio der Van-Sparte spielen.
Anhand des diesjährigen Mobility Services Report erläutert Stefan Bratzel am 06.11. auf dem Mobility Circle in München die wichtigsten Entwicklungen der Mobilität.
„Elektrisch, autonom, multimodal, kooperativ“ sind die zentralen Stichworte für technologische und soziale Innovationen zur Gewährleistung einer nachhaltigen Mobilität in sektorübergreifenden Ökosystemen. Mike Reichelt (BMW), Roland Villinger (Škoda) und Christian Dahlheim (VW Financial Services) u. v. m. führen die spannenden Diskussionen der vergangenen Jahre weiter.
Mercedes testet E-Vans unter Extrembedingungen
Aktuell laufen die Erprobungen der neuen Elektromodelle auf vollen Touren und neben den Tests in Laboren und auf Rundstrecken ging es nunmehr auf eine erste Härtetour in den Norden Norwegens ans Nordkap. Mehr als 3.300 Kilometer, auf denen die grün-weiß beklebten Prototypen zeigen mussten, was sie können. Die Probanden im Blechkleid der bisherigen V-Klasse fallen in erster Linie durch die wilde Beklebung und die stark ausgestellten Kotflügel auf, die sie wie eine Tuningversion erscheinen lassen. Der Grund für die rustikalen Bastelarbeiten an den Prototypen ist jedoch die neue Elektroplattform, die deutlich mehr Spurweite als die aktuelle V-Klasse bietet und auch das mächtige Akkupaket im Unterboden braucht seinen Raum zur Energiespeicherung.
Die Basistechnik ist die gleiche, doch Designer Kai Sieber und sein Kreativteam haben dafür gesorgt, dass sich die einzelnen Modelle für Großfamilie, Luxushotel, Kurierdienst oder Handwerker maximal unterscheiden. Besonders stolz sind Andreas Zygan, Kai Sieber und Mathias Geisen auf die neuen Edelversionen mit exklusiven Captain-Chairs, Loungegefühl, Holzboden, Großdisplays und mehr – doch sie wissen auch, dass gerade die echten Nutzfahrzeugkunden für jene Volumina sorgen, die die Modelle von der V-Klasse bis zum Hochdach-Sprinter so erfolgreich gemacht haben. Daher sollen nicht nur die Geschäftsleute in den klimatisierten Liegesesseln im Fond die Langstreckenkilometer genießen, sondern auch Fuhrparkleiter jubeln, wenn es um die Kostenquoten geht. Wer ins Flottenportfolio kommt, entscheiden allein die TCO – Total Cost of Ownership.
Der Diesel ist schwer zu schlagen
Hier sind die Dieselantriebe für viele Nutzerprofile aktuell kaum zu schlagen. Doch große Akkus und ein hohes Ladetempo sollen dafür sorgen, dass Handwerksbetriebe und Luxushotels gleichermaßen auf den Stecker umsteigen. Das ermöglicht ein 800-Volt-Bordnetz, das Mercedes ab Ende des Jahres bei allen seiner neu entwickelten Elektromodelle – beginnend mit dem kommenden CLA – anbieten will. Heißt, die bestenfalls über 100 kWh großen Batteriepakete laden ab 2026 auch bei den Vans in einer sternenwürdigen Geschwindigkeit wohl deutlich über 250 kW. So sollen trotz großer Aufbauten und Leergewichten von über drei Tonnen Entfernungen von über 500 Kilometer möglich sein, ehe es wieder an die Ladesäule geht. Und das klappte der Tour ans Nordende Europas schon einmal ganz gut.