Eine Frau arbeitete an einem Laptop in einem Bosch-Werk. Über ihr ist ein Roboterarm zu sehen.

KI-Anwendungen sollen den Alltag vom Produktionsmitarbeitern erleichtern - und könnten zum wichtigsten Hebel auf dem Weg zur smarten Fabrik werden. (Bild: Bosch)

Automobil Produktion Kongress 2024

Automobil Produktion Kongress 2024

Am 16. und 17. Mai 2024 treffen sich auf dem Automobil Produktion Kongress in München auch in diesem Jahr wieder Fach- und Führungskräfte, um über die Automobilfertigung der Zukunft zu sprechen. Gemeinsam streben Hersteller, Zulieferer und Dienstleister eine smarte, flexible sowie nachhaltige Produktion mit transparenter Lieferkette an. Seien Sie dabei und profitieren Sie von kollektiven Branchenwissen. 🎫 Jetzt Ticket sichern!

Eines kann man den Autobauern nun wirklich nicht vorwerfen: Mangelnde Offensive, wenn es darum geht, ihre Aktivitäten rund um die Produktion der Zukunft ins Schaufenster zu stellen. Immer wieder fallen dabei die gleichen Schlagworte: Digital, effizient und nachhaltig. Alle drei spielen in Bezug auf die smarte Fabrik eine zentrale Rolle. Doch wie weit ist die Autoindustrie wirklich? Entgegen der beinahe euphorischen PR-Verlautbarungen ordnet Martin Ruskowski, Forschungsbereichsleiter Innovative Fabriksysteme am Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI), den Stand der Autoindustrie in Sachen Smart Factory nüchterner ein. „Es fehlt ein durchgängiges Konzept, wie man all die Daten, die ein Auto während der Produktion erlebt, dem Auto auch wirklich zuschreiben kann“, so der Professor. Viele OEMs denken noch zu sehr in den einzelnen Gewerken, wodurch ein Flickenteppich an verschiedenen IT-Systemen entstehe. Wie dieser gelöst werden kann und worauf es grundsätzlich beim Thema Smart Factory in der Autoindustrie ankommt, soll dieser Überblick zusammenfassen.

Was ist eine Smart Factory?

Ein System der Vernetzung und Automatisierung von Fertigungsprozessen wird übergeordnet als Smart Factory bezeichnet. Wesentlicher Kern ist eine umfassende Digitalisierung. Die einzelnen Bestandteile sind unter anderem intelligente Maschinen, Sensoren und Steuerungssysteme. Zu den unabdingbaren Beschleunigern zählen die Instrumente der Industrie 4.0, wie etwa künstliche Intelligenz, der Mobilfunkstandard 5G, IoT, Big Data, Digital Twins oder Cloud Computing.

Smarte Fabriken müssen ganzheitlich gedacht werden

Ein wesentliches Merkmal von smarten Fabriken ist die digitale Vernetzung aller Schritte der Produktion. Dadurch soll eine nahtlose Kommunikation zwischen Maschinen, Anlagen und Menschen ermöglicht werden. Im Idealfall führt das zu einer effizienteren Produktion, da Probleme in Echtzeit erkannt und behoben werden können. Soweit die Theorie. In der Praxis besteht genau hier noch erheblicher Nachholbedarf, konstatiert Experte Ruskowksi. "Es fehlt oft am ganzheitlichen Verständnis von Digitalisierung. Es wird sehr stark auf die Maschinen geguckt und dabei oft diese Querverbindung zu den Produkten vergessen", so der Professor. Es sei sinnlos, nur die Maschinen miteinander reden zu lassen, weil die Maschinen mit den Produkten reden müssten. Und dazu brauche man standardisierte Datenformate, die durchgängig durch die Produktion laufen. Im Interview mit Automobil Produktion beschreibt Ruskowski das generelle Problem von Datensilos im Kontext der Industrie 4.0: "Man hat Daten erfasst, die dann aber in einem geschlossenen System (...) kontextlos abgelegt werden."

Warum es die ideale Smart Factory nicht gibt

Wie eine ideale Smart Factory aussieht, könne erst gesagt werden, wenn man seine Notwendigkeiten definiert habe. Themen wie Nachhaltigkeit, Resilienz oder Fachkräftemangel müssen gelöst werden. Und eine smarte Fabrik biete erst mal grundsätzlich das Konzept, überhaupt neu zu denken. Und genau darum gehe es. "Das Denken muss komplett umgedreht werden." Teilweise werde Digitalisierung noch immer als Selbstzweck gesehen. "Wir müssen uns die Frage nach dem Wozu stellen. Das machen wir viel zu selten", so Ruskowski. Damit sich das ändert, pocht der Wissenschaftler auf das Konzept der Verwaltungsschale. "Das ist letztlich ein Datencontainer, den man benutzen kann, um Daten zu transportieren." Genauer gesagt sei es das, was oftmals als digitaler Zwilling bezeichnet werde. Für die Produkte könne man sich die Verwaltungsschale als Container vorstellen, in den alle Daten reingeschrieben werden, welche während der Produktion ermittelt werden. Künftig, so das Ziel, könnte man diesen Container dann für die Steuerung der Produktion nutzen.

Was ist ein digitaler Zwilling?

Ein digitaler Zwilling in der Automobilindustrie ist eine virtuelle Repräsentation eines physischen Fahrzeugs oder einer Anlage. Diese virtuelle Darstellung wird durch die kontinuierliche Erfassung und Analyse von Daten aus dem realen Fahrzeug oder der Anlage erstellt. Der digitale Zwilling ermöglicht es, das Verhalten, die Leistung und den Zustand des realen Objekts in Echtzeit zu überwachen, zu simulieren und zu prognostizieren. Dadurch können Hersteller und Betreiber verschiedene Szenarien testen, Fehler vorhersagen und Wartungsmaßnahmen optimieren, um die Effizienz zu steigern und Ausfallzeiten zu minimieren. Mehr Infos hier.

Autoindustrie steht bei der Smart Factory noch am Anfang

Gerade die deutschen OEMs stehen unter Zugzwang, ihre Werke schnellstens so smart wie möglich umzugestalten, um Wettbewerbsnachteile ausgleichen zu können. Und natürlich passiert sowohl im Volkswagen-Konzern, als auch bei BMW und Mercedes jede Menge in Sachen smarter Technologie. Letztlich aber sind das, was die Autoindustrie bislang als Neuheiten zur Smart Factory verkauft, nur einzelne Verbesserungen. Von wirklich smarten Fabriken sei die Branche noch weit weg. "In der Gesamtheit stehen die OEMs nach wie vor am Anfang", bilanziert Ruskowski. In den letzten zehn Jahren sei sehr viel an den existierenden Systemen verbessert worden. Aber an die Strukturen sei man nicht wirklich rangegangen.

„Wir müssen die Maschinen kapseln und so die Produktion dezentral und autonom steuern“, fordert der Professor. Erst so ließen sich völlig neue Konzepte aufbauen, die aus wirklich intelligenten Maschinen bestünden. "Eine Veränderung geht nur von unten nach oben und nicht von oben nach unten." Der einzige Weg sei, die Maschinen Stück für Stück smarter zu machen, daraufhin neu entstehende Interfaces zu implementieren, diese zu kapseln und final zu neuen Strukturen zusammenzuschalten. Am Ende sei die Verbindung zwischen Maschinen und Produkten der entscheidende Schritt, der gegangen werden müsse.

Welche Fortschritte die einzelnen Gewerke in der Automobilproduktion machen, lesen Sie hier:

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