
Nicht nur Renault-Modelle werden aufgearbeitet, aber nur Renault- und Dacia-Fahrzeuge bekommen das „Refactory-Zertifikat“. (Bild: Renault)
Eigentlich ist der französische Auto-Gigant Renault, der sich in Osteuropa auf Rumänien mit der Dacia-Produktion konzentriert, gar nicht so stark in Polen vertreten. Der Konzern, der in Europa rund 30 Werke betreibt, unterhält dort keine Fabrik. Und seine Marken gehören auf dem größten östlichen EU-Markt nicht zu den beliebtesten. Trotzdem hat Renault dort eine neue Autofabrik eröffnet – und zwar ein Werk, das sich sehr von einem gewöhnlichen Produktionsstandort unterscheidet. In der sogenannten Renew Factory, die sich rund 20 Kilometer südlich von Warschau befindet, werden seit Mitte Januar Gebrauchtwagen instandgesetzt. Das Unternehmen bietet mechanische Reparaturen und die Erneuerung der Karosserie an. Es geht darum, die Fahrzeuge energetisch nachhaltig zu erneuern und dabei einen möglichst geringen CO2-Fußabdruck zu hinterlassen. Außerdem soll der Kunde möglichst geringe Reparaturkosten haben.
Ein kleiner Teil der Dekarbonisierungsstrategie
Das Zentrum liegt auf dem Gelände einer Partnerwerkstatt mit einer Gesamtfläche von 2.200 Quadratmetern. Die Anlage verfügt auch über einen Parkplatz für 600 Fahrzeuge, die auf ihre Instandhaltung warten. In einer ersten Phase sollen 3.600 Autos pro Jahr modernisiert werden, die einen Benzin,- Hybrid-, Elektro-, oder Dieselmotor haben. 2025 ist eine Erhöhung auf 5.000 Autos pro Jahr anvisiert. Das Zentrum beschäftigt 30 Mitarbeiter.
Renault betreibt bereits drei ähnliche Einrichtungen in Europa – in Frankreich, Spanien und in der Türkei. Dort haben sie in den vergangenen drei Jahren rund 50.000 Fahrzeuge instandgesetzt. Zum Vergleich: Das Dacia-Werk im rumänischen Mioveni mit mehr als 60.000 Quadratmetern, das 6.800 Mitarbeiter zählt, verfügt über eine Kapazität von rund 350.000 Fahrzeugen. Dieses Geschäftsfeld von Renault ist somit aufgrund seiner geringen Größe nur ein Nischensegment des Herstellers, das politisch wichtig ist, aber für die Geschäfte bislang keine allzu große Bedeutung hat.
Im Januar 2021 kündigte die Renault-Gruppe bei der Vorstellung ihrer Strategie das Ziel an, mit Dienstleistungen im Bereich der nachhaltigen Mobilität und Energie eine führende Rolle in der Kreislaufwirtschaft übernehmen zu wollen. Dieser Ansatz trage zur Ressourcenschonung bei und stehe im Einklang mit dem geschäftlichen Fokus der Gruppe, verstärkt auf die Dekarbonisierung zu setzen.
Dabei arbeitet der Hersteller mit der polnischen KubaGroup zusammen, einem autorisierten Partner der Marke in Polen. Da man bis dato in Polen keine Refactory betrieben habe, sei dieses Geschäftsmodell, das auf den Investitionen der Händler basiere, perfekt auf die eigene Situation zugeschnitten, heißt es vom OEM.
Fahrzeuge erhalten Garantie bis 80.000 Kilometer
Hintergrund: Die modernisierten Fahrzeuge werden nach den Reparaturen der Karosserie, der Mechanik und der Innenausstattung neuen Eigentümern zum Kauf angeboten. Dies dauert bis zu fünf Tage und kostet zwischen 600 und 1.000 Euro je Wagen. Das Angebot richtet sich an Geschäfts- und Privatkunden, welche die Überarbeitung ihrer alten Fahrzeuge in Auftrag geben können. Die überholten Fahrzeuge sind durch eine spezielle, von der Einrichtung zertifizierte Garantie abgedeckt, die bis zu drei Jahre und 80.000 gefahrene Kilometer reicht. Jedes Auto einer beliebigen Marke kann nach diesem Verfahren aufgearbeitet werden, aber nur Renault- und Dacia-Fahrzeuge werden mit dem „Refactory-Zertifikat“ angeboten.
Das Werk verfügt über eine Flotte von Spezialgeräten und -werkzeugen, mit denen verschlissene Teile mittels Smart Repair erneuert, repariert oder, wo dies nicht möglich ist, ausgetauscht werden können. Dazu gehört die Entfernung von Spuren an der Karosserie des Fahrzeugs mit Hilfe der PDR-Technik (Paintless Dent Repair), welche die Beseitigung von Dellen in der Karosserie ohne anschließende Lackierung ermöglicht. Da eine Lackierung ansonsten noch zusätzliche Kosten verursache, könne dies auch dazu führen, dass Reparaturkosten insgesamt geringer bleiben. Das schreibt die polnische Fachpublikation „Warsztat“.
Polen ist kein guter Markt für Neuwagen
Grundsätzlich ist diese Art von Dienstleistung nicht zuletzt deswegen für Renault lukrativ, weil Polen kein Land ist, in dem sich Neuwagen übermäßig stark verkaufen. Zum Vergleich: Laut ACAE gab es 2024 551.000 neue Registrierungen – und das bei einer Einwohnerzahl von 38 Millionen. Deutschland kam auf 2,8 Millionen Autos bei 82 Millionen Einwohnern. In Polen hingegen hat gerade der Gebrauchtwagenmarkt eine bedeutende Größe, der 2024 bei 1,9 Millionen lag. Wichtig waren die Einfuhren, die im Vergleich zum Vorjahr um 20,1 Prozent auf 967.579 Fahrzeuge stiegen.
„Dies ist ein negativer Trend, der schwerwiegende Konsequenzen haben kann“, sagte Karolína Topolová, Generaldirektorin von Aures Holdings, einem Autohändler im Gespräch mit dem Portal „Autoexpert“. Dadurch werde das durchschnittliche Alter der Autos immer größer. Es liege jetzt bei 12,4 Jahren, so die Managerin. Ein weiterer Grund zur Sorge sei, dass die meisten importierten Fahrzeuge aus Deutschland kämen, wodurch Polen zu einem Lager für alte Autos werde, die anderen Märkten nicht mehr genügten.
Renault bewertet dies anders – und setzt verstärkt auf Polen. Und dies wohl offenbar auch deswegen, weil bei den gebrauchten Transportern, die eingeführt werden, die Marke Renault die beliebteste ist. Deshalb plant der OEM schon bald zwei weitere Einrichtungen dieser Art in Polen ins Leben zu rufen – finanziert durch Investitionen von Händlern.