Imposant sieht er aus, Jaguars Elektrorenner. Mächtiger Heckflügel, Rennkäfig und Schalensitze. Gut, das haben viele Tuningeimer selbsternannter Pimp-My-Ride-Artisten auch. Aber das hier ist ein echter Elektrorennwagen. Moment mal. Elektro und Rennwagen? Das klingt doch eher nach einem Dynamik-Paradoxon und einer Amateurveranstaltung, als nach Agilität und Herauskitzeln der letzten Zehntelsekunden. Diese spöttischen Gedanken sollten uns schon bald vergehen - so viel sei jetzt schon verraten.
Schon das Einsteigen, besser das Einschlängeln in den Schalensitz des Jaguar I-Pace eTrophy macht klar: Das hier ist kein Altherrenbeschleuniger. Das Cockpit des Jaguar I-Pace eTrophy entspricht dem eines traditionellen Rennwagens: FIA-Schutzkäfig, ein mit Drehknöpfen übersätes Lenkrad und eine mit Druckknöpfen übersäte Mittelkonsole, die jedem Raumschiff gut zu Gesicht stehen würde. Spätestens als uns die Renngurte in die Sitzschale pressen, ist klar, dass es mit der Lästerei vorbei ist. Das leichte Antippen des Gaspedals vertreibt die letzten "Das ist eine lockere Sache"-Gedanken.
Der Wumms kommt nach wie vor unerwartet und brutal. Auch wenn man mittlerweile um die Sprintstärke eines Elektrofahrzeuges weiß. Doch zum Sinnieren bleibt wenig Zeit, jetzt geht es um die Kurven. Einschlagen, leichtes Streicheln des Bremspedals und schon hat die Vorderachse Traktion und dann rauf aufs Gas. Jetzt regt sich das Heck des Jaguar I-Pace eTrophy und macht mit einem Schwenk unmissverständlich klar, dass es an dem Schneewalzer auf dem zugefrorenen Eissee teilzunehmen gedenkt. Schon nach wenigen Metern merkt man: Der Athletenstromer lässt keine Zweifel offen, was seine Intention ist. Er ist direkt, ehrlich aber auch kompromisslos. Schließlich hat Jaguars "Special Vehicle Operations"-Abteilung, das Fahrwerk des Serien I-Pace mit Öhlins-Dämpfern und Eibach-Federn nachgeschärft. Gerade an der Vorderachse hilft die gnadenlose Härte (plus 225 Prozent) beim Einlenken.
Schneller als die Serienversion
Jetzt kommt der Konter. Gegenlenken und ohne Rücksicht auf Verluste auf dem Gas bleiben. Wie an einem Strick fixiert, driftet der -Pace eTrophy um die Ecken. Da hilft auch die 48:52 leicht hecklastige Kraftverteilung des Allradantriebs. Wer eine extra Portion Hinterteilspaß und mehr Übersteuern will, dreht an einem der Rädchen des Volants und erhöht die Verteilung auf 40:60. Bloß gut, dass es auf den Eisrennstrecken keine Leitplanken gibt. Da kann man solche Stunts locker durchziehen. Doch bei den rasanten Richtungswechseln lässt sich auch eine Untersteuerneigung des Elektroboliden nicht verleugnen. Zwar hat Jaguar rund 225 Kilogramm aus dem Auto geschmissen, aber mit 1.965 Kilogramm Gewicht ist die Rennsportversion des Elektro-Crossovers immer noch kein Leichtgewicht. Schließlich befinden sich die Serienkomponenten des I-Pace-Antriebsstrangs mit 294 kW / 400 PS an Bord. Also auch die mächtigen 90 Kilowattstunden Akkus, die alleine gut 600 Kilogramm des Ballasts ausmachen, aber immerhin für einen niedrigen Schwerpunkt sorgen.
Ganz umsonst ist die Diät natürlich nicht: Neben der deutlich verbesserten Behändigkeit flitzt der Renn-I-Pace in 4,5 Sekunden von null auf 100km/h - das ist 0,3 Sekunden schneller, als die Straßenversion. Allerdings ist nach wie vor bei 200 km/h Schluss. Ein paar kleine Eigenarten seien dem Elektro-Flitzer durchaus gegönnt und machen den Eiswalzer sogar leichter: Schaltpaddel sucht man vergebens und auch der derbe Motorenklang eines konventionellen Automobilathleten fehlt.
Techniker Jack Lambert strahlt über das ganze Gesicht, als er das breite Grinsen des Fahrers sieht. "Das Auto ist mein Baby und ich freue mich, wenn jemand Spaß damit hat!". Auf die Frage, was denn die größte Herausforderung bei der Transformation eines Straßenautos in einen Rennwagen war, lautet die Antwort: "Das Auto zu kühlen. Schließlich wird es auf der Rennstrecke ganz anders bewegt, als im Alltagsverkehr." Das Thema Kühlung ist im Polarkreis bei Minus 25 Grad -um die Mittagszeit, wohlgemerkt - kein Thema. Kitzelig ist dann schon eher das Thema Ladung. Bei diesen arktischen Temperaturen entleert sich die Batterie besonders fix. Außerdem: Die schnell beschlagende und zufrierende Windschutzscheibe, die immer wieder mit externer Energie enteist werden muss. Klimaanlage gibt es ja keine.