
80 Prozent nachhaltige Materialien, 40 Prozent Gewichtseinsparung und Nutzung von Sonnenenergie: Webasto Roof-Concept EcoPeak in der Außenansicht. (Bild: Webasto)
Der ursprünglich für Standheizungen und Dachsysteme bekannte Zulieferer aus dem Münchener Süden hat sich zu einem globalen Player entwickelt, dessen Themenspektrum auch die Elektromobilität umfasst. In der entsprechenden Business Area fertigt Webasto heute auch Batteriepacks – in Korea und bald auch in Deutschland. Eines der wichtigen Standbeine ist nach wie vor das Geschäft mit Dachsystemen. Und dieses expandiert. In der Firmenzentrale in Stockdorf erhofft man sich mit 30 Dach-Produktionsstandorten daher auf dem Weltmarkt vorne mitspielen zu können.
Zum Image eines Marktführers gehört auch die Innovationsführerschaft. „Wir stellen individuelle Mobilität in den Vordergrund – dazu gehört Nachhaltigkeit und Freude am Fahren“, betont Vorstandsmitglied Jan Henning Mehlfeldt, der im Unternehmen das globale Dachgeschäft verantwortet. Mit Blick auf Innovationen zeichnen er und Maximilian Hofbeck, Director Product Management & Sustainability, für die Gegenwart und Zukunft eine Roadmap, die nichts weniger als eine Kombination aus Technologie, Nachhaltigkeit und die „Coolness“ von Produkten unter einen Hut bringen soll.
Wie hilft das Solardach beim Ressourcensparen?
Dazu wird das Top, das eine große, an die jeweilige Fahrzeuggegebenheiten angepasste Fläche von der vorderen Dachkante bis weit nach hinten über die Köpfe der Fondpassagiere überspannt, aus biobasiertem Polycarbonat gefertigt. Die Materialwahl soll eine Gewichtsreduzierung von zirka 38 Prozent im Vergleich zu Standarddächern ermöglichen. In puncto Kratzfestigkeit komme man mit den heutigen Carbonat-Rezepturen nahe an Glas heran, betonen die Webasto-Experten. Zu den zentralen Merkmalen von EcoPeak zählen zudem auf der Innenseite integrierte Rollos, deren Stoff aus recycelten PET-Flaschen gefertigt wird. Damit unterstreiche man das Engagement für die Kreislaufwirtschaft und spare wertvolle Ressourcen, heißt es. Insgesamt seien beim Dachkonzept 80 Prozent nachhaltige Materialien im Einsatz.
Ungewöhnlich, aber spannend: Für die ins Dach integrierten Solarpanels wählte man ein dreieckiges Design. Dieses Format soll dazu beitragen, im späteren Produktionsprozess den Verschnitt auf ein Minimum zu reduzieren. Für einen möglichen Serienprozess bedeute das Format der Zellen aber nur wenige Veränderungen, schildert Maximilian Hofbeck, auf Nachfrage. Auch beim Laminieren führe das drei- statt viereckige Format nur zu geringen Unterschieden. Für die ins Dach integrierten Zellen nennen die Webasto-Experten einen Peak von 238 Watt, auf ein Jahr hochgerechnet könnten die Solarzellen ein Fahrzeug demzufolge mit 347 kWh Strom versorgen. Abhängig von Fahrzeug und Wetter kann das einer Fahrleistung von etwa 2.500 Kilometern entsprechen. Durch den so produzierten Solarstrom soll sich der CO2-Fußabdruck des Dachsystems bereits nach zwei Jahren amortisieren. Wohlgemerkt fußen diese Berechnungen auf den Wetterkonditionen im sonnigen Kalifornien.
Neuartiger Materialmix soll Begehrlichkeiten wecken
Die reine Energieeinsparung stehe beim Konzept jedoch nicht (nur) im Vordergrund, betonen Mehlfeldt und Hofbeck. Man habe bei diesem Dachkonzept auch versucht, die richtige Balance zwischen Licht- und Energieeintrag zu finden. Neben der Möglichkeit für die Beleuchtung, die Klimaanlage oder das Infotainmentsystem Energie zu erzeugen, könne gerade die Optik und Haptik neue Begehrlichkeiten im Hinblick auf Fahrzeugdächer auslösen. Dazu zählen zum einen das Rollo-Konzept aus recycelten PET-Flaschen, das den CO2-Footprint gegenüber klassischen Dachsystemen um 54 Prozent mindern soll wie zudem ein Mittelsteg aus recyceltem Holz in edler Eichenoptik für den Dachhimmel. In einer ersten Phase hat man beim Zulieferer auch auf die Expertise eines italienischen Experten für Lederoptik zugegriffen, der die Tierhäute mit Hilfe von Orangenschalen imitiert. Aus diesem Kontakt könnten sich mit Blick auf das gehobene Fahrzeugsegment weitere spannende Themen ergeben, heißt es anlässlich der Präsentation. Selbst für die Dach-Details wie die Führungsschienen und die entsprechende Elektronik könne man auf Polymere statt auf Metall zurückgreifen, sagt Hofbeck.
Wie und wann das Dachkonzept in Serie kommt, verraten die Webasto-Manager noch nicht. Zunächst gehe es darum, ein Statement zu setzen. Die Chancen für ein Konzept dieser Art speziell im Bereich der Dachsysteme stehen nicht schlecht. Vorstand Mehlfeldt betonte bereits auf dem Automobil Produktion-Kongress im Mai: „Wir gehen davon aus, dass knapp 80 Prozent der Fahrzeuge in den nächsten zehn Jahren die ein oder andere Hightech-Anwendung erfahren werden.“ Das klassische Klarglas werde dabei zunehmend zum Nischenprodukt. Stattdessen stelle man das eigene Geschäft derzeit eher auf schaltbare Verglasungen, Ambient-Oberflächen bis hin zu Solardächern um.

Vorstand Mehlfeldt setzt auf Inhouse-Kompetenzen und Tempo
Den Wandel der Marktnachfrage hat man bei Webasto erkannt, schnell gehandelt und sich etwa durch die Akquisition des Glasherstellers Carlex aus Luxemburg quasi einen Platz an der Sonne der Dachhersteller gesichert. Mehlfeldt, der immer wieder die Wichtigkeit betont, Kompetenzen ins eigene Haus zu holen und aufs Tempo zu drücken, um künftig in den internationalen Märkten wettbewerbsfähig zu bleiben, spricht mit Blick auf den Einstieg in die Produktion von hochwertigen Glaslösungen von einem großen Schritt. Das Stockdorfer Unternehmen sei dadurch zu einer echten All-Roof-Company geworden. „Webasto ist der einzige Zulieferer, der jetzt die ganze Palette – vom Hightech-Glas bis zum Cabrio-Dach – anbieten kann“, betonte der Vorstand im Interview mit Automobil Produktion. Dies sei definitiv ein Alleinstellungsmerkmal.