Mercedes Arbeiter mit humanoidem Roboter Apollo

Menschen und Roboter arbeiten schon heute Hand in Hand. Durch zunehmende Digitalisierung und Automatisierung werden sich dennoch die Jobs in den Automobil-Werken verändern. (Bild: Mercedes-Benz)

Wie haben sich angesichts der digitalen Revolution Anforderungen für Jobs in der Smart Factory verändert? Mit dem Begriff „Revolution“ geht Georg C. Scheiber, Partner und Director bei der Personalberatung von Rundstedt, eher sparsam um. Doch der Wandel der Branche, mittlerweile von chinesischen Wettbewerbern forciert, sei greifbar: „Das Konzept des Software-Defined Vehicle verändert auch das Konzept der Smart Factory“, betont Scheiber, „Das bedeutet für die deutsche Automobilindustrie völlig neue Herausforderungen, die auch für ihre Beschäftigten und deren Kompetenzen deutlich stärkere Konsequenzen haben werden als noch vor fünf Jahren angenommen wurde.“

Scheiber nennt vor allem fünf Jobprofile, die immer unverzichtbarer werden und für das „Reskilling“ von Belegschaften relevanter geworden sind: Industrieller Datenanalyst (vorzugsweise für Ingenieure), Roboterkoordinator (Weiterentwicklung von technischen Ausbildungsberufen), Industry Cloud Architekt (vorzugsweise für Informatiker), IT-/IoT-Lösungsarchitekt (vorzugsweise für Ingenieure der Elektrotechnik und Informatiker) sowie Automatisierungstechniker (Weiterentwicklung des Ausbildungsberufs Elektroniker für Automatisierungstechnik).

Ohne Schmerzen wird sich der Wandel nicht vollziehen, nämlich, der „Entwertung der Kernkompetenzen von White Collar- und Blue Collar-Beschäftigten, mit der Folge von Gehaltseinbußen oder gar Arbeitsplatzverlusten“, sagt Scheiber.

Diese Fabrik-Jobs haben Zukunft

Konkret wird der VDA hat einer Studie, die aufgezeigt, wie sich 700 Berufe in der Branche künftig entwickeln werden. „Durch die Elektrifizierung des Antriebsstrangs wird für die Herstellung von Fahrzeugen eine insgesamt niedrigere Beschäftigung benötigt als in der Vergangenheit“, so die Autoren, „Zudem kommt es zu deutlichen Verschiebungen innerhalb der Beschäftigung.“ Besonders Berufe in Maschinenbau- und Betriebstechnik sowie in der Metallbearbeitung hätten schon jetzt an Relevanz verloren.

Zuwächse gab es dagegen bei Berufen in der Kraftfahrzeugtechnik, in der technischen Forschung und Entwicklung sowie in der Informatik, Elektrotechnik und Softwareentwicklung – Profile, ohne die in der Smart Factory nichts läuft. „So ist zum Beispiel die Beschäftigung in IT-Berufen in der Automobilindustrie seit 2019 um etwa ein Viertel gestiegen und seit 2013 sogar um 85 Prozent“, heißt es in der Studie. Bemerkbar mache sich der Fachkräftemangel unter anderem in den Bereichen IT-Netzwerktechnik, IT-Koordination, IT-Administration und IT-Organisation. Hier dürfte sich das Defizit in Zukunft noch weiter auswachsen, so die Autoren.

Die großen Drei: Big Data, IIoT, KI

„Die wichtigsten aktuellen Berufsfelder in der Smart Factory drehen sich um Security, Big Data, Cloud-Architekturen, Internet of Things und künstliche Intelligenz“, erklärt Florian Harzenetter, Senior Director und Global Advisor für Industrie und Elektronik & High-Tech-Kunden bei dem Softwarehersteller PTC. Vor allem brauche es Experten für das Industrielle Internet der Dinge (IIoT). „Zukunftsträchtig ist beispielsweise der Job als IT/IoT-Lösungsarchitekt“, so Harzenetter. Fachkräfte hierfür entwerfen das Systemdesign aller in Echtzeit verbundenen Menschen, Maschinen, Materialien, Plattformen und Produkte. „Sie sind gewissermaßen die Baumeister der gesamten IT-Architektur“, betont Harzenetter.

Gute Chancen hätten auch Kräfte mit Kompetenzen für additive Fertigung, da gerade im Automotive-Bereich die Technik nicht nur im Prototypenbau und für Kleinserien immer relevanter werde. So könne der 3-D-Druck Smart Factories bei einer automatisierten On-Demand-Fertigung unterstützen – was nicht zuletzt bei Lieferkettenunterbrechungen hilfreich sei. Zum Generalthema resilienter Produktion gehören auch Experten für vorausschauende Instandhaltung, die sich mit maschinellem Lernen beziehungsweise entsprechenden Tools auskennen, um Downtime möglichst gering zu halten. „Keine Smart Factory kommt künftig ohne KI-Experten aus, um Echtzeiteinblicke in die Prozesse und damit mehr Resilienz und Effizienz zu gewinnen“, unterstreicht Harzenetter.

Umso besser, wenn dies unterlegt ist mit Kompetenzen im Bereich Virtual Reality (VR) und Augmented Reality (AR). „Wenn etwa im Qualitätsmanagement AR/VR-Tools mit künstlicher Intelligenz kombiniert werden, dann wird die visuelle Qualitätskontrolle auf das nächste Level gehoben“, ist Harzenetter überzeugt. Daher seien jetzt und künftig Inspektionsingenieure gefragt, die entsprechende Tools als integrierte Lösung etwa in End-of-the-Line-Prozesse einbinden können. „Qualitätskontrollen laufen so nicht nur schneller und präziser ab, sondern die Gesamteffizienz der Produktion wird deutlich verbessert“, so Harzenetter, „Denn auf diese Weise werden verdeckte Probleme im gesamten Herstellungsprozess identifiziert.“

Sind Unternehmen dafür gerüstet?

Grundsätzlich sieht Scheiber in Teilen noch eine gewisse Unschärfe, in welche Richtung sich Anforderungen wandeln werden: „Aufgrund der beschleunigten Entwicklung der generativen KI für industrielle Anwendungen ist derzeit noch nicht absehbar, welche klar definierten Jobprofile hier entstehen werden.“ In aktuellen Projekten spiele die konkrete akademische Ausbildung der Teammitglieder eine untergeordnete Rolle, vielmehr seien eine hohe Lernbereitschaft, eine große Neugier über die Grenzen der eigenen Disziplin hinaus sowie ausgeprägte Kooperations- und Kommunikationsfähigkeiten in interkulturell geprägten Teams von großer Bedeutung. Sein Rat: „Das systematische Erlernen dieser Soft Skills muss in der akademischen Ausbildung und in betrieblichen Up- und Reskilling-Maßnahmen einen deutlich höheren Stellenwert einnehmen.“

Scheiber hat den Eindruck, dass sich Automobilhersteller und -zulieferer sehr intensiv mit der breiten Thematik der neuen Qualifizierungsanforderungen sowohl im Kontext des Software-Defined-Vehicle-Ansatzes als auch bei der Weiterentwicklung des Smart Factory-Konzepts auseinandersetzen: „Durch den stark zunehmenden Wettbewerbsdruck aus Fernost sind die Spielräume bei den wichtigen Faktoren Budget und Zeit stark eingeschränkt.“

Die entscheidende Frage werde sein, wie der Übergang von der Hardware-Ära „mit all dem hart erarbeiteten Entwicklungs- und Fertigungs-Knowhow“, so Scheiber, in die Software-Epoche gelingen und wie dafür in kurzer Zeit völlig neues Wissen und Können aufgebaut werden könne: „Dieser Übergang kann durchaus als Revolution bezeichnet werden.“

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