Der unter Druck stehende Traditionskonzern Daimler will sich angesichts tiefroter Zahlen neu erfinden - und künftig noch viel stärker als bisher auf E-Mobilität setzen. Man strebe nicht weniger als „die führende Position“ bei Elektroantrieben und Fahrzeug-Software an, teilte der Stuttgarter Autobauer am Dienstag (6. Oktober) bei einer digitalen Investorenkonferenz in Stuttgart mit.
Obendrein will Daimler den Luxusfaktor bei seiner Hausmarke Mercedes-Benz wieder deutlicher ins Scheinwerferlicht rücken. Autos und Vertrieb würden „neu ausgerichtet“, um den Kunden künftig ein „überzeugendes Luxuserlebnis“ bieten zu können, hieß es. Gleichzeitig müssen aber auch die Kosten runter. Nach wie vor ist offen, wie viele der weltweit zuletzt rund 300.000 Stellen dafür gestrichen werden.
Corona erhöht den Druck
Ziel aller Anstrengungen ist es nach Daimler-Angaben, das Unternehmen „technologisch und finanziell“ zu neuer Stärke zu führen. Was im Umkehrschluss als offenes Eingeständnis interpretiert werden kann, dass die Lage und die Aussichten bisher nicht gerade rosig gewesen sind. Tatsächlich hat die Corona-Pandemie die Krise bei Daimler nochmals verschärft - und den Druck erhöht, die E-Mobilität ähnlich wie etwa VW ganz fix in den Mittelpunkt aller Überlegungen zu rücken. Die Pandemie hat den Autoabsatz dieses Jahr einbrechen lassen, die Transformation von Verbrenner- zu Elektromotoren beschleunigt - und das alte Geschäftsmodell mehr denn je infrage gestellt.
Investoren werfen Daimler vor, sich bis zuletzt viel zu sehr auf den Erfolgen der zurückliegenden Jahre ausgeruht und wichtige Weichenstellungen vor allem für den Umstieg auf die E-Mobilität verschlafen zu haben. Die derzeitige Krise sei - abgesehen von unmittelbaren Folgen der Corona-Pandemie - hausgemacht. Im zweiten Quartal hatte Daimler rund zwei Milliarden Euro Verlust eingefahren, der Pkw-Absatz 2020 liegt bisher 13,4 Prozent unter dem Vorjahr.
Elektrifizierung über alle Segmente
Nun reagiert Daimler, geht in die Offensive - und will der E-Mobilität künftig alle anderen Antriebstechniken unterordnen. Dazu sollen in nächster Zeit einige neue Elektrofahrzeuge auf den Markt kommen, kommendes Jahr beispielsweise schon die neue Luxuslimousine EQS - ein Auto auf Basis der S-Klasse. Es soll nach Daimler-Angaben eine Reichweite von mehr als 700 Kilometern haben und ebenso auf einer konzerneigenen Elektro-Plattform aufgebaut sein wie weitere E-Auto-Varianten, die folgen sollen: eine Elektro-E-Klasse (EQE) sowie zwei SUVs sowohl auf Basis der S- als auch der E-Klasse.
Zusätzlich will das Unternehmen Autos der Luxus-Nischenmarken Maybach, AMG und G in elektrifizierter Form auf den Markt werfen. Vorstandschef Ola Källenius macht der eigenen Mannschaft Druck: "Wir wollen die begehrenswertesten Fahrzeuge der Welt bauen."
Alle Kosten auf dem Prüfstand
Daimler plant umfangreiche Umwälzungen - und will im gleichen Zug Kosten einsparen, sogar in der Forschung und der Entwicklung. Bei Mercedes-Benz sollen die Ausgaben in diesen Bereichen bis 2025 um mehr als 20 Prozent im Vergleich zum Jahr 2019 sinken - trotz aller ambitionierten Ziele. Das zeigt, wie angespannt die Lage auch finanziell ist.
Noch deutlicher - und vermutlich auch schneller - will Daimler seine Fixkosten senken, etwa durch den Abbau Tausender Jobs. Bis 2025 sollen die festen Kosten um mehr als 20 Prozent im Vergleich zu 2019 runter. Standortübergreifend war zuletzt der Abbau von 10.000 bis 15.000 der weltweit rund 300.000 Jobs kolportiert worden. Medien hatten sogar von bis zu 30.000 Stellen berichtet. Nach Arbeitnehmerangaben sollen beispielsweise am Konzernstammsitz in Stuttgart-Untertürkheim in den nächsten Jahren rund 4.000 Stellen und im Berliner Werk rund 1.000 Jobs wegfallen. Daimler kommentierte die Zahlen bisher nicht.
Durch die Einsparungen will Källenius den Konzern nicht nur attraktiver für Investoren machen, sondern auch profitabler. Bei Mercedes-Benz werde bis 2025 eine Umsatzrendite „im mittleren bis hohen einstelligen Prozent-Bereich“ angepeilt - diese solle dann sogar „unter ungünstigen Bedingungen“ erreicht werden, hieß es. Wenn es gut läuft, soll die Marge in den zweistelligen Bereich und damit in alte Höhen steigen.