Vier Audi-Mitarbeiter montieren im Audi-Werk Ingolstadt gemeinsam den Kabelbaum im Innenraum eines Fahrzeugs. Sie tragen schwarze Audi-Shirts und Arbeitshandschuhe, während sie konzentriert an der Verkabelung arbeiten.

Zu viert schrauben die Werker den Kabelbaum fest. (Bild: Audi)

Als wir im Juli 2023 das letzte Mal das Audi-Werk in Ingolstadt besuchten, sprach Werkleiter Siegfried Schmidtner davon, seine Fabrik zum attraktivsten Automobilwerk der Welt machen zu wollen. Rund eineinhalb Jahre später waren wir erneut vor Ort. Wie weit die Vision des Werkleiters vorangeschritten ist? Schwer zu sagen. Zumindest laufen in Ingolstadt inzwischen die beiden PPE-Modelle Q6 und A6 e-tron vom Band. Die jahrelangen Verzögerungen bestimmten das Stimmungsbild seinerzeit. Fehlende Teile und dadurch stillstehende Bänder passten am Tag der Besichtigung ebenso ins Bild. Dieses Mal jedoch läuft alles wie geplant.

Vom Presswerk bis zur neuen Batteriemontage produziert Audis historisches Stammwerk auf Hochtouren. An der Ettinger Straße existiert die Fabrik bereits seit Ende der 1950er Jahre, nachdem der ursprüngliche Standort in der Ingolstädter Altstadt zu eng geworden war. Einzigartig an der Donau: Eine Bahnlinie, die mitten durch das Werk führt. Die damit einhergehende zwangsweise Zweiteilung des Werks erfordert eine ausgeklügelte Logistik. Der Platzmangel brachte Audi zur Anmietung weiterer Hallen im angrenzenden Güterverkehrszentrum. Cockpitvormontage und Batteriemontage haben hier unter anderem ihr zuhause gefunden.

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Zwei Presswerke und drei Karobau-Hallen

Etwa ein Viertel der 40.000 Mitarbeiter sind in der Technischen Entwicklung tätig. Das Design neuer Fahrzeuge entwickeln Mitarbeitende aus 26 Nationen. Das Werk verfügt über zwei Presswerke, die auch Teile für andere Modelle aus dem VW-Konzern herstellen. Drei Hallen sind Heimat des Karosseriebaus. In der Halle N60.1 werden aktuell die Karosserien für Q6 und A6 e-tron gefertigt, während Halle N60.2 gerade für ein neues Modell umgebaut wird, nachdem dort A4 und A5 ausgelaufen sind. Die dritte Halle, N60.3 ist für den Karosseriebau von A3 und Q2 zuständig.

 

Die Montage ist der größte Produktionsbereich im Süden des Werks. Dabei wird der Produktionsprozess so gestaltet, dass trotz unterschiedlicher Montageumfänge eine konstante Taktzeit gewährleistet ist. Von den drei Montagelinien wird eine Linie gerade umgebaut.  An der Linie 1 werden aktuell der Q6 und der A6 e-tron montiert. Seit über 20 Jahren arbeitet Audi mit dem Konzept der Gruppenarbeit, sodass die Mitarbeiter in Teams gemeinsam an den Fahrzeugen arbeiten. In der ausgelagerten Cockpitvormontage werden diese in 31 Takten vormontiert und dann sequenziert ans Band geliefert. Dabei gibt es Prüfvorkehrungen wie Referenzbolzen, um sicherzustellen, dass das Cockpit genau passt. Für die Türmontage kommt ein KI-gestütztes System zum Einsatz, das die Karosserien und Türen vermisst. Es unterstützt den Prozess, sodass bestmögliche Passungen entstehen.

Ingolstadt könnte 2.000 Autos täglich bauen

Seit Anfang Februar 2025 wird auch auf der Montagelinie der PPE-Modelle A6 e-tron und Q6 e-tron im Dreischichtbetrieb gearbeitet. Mitarbeiter der dritten Schicht wurden von der A4- und A5-Fertigung auf die Elektrofahrzeugproduktion umgeschult. Um die Mitarbeiter auf die Transformation zur Elektromobilität vorzubereiten, gab es ein umfangreiches Schulungsprogramm.  Audi kann in Ingolstadt pro Tag bis zu 2.000 Fahrzeuge produzieren. Mittels fahrerloser Transportsysteme gelangen Bauteile zu wichtigen Montageschritten wie dem Einsetzen des Kabelstrangs und der Installation der Sitze. Ein digitales Prüfsystem gewährleistet, dass einzelne Montageschritte korrekt ausgeführt werden. Generell setzt Audi auf das „Pull-Prinzip“, bei dem die Prozesse von den Endschritten her gesteuert werden. Durch den Einsatz von KI-gestützten Systemen und automatisierten Transportprozessen wollen die Ingolstädter kontinuierlich die Fertigung optimieren.

Die bereits angeklungene geografische Struktur des Werks beeinflusst die Abläufe, da die Produktion über mehrere Bereiche verteilt ist. In neueren Fabriken sind Presswerk, Karosseriebau und Lackiererei oft direkter verbunden, um die Effizienz zu steigern.

Produktionszahlen Audi 2023 und 2024
Die Grafik zeigt die Volumen von neun Werken, in denen Audis gebaut werden.

Im P-Lab soll Audis „Vorsprung durch Technik“ entstehen

Eine Besonderheit am Stammsitz ist das Audi Production Lab (P-Lab), das sich mit Technologien beschäftigt, die in der Automobilproduktion bislang keine Anwendung gefunden haben. Geleitet wird das „Labor“ von Henning Löser, der erklärt: „Wir schauen, was es an neuen Entwicklungen gibt, testen sie und analysieren, wo sie sinnvoll eingesetzt werden könnten.“ Seit seiner Gründung im Jahr 2012 hat das P-Lab einige Technologien zur Marktreife gebracht. Ein Beispiel ist die Einführung menschenkompatibler Leichtbauroboter.

Damals haben wir uns intensiv mit der Frage beschäftigt, wie wir Roboter sicher für den Einsatz in der Produktion machen können. Heute sind sie an vielen Stellen in unserer Fertigung im Einsatz“, erzählt Löser. Ein weiteres ambitioniertes Projekt war die Integration von 5G in den Produktionsprozess. Anfangs fehlten noch die technischen Voraussetzungen, doch durch die Mitarbeit in einer Standardisierungsgruppe des ZVEI konnte das Team von Audi den 5G-Standard mitgestalten und für die Automatisierungstechnik nutzbar machen.

Ein großes Thema ist die Virtualisierung von Industrie-PCs und speicherprogrammierbaren Steuerungen (SPS). In den deutschen Audi-Werken gibt es rund 15.000 Industrie-PCs, die regelmäßig gewartet und aktualisiert werden müssen – ein enormer Aufwand. Das P-Lab entwickelte deshalb eine Lösung, die sich an Rechenzentren orientiert, wo Applikationen in virtuellen Maschinen gekapselt werden. „Die Instandhaltung muss nicht mehr vor Ort erfolgen. Statt jeden einzelnen PC zu aktualisieren, können wir das zentral aus dem Rechenzentrum steuern“, beschreibt Löser den Vorteil.

Der Rollout dieser Technologie begann in den Böllinger Höfen mit einer kleinen Stückzahl, um die Risiken zu minimieren. Nach erfolgreichen Tests wurde die Virtualisierung auch in Ingolstadt eingeführt. Dort wurden bereits 650 Industrie-PCs durch Thin Clients ersetzt, wodurch Wartungszeiten und Kosten erheblich gesenkt werden konnten. Ein weiterer Meilenstein war die Virtualisierung der speicherprogrammierbaren Steuerungen. Siemens und Codesys haben seit Dezember 2024 TÜV-zertifizierte Lösungen, die derzeit vorsichtig im Serienbetrieb getestet werden.

P-Lab als Inkubator für neue Technologien

Die Mitarbeiter im P-Lab haben unterschiedliche Hintergründe, von Informatikern bis zu Psychologen, und etwa die Hälfte von ihnen hat Erfahrung in der Fertigung. Das PLAB ist sowohl in Ingolstadt als auch in Neckarsulm vertreten, um die Hürde für die Zusammenarbeit mit den Kollegen aus der Produktion so gering wie möglich zu halten. Laut Löser kommt „das Wort Begreifen von Anfassen", was die Bedeutung der lokalen Präsenz unterstreicht. Das P-Lab verfolgt das Ziel, neue Technologien zu entwickeln und sie in die Serienproduktion zu integrieren.

Dabei sei die „Ambidextrie" ein wichtiges Konzept, also die Beidhändigkeit, sowohl den laufenden Prozess zu optimieren als auch neue Dinge auszuprobieren. „Es geht nicht nur darum, eine Technologie zu nutzen, sondern auch darum, anders zu arbeiten", sagt Löser. „Wir haben eine Art Inkubator geschaffen, in dem wir neue Technologien entwickeln, bis sie serienreif sind. Dann übergeben wir sie an eine Produktionsorganisation, die sie in die Werke bringt.“

Henning Löser leitet das P-Lab. Hier ist er im Gespräch mit Timo Gilgen zu sehen.
Henning Löser leitet das P-Lab. (Bild: Audi)

Das ist Audis neue Batteriemontage

Um in die Halle zu gelangen, in der die neue Batteriemontage beheimatet ist, geht es zunächst mit dem Auto – einem A3 Diesel – ein kurzes Stück ins Güterverkehrszentrum. Dort wartet bereits Benedikt Meier, verantwortliche Elektrofachkraft. Wo einst Logistik dominierte, befindet sich heute eine hochmoderne Batteriefertigung – eines der Herzstücke der Elektromobilität am Standort.

Bevor neue Mitarbeiter an den Produktionslinien tätig werden, durchlaufen sie umfassende Schulungen. Neben allgemeinen Sicherheitsstandards werden sie spezifisch auf die Hochvoltthematik und ihre jeweiligen Arbeitsplätze vorbereitet. Ein wichtiger Bestandteil dieses Prozesses ist die Umschulung von Mitarbeitern aus anderen Bereichen, wie  der Fahrzeugmontage oder dem Karosseriebau. Die Schulung umfasst auch den Umgang mit neuen Technologien, etwa die Parameter bei der automatisierten Applikation von Wärmeleitpaste. Aufgrund der Hochvolt-Technologie legen die Verantwortlichen großen Wert auf Sicherheit. Doch dank umfangreicher Schutzmaßnahmen ist das Tragen spezieller Schutzausrüstung nicht nötig.

Benedikt Meier steht an einem Roboter im Audi-Werk
Benedikt Meier ist stolz, in Audis neuer Batteriemontage zu arbeiten. (Bild: Audi)

Audi-Batterien können repariert werden

Die Batteriefertigung ist in verschiedene Abschnitte unterteilt, die jeweils spezifische Aufgaben erfüllen. Ein Großteil der Produktionsprozesse ist automatisiert, mit einem Automatisierungsgrad von etwa 90 Prozent. Roboter übernehmen das präzise Auftragen von Wärmeleitpaste und das Einsetzen der Batteriemodule. Meier erklärt den Ablauf: „Wir haben den Unterfahrschutz, dann den Kühlboden – eine Kühlplatte, auf die die Wärmeleitpaste aufgetragen wird. Die Kühlung erfolgt über eine Flüssigkeitskühlung. Das Modul wird gegriffen, platziert und mit einer Matrix von Nadeln gegen die Kühllamellen gehalten. Von oben wird es dann eingepresst.“

Trotz des hohen Automatisierungsgrades gibt es noch manuelle Arbeitsplätze. Insbesondere für Kontroll- und Montageaufgaben, die menschliches Geschick und Aufmerksamkeit erfordern, sind weiterhin Menschen im Einsatz. Während des gesamten Produktionsprozesses werden Qualitätskontrollen durchgeführt, um die einwandfreie Funktion und Dichtigkeit der Batterien sicherzustellen.

Die Audi-Batterien sind modular aufgebaut. Jedes Modul besteht aus 15 in Reihe geschalteten Zellen. Diese Bauweise ermöglicht es, einzelne Module bei Bedarf auszutauschen, was den Fokus auf Nachhaltigkeit und Reparierbarkeit unterstreiche. „Man kann jedes Teil einzeln auswechseln und kann daher gezielter vorgehen, als wenn nur ganze Batterien ausgetauscht werden könnten“, erklärt Meier.

Die Module werden zu 400-Volt-Strängen verbunden, die wiederum zu einem 800-Volt-System kombiniert werden. Jede Batterie ist mit einem Batteriemanagementsystem (Schaltkasten) ausgestattet, das Zellspannungen und -temperaturen überwacht und die Schnittstelle zum Fahrzeug bildet.

Audis Batterien sollen sich von der Konkurrenz abheben

Die Batteriefertigung ist ein komplexer Prozess, der ständige Innovation und Anpassung erfordert. Besonders wichtig ist die präzise Applikation der Wärmeleitpaste, um eine optimale Wärmeableitung zu gewährleisten. Die Produktionslinie ist flexibel genug, um unterschiedliche Batterievarianten, wie zehn- und zwölf-Modul-Versionen, zu produzieren. Meier betont: „Wir haben es geschafft, dass wir so wenig Material wie möglich verwenden, während gleichzeitig die Wärme optimal abgeführt wird oder die Module gezielt erhitzt werden können.“

Die Batteriedeckel werden mit Heißbutyl abgedichtet und mit FDS-Schrauben befestigt. Zudem durchlaufen die Batterien mehrere Testphasen, darunter Dichtheits- und Funktionstests. „Wir überprüfen jede Batterie vollständig. Dazu gehört eine Spannungsfestigkeitsmessung mit über 2.000 Volt, , sowie eine Isolationsmessung“, so Meier. Die Batteriemodule selbst werden von externen Lieferanten bezogen. Nach ihrer Montage geht es für die fertigen Batterien weiter Richtung Fahrzeugmontagelinie.

Im Gespräch mit Meier wird der Stellenwert einer eigenen Batteriefertigung in Ingolstadt deutlich. Diesen wichtigen Prozess inhouse zu machen, ist ein wichtiger Baustein für die Transformation des Unternehmens hin zur Elektromobilität. Mitarbeiter wie Meier verkörpern diese Transformation authentisch.

Er resümiert: „Ich bin  stolz darauf, hier zu arbeiten. „Man kann ein Elektroauto bauen und man kann ein Elektroauto bauen.“ Die Frage sei nur, wie. Unser Praxistest mit dem PPE-Bruder Macan von Porsche verdeutlichte die Unterschiede in der Batteriequalität einmal mehr. Nun müssen nur noch die Kunden mitmachen und genügend Ingolstädter Fabrikate kaufen. Dann geht vielleicht auch des Werkleiters Vision bald schon in Erfüllung.

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