Parallel zu den schwachen Umsatzsteigerungen geraten die Gewinnmargen unter Druck, so eine Studie der Managementberatung Horváth mit über 90 Vorständen und Geschäftsführern führender Automotive-Unternehmen, davon 55 aus Deutschland. Die Kombination aus dem Transformationsdruck zur Elektromobilität, hohen Materialpreisen, neuen Wettbewerbern, Supply-Chain-Problemen, hohem Zinsniveau und sinkender Nachfrage bringt demnach viele Unternehmen an ihre finanziellen Grenzen, zumal es erhebliche Zukunftsinvestitionen zu finanzieren gilt.
Gerade die OEM ächzen unter dem Preisdruck und erwarten durchschnittlich nur geringe Umsatzsteigerungen: 0,2 Prozent in diesem Jahr, für das kommende Jahr 2,1 Prozent. Kostenoptimierung steht in den Unternehmen mit Abstand an erster Stelle der Managementprioritäten – und den Druck geben die OEMs an die gesamte Lieferkette weiter. Einen großen Hebel zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit sehen die Hersteller in der Digitalisierung und Automatisierung der Prozesse, ihrer zweitwichtigsten Priorität. An dritter Stelle stehen Fachkräftethemen bei den OEMs, getrieben vor allem durch veränderten Kompetenzanforderungen für die Fahrzeuggenerationen der Zukunft.
Riskante Gratwanderung bei der Verteilung der Investitionen
Gefragt nach den wichtigsten Branchentrends steht der Umstieg auf E-Mobilität bei den OEMs an erster Stelle. Allerdings werde die Übergangsphase von traditionellen Antrieben auf E-Fahrzeuge deutlich länger dauern als noch vor wenigen Jahren gedacht, so Frank Göller, Partner und Automotive-Experte bei Horváth. „Entsprechend investieren die Hersteller auch weiterhin in Verbrennerfahrzeuge, um diese wettbewerbsfähig zu halten und die Marktpotenziale weiter auszuschöpfen zu können" - laut den Studienautoren möglicherweise eine riskante Gratwanderung bei der Verteilung der Investitionen, denn die Hersteller dürfen den Anschluss an die chinesische E-Auto Konkurrenz nicht verlieren, die gerade auch im Bereich der digitalen Applikationen im Fahrzeug den Wettbewerbsdruck erhöht.
Das Software-defined Vehicle sehen die OEM entsprechend als den zweitwichtigsten Branchentrend. Auch die eng gesetzten Ziele für die Markteinführung neuer Modelle zu erreichen, wird dem Experten zufolge immer herausfordernder, da die Go-Live-Zyklen der Wettbewerber immer kürzer werden. 55 Prozent der befragten Führungskräfte arbeiten daher intensiv daran, schneller und agiler zu werden. Für weitere 30 Prozent ist es ein wichtiges Thema. In diesem Kontext werde auch Decentral Empowerment, also die stärkere Übergabe von Verantwortung und Entscheidungsbefugnis in den verschiedenen Regionen, immer wichtiger. Die Reorganisation von Unternehmensstrukturen ist als Managementpriorität im Vergleich zum Vorjahr wichtiger geworden und um drei Plätze nach oben gerutscht.
Personalaufbau bleibt an deutschen Standorten aus
Die Unternehmensverantwortlichen wurden in der Horváth-Studie auch gefragt, in welchen Regionen sie in den kommenden fünf Jahren Personalauf- und abbauen werden. Das Ergebnis: Aufgebaut wird fast überall, nur nicht in Deutschland und Süd-West-Europa. 75 Prozent wollen in Indien Kapazitäten aufbauen, 60 Prozent in China, 55 Prozent in Mittelamerika. In Afrika planen 40 Prozent personellen Aufbau, 35 Prozent in Nordamerika. Immerhin: In Osteuropa planen 60 Prozent, ihre Standorte zu verstärken. Das ist das Bild über alle befragten international agierenden Unternehmen, bei dem zu berücksichtigen ist, dass Deutschland als einziges europäisches Land einzeln abgefragt wurde.
Zumindest ein Viertel der Investitionen von Unternehmen mit Zentrale in Deutschland fließt nach wie vor hier her. „Auch wenn für die regionalen Märkte immer stärker nah am Endkunden produziert wird, was oft auch regulatorische Gründe hat, bekennen sich die Autohersteller gleichzeitig nach wie vor zum Standort Deutschland", sagt Horváth-Experte Göller. Dennoch müsse neu gedacht werden, wie sich der Standort Deutschland in einer noch globaleren Aufstellung der Unternehmen langfristig behaupten und positiv entwickeln kann.