Entwicklung mit ACDC

Wie Renault beim Twingo den China-Turbo zündet

Nach gerade einmal zwei Jahren Entwicklungszeit ist der neue Renault Twingo bereit für seine Kunden. Die neue Dimension mit Blick auf die Zeit-, wie auch eine deutliche Kostenersparnis kommt vor allem aus einem Entwicklungssatelliten in Shanghai.

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Der Elektro-Twingo ist das erste Modell, das im Rahmen des Leap-100-Programms entwickelt wurde.
Der Elektro-Twingo ist das erste Modell, das im Rahmen des Leap-100-Programms entwickelt wurde.

Aktuell hat der Renault-Konzern einen Lauf, nicht nur bei der Positionierung seiner sportlichen Submarke Alpine oder der Günstigmarke Dacia, die sich längst zum wahren Volkswagen entwickelt hat. Nein, ein gutes Händchen haben und zeigen die Franzosen auch bei ihren Einstiegsmodellen mit Elektroantrieb. Nachdem die Modelle Renault 4 und 5 prächtig beim Publikum einschlugen und auch die neue Clio-Generation auf der IAA Mobility in München viel Applaus erhielt, hat nun auch das neue Modell Twingo beste Chancen, europaweit zum elektrischen Bestseller zu avancieren. Der Elektro-Twingo ist das erste Modell, das bei Renault im Rahmen des sogenannten Leap-100-Programms entwickelt wurde. Das große Ziel dahinter ist es, nicht weniger als den gesamten Zyklus der Fahrzeugentwicklung zu transformieren. Nach lediglich 100 Wochen war der neue Hoffnungsträger fertig – inklusiv des Designs, der Plattformadaption, der Technik und Fertigung sowie regionaler Lieferketten. Noch nie hat Renault ein Fahrzeug derart schnell entwickelt und dies unter Einhalten neuester Qualitätsstandards im Konzern.

Die Franzosen haben trotz anhaltender Probleme mit ihren Konzernpartnern Nissan, Alpine und Mitsubishi ihren Blick für das Wesentliche wiedergefunden. Ob Renault-Urgestein Francois Provost die Marke in den kommenden Jahren ebenso massiv beeinflussen kann wie Ex-CEO Luca de Meo, muss sich zwar noch zeigen, die Weichen scheinen jedoch gestellt. Gerade bei den kleinen Modellen. Weshalb sich Renault nach mehr als vier Millionen verkaufter Twingos vor Jahren von seinem so erfolgreichen Publikumsliebling verabschiedet hat, ist vielen in der Konzernzentrale in Paris bis heute nicht klar. Unter dem mittlerweile ausgeschiedenen Renault-CEO Luca de Meo wurde jedenfalls eine neue Retrowelle ausgerufen – ganz elektrisch, wenn man so will. Nachdem zunächst die einstigen Publikumslieblinge R4 und R5 via Stromstoß zurück auf die automobile Bühne geholt wurden, wird sich Anfang des kommenden Jahres dann der Twingo Electric dazugesellen. Mit seinem coolen Look soll er nach dem Willen der Franzosen die elektrische Einstiegsklasse aufmischen.

Der Jahrgang 2026 orientiert sich stark am 1992er-Original

Die Premiere des Ur-Twingo im Oktober des Jahres 1992 auf dem Pariser Salon war eine Schau, denn einen Kleinwagen mit den Qualitäten des Twingo hatte es lange nicht mehr gegeben. Sein One-Box-Design aus der Hand von Patrick le Quement war einzigartig und die Konstruktion des Innenraums spektakulär und einfach zugleich. Der Twingo war ein legitimer Nachfolger des in die Jahre gekommenen Renault 4, doch für seine Zeit ungewöhnlich modern, wenn nicht gar futuristisch. Hinzu kam die Optik mit Scheinwerfern im Look von Kulleraugen: dem Twingo fiel Sympathie zu, wie es dies seit dem VW Käfer nicht mehr gegeben hatte. Der Name Twingo indes sollte für eine Mischung aus Kleinstwagen und Van stehen. Das Konzept ging auf, denn der Kleine wurde bis zum Jahre 2007 ohne nennenswerte Änderungen im Werk Flins-sur-Seine gefertigt.

Die 2023 gegründete Tochter Ampere ist bei Renault für E-Mobilitäte und Software zuständig.
Die 2023 ins Leben gerufene Renault-Tochter Ampere ist für E-Mobilität und Software zuständig.

Optisch orientiert sich der 2026er-Twingo an seinem Vorgänger – jedoch aufgefrischt und entsprechend modernisiert. Der Twingo Electric soll ein Auto für jenes Publikumn werden, das in die Elektro-Liga einsteigen möchte. „Unser Hauptziel bei der Gestaltung des modernen Twingo war es, den mutigen Geist der ersten Generation wieder aufleben zu lassen: eine kompakte One-Box-Silhouette, ein geräumiger und modularer Innenraum mit dem verspielten Charakter, der die erste Generation auszeichnete“, erläutert Paula Fabregat-Andreu, verantwortlich für das Design. Bei Renault spricht man von einem Einstiegspreis für das Auto in Höhe von unter 20.000 Euro – nicht günstig für einen Twingo oder ein Fahrzeug des A-Segments, allerdings zumindest eine Ansage für ein Fahrzeug mit Elektroantrieb. Dafür erhalten die Kunden sehenswertes Design, kompakte stadttaugliche Abmessungen und einen Elektromotor mit immerhin 60 kW / 82 PS Leistung und 175 Nm maximalem Drehmoment; die Höchstgeschwindigkeit liegt Renault zufolge bei 130 km/h. 

Die Kosten, aber auch die Reichweite bleiben überschaubar

Vier knallige Farben stehen zur Wahl-

Das kleine Akkupaket mit einer 27,5-kWh-Batterie aus Lithium-Eisenphosphat soll zu einer Reichweite von überschaubaren 260 Kilometern beitragen und gleichzeitig die Kosten in Grenzen halten. Gerade im Winter kann es mit der kleinen Batterie jedoch schon einmal eng werden. Angesichts des Segments darf man zudem keine kurzen Ladestopps erwarten. Eine Ladeleistung von gerade einmal 50 kW am Schnelllader darf  kaum schnell genannt werden. An der Wallbox erstarkt das Batteriepaket im Unterboden des Fahrzeugs mit maximal elf Kilowatt. Produziert wird der elektrische Twingo, der auf der AmpR-Small-Plattform basiert, im slowenischen Werk in Novo Mesto.

Die ikonische Frontleuchten des Twingo

Der Rahmen für die Entwicklung des Twingo war eng gesteckt und fußte auf den drei Säulen: Ampere (der Elektro-Tochtergesellschaft von Renault), ACDC (Advanced China Development Center) und der Produktionsstätte in Novo Mesto. Das 2024 in Shanghai gegründete Forschungszentrum trug dazu bei, dass sich die Entwicklungszeit auf gerade einmal zwei Jahre verkürzte. Dies, weil Renault auf effiziente Prozesse im China-Turbo zurückgreifen konnte. Möglich wird dies durch ein Tech-Center im Herzen eines chinesischen Ökosystems, das für seine schnellen Entwicklungszeiten, wettbewerbsfähigen Kosten und technologische Kompetenz bekannt ist. ACDC bündelt dabei Ingenieursfunktionen, um Entwicklungszeiten zu verkürzen und Einkaufsmodule, um die Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern. Außerdem betreibt das Zentrum Technologiebeobachtungen, um die Technologien der Zukunft zu identifizieren. Am Standort Shanghai sind rund 150 Mitarbeiter beschäftigt, darunter etwa 100 ACDC-Ingenieure, die für die Systemintegration und das Projektmanagement des Twingo verantwortlich zeichneten. Die wichtigsten Zulieferer wie CATL oder Shanghai e-Drive waren von beginn an mit an Bord. Zeitgleich wehte auch in Paris ein anderer Wind: Die Elektro-Tochter Ampere führte für den Twingo eine gestraffte Führungsstruktur ein. Schnelle Entscheidungsfindung waren Trumpf – und sollen es für zukünftige Projekte bleiben.