
Vor allem in den vergangenen zwei Jahren hat sich Audi-Experte Andreas Kühne zufolge das Thema generative KI stark ins Bewusstsein der Werker gebracht. (Bild: Ultima Media Germany)
Viele Produkte, viele Herausforderungen. Allein Audi ist im Zeitraum zwischen 2024 bis 2026 mit dem Handling einer Modelloffensive mit gut 20 Modellen befasst. Um diese Herausforderung insbesondere in der Produktion stemmen zu können, hilft dem OEM die sogenannte 360 Factory-Strategie. Dabei handelt es sich um eine Initiative, die ein Layout der Produktionsprozesse auch mit den Instrumenten der Künstlichen Intelligenz zum Inhalt hat. Mit ihrer Hilfe will man die Produktionsprozesse schlank und vor allem zukunftsfähig gestalten. Für das Optimieren der Fertigung zählt Flexibilität zu den größten Zielen, sagte Andreas Kühne, KI-Programmmanager in der Audi-Produktion, anlässlich der Fachkonferenz Digitale Fabrik, die 2025 zum zwanzigsten Mal stattfand.
Mit dem Fokus auf Flexibilität in den Fabrikhallen geht dem Audi-Produktionsexperten zufolge der Wille einher, bis 2033 die Fabrikkosten zu halbieren. Zu den beiden wichtigsten technologischen Treibern zählt man bei der Volkswagentochter die Digitalisierung sowie den flächendeckenden Einsatz von KI. Auf den Geschäftsbereich der Produktion heruntergebrochen zeigte Kühne, dass man gerade ihn diversifiziert betrachten müsse, denn dazu zählen die Produktionsplanung, die Fertigung selbst, die Supply Chain, wie auch der Vertrieb bis hin zum Gebäudemanagement.
20. Fachkongress DIGITALE FABRIK

Am 10. und 11. April 2025 trafen sich in Neckarsulm Experten und Entscheider der Industrie, um die digitale Transformation der Produktion zu diskutieren.
Der Kongress DIGITALE FABRIK gibt Einblicke in den praktischen Einsatz des digitalen Zwillings für produktive Abläufe, Planung und Arbeitsplatzgestaltung. Darüber hinaus standen Themen wie Datenintegration und Datenmanagement, KI in der Produktion und Edge Cloud Lösungen im Fokus – Innovationen, die neue Maßstäbe in Flexibilität und Effizienz setzen. Mehr Infos zum Event finden Sie hier.
Daten-Heterogenität ist eine große Herausforderung
In den Werken sind aktuell die Fertigungsplanung, die Prozessüberwachung, Predictive Maintenance und Qualitätsüberwachung bis hin zu AI Robotics die Buzz-Wörter. Bei der Digitalisierung hat sich dem Audi-Experten zufolge in den letzten zwei Jahren generative KI stark ins Bewusstsein der Werker gebracht - dies insbesondere mit dem Blick auf das Heben von Potenzialen in den indirekten Bereichen der Fertigung. Die Stichworte sind intelligente KI-Copiloten. In ihnen sieht man bei Audi neben einer Möglichkeit zur Kostensenkung auch einen Hebel, um für die Mitarbeiter die Attraktivität ihrer Arbeitsprozesse zu steigern. Noch aber ist das Skalieren hin zur Serie das herausfordernde Thema. Der zentrale (Knack-)Punkt lautet: Daten. Wie auch bei anderen herrsche auf diesem Feld noch eine hohe Heterogenität – ein Hemmnis für das Skalieren von KI, so Kühne. Allein beim OEM sind über 1.000 verschiedene Apps in der Anwendung.
KI bedarf neuer Skills. Für Audi-Experte Kühne liegen diese im Softwareengineering sowie dem Umgang mit Daten – ein Set von Eigenschaften, das man als Automotive-OEM nicht mal so eben auf der Straße finden könne. Genau diese Skills gelte es daher aufzubauen, um all die Herausforderungen im Unternehmen nachhaltig und ganzheitlich adressieren zu können. Maßgeblich gehören für Audi die Felder Datenbereitstellung, das Einbinden der Mitarbeiter sowie der Aufbau einer agilen Organisation zu den erhofften Lösungen für eine effiziente und zukunftsfähige Fertigung. Um Silos zu vermeiden, setzt man sich beim Hersteller verstärkt für das Bereitstellen relevanter Daten über synergetische Datendomänen ein, auf die dann all jene Zugriff haben sollen, die sie schnell und in unkomplizierter Form benötigen.
Neben dieser, eher organisatorischen Thematik, brauche es gerade treffender technischer Lösungen. Dazu baue man integrierte Datenplattformen auf – solche, die relevante Daten Gewerke- und markenübergreifend bereithalten. Hinzu kommt der Aufbau von Datenprodukten mit einem hohen Maß an Wiederverwertbarkeit. Beispiele sind etwa das automatisierte Analysieren von Schweißkurven beim Widerstandspunktschweißen (WPS), das man auch auf andere Prozesse skalieren will. Aber auch Sichtprüfungen im Qualitätsprozess zählen dazu – beim OEM bewerkstelligt dies das sogenannte Intelligent Recognition and Inspection System, kurz: IRIS, mit Hilfe von bildverarbeitender KI, etwa im Nachgang der Lackierung.
Endgültig weg vom „digitalen Shit in, Shit out“
Die alles umspannende Währung für Fortschritte in der Fabrik der nahen Zukunft sind Daten. Kluge Daten, denn allzu bekannt ist unter den Experten die Floskel „Shit in, Shit out“. Nur wer ein System mit qualitativ hochwertigen Daten „füttert“, kann daraufhin auch hochwertige Resultate ernten. Ein wichtiges Mittel zur Gestaltung effizienter und vernetzter Fabriken ist der digitale Zwilling, ein digitales Abbild, wie es Martin Langosch umschreibt, der bei BMW die Themen Innovationen und Digitalisierung in der Planung verantwortet. Auf dem Kongress Digitale Fabrik erläutert der BMW-Experte, dass sich der digitale Zwilling zwar zunehmend in vieler Munde befinde, die eine einheitliche Definition liege in der Branche aber noch nicht vor: „Bei uns ist es das Thema Datendurchgängigkeit und 3D, also die virtuelle Fabrikplanung.“ Bei BMW ist ein entsprechendes Ökosystem im Aufbau.
Zusammen mit Christian Kober von der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg stellte Langosch auf dem Kongress ein gemeinsames Engagement vor, das auf dem Gebiet des digitalen Zwillings akademische Erkenntnisse und praktische Erfahrungen zusammenfügt, und so Mehrwert generieren soll. In Unternehmen liegen die Zielsetzungen vor allem darin, Zeit und Aufwand zu sparen, sagt Langosch. Christian Kober ergänzt, dass sich auch die Wissenschaft zunehmend des Themas annimmt; große Forschungsprojekte würden gelauncht. Doch stünden Input und Output noch immer nicht in Relation. Hohe Investitionen würden getätigt, der Reifegrad sei aber häufig noch gering, bilanziert Kober. Vieles scheitere nicht an den technischen Möglichkeiten, vielmehr seien es aktuell die Themen Akzeptanz wie auch die Kosten – gerade diese müsse man noch greifbarer darstellen.
Ordnung in den digitalen Zwilling bringen
Wie man aus Daten verschiedenster Qualität und Herkunft zu brauchbaren Ergebnissen in der Anwendung gelangt, will das Projekt Diamond beweisen. Den Nutzen aus Sicht eines Automobilherstellers, eines Komponentenherstellers und der eines Softwareanbieters zeigen Michael Ach, Experte für Digitalisierung bei BMW, Manuel Paul, Research Engineer Advanced Development Automation Engineering beim Anlagenbauer Festo sowie Wolfgang Schlögl, VP Digital Manufacturing Strategic Projects & Programs bei Siemens.
Die Vision im vom Bund geförderten Projekt, das noch bis Oktober läuft, ist eine herstellerunabhängige, neutrale Betrachtung: „Daten sauber zum OEM bringen“, fasst dies Michael Ach zusammen. Dies gelinge mit Common Data, indem man Daten für alle auf einem einheitlichen Kanal zugänglich mache. Zum Austausch biete sich als Format etwa das Daten-Ökosystem Catena-X an. Favorisiert werde heute die Verwaltungsschale, als OEM sei man jedoch wiederum stark involviert im Thema AutomationML. Am besten sei es daher beides zu kombinieren.
Die Prozesse der Fabrik, die man dazu im Rahmen des Projekts betrachtet hat, reichen von der Werkzeugentstehung, über klassische Fabrikdaten, das Layout der Halle, bis hin zu Robotersimulationen - 280 Dokumente seien so entstanden, schildert BMW-Experte Ach. Erreicht habe man, ein Modell zu definieren, das die Anlagenprozesse neutral abbilde, ergänzt Wolfgang Schlögl von Siemens. Ihm zufolge sind die Anwendungen, die Tools, noch sehr heterogen. Daher müsse hier „mehr Flexibilität rein“. Die Integration mit Blick auf Automation sei derzeit noch Mangelware. Er mahnt Offenheit an. Als Siemens arbeite man daher mit OEMs wie BMW und Mercedes-Benz zusammen. Noch im Herbst des Jahres will man einen Gesamt-Demonstrator präsentieren.
Die Smart Factory ist auch Thema auf dem APK:
Automobil Produktion Kongress 2025

Am 15. Mai 2025 treffen sich auf dem Automobil Produktion Kongress in München wieder hochrangige Fach- und Führungskräfte, um über die Automobilfertigung der Zukunft zu sprechen. Gemeinsam streben Hersteller, Zulieferer und Dienstleister eine smarte, flexible sowie nachhaltige Produktion mit transparenter Lieferkette an. Seien Sie dabei und profitieren Sie vom kollektiven Branchenwissen. 🎫 Jetzt Ticket sichern!