Es ist heiß, sehr heiß. Eben hat das Thermometer 35 Grad Celsius gezeigt, dann 38 und beim Mittagsstopp in einer namenlosen Restauration im Nordwesten von Südafrika sind es beim Einstieg in den Probanden 42 Grad Celsius. Der 4,86 Meter lang Prototyp sieht trotz der wilden Klebefolien sportlich und elegant aus. Gerade seine flache Front mit den serienmäßigen LED-Augen gefallen. Wem kommt da nicht der Audi A7 oder der neue Opel Insignia in den Sinn? So will Volkswagen, in 2016 durch Dieselgate und Personalkapriolen arg gebeutelt, effektvoll zurück auf die Bildfläche. Da das überalterte Luxusmodell Phaeton keinen Nachfolger bekommt, soll es zumindest in Europa ein edler Bruder des Passat richten. Die technische Plattform von Passat und Arteon ist zwar identisch, "doch wir haben vieles grundlegend verändert", erklärt Baureihenleiter Elmar Licharz, "Radstand und Spur sind völlig anders. Die Coupélimousine Arteon hat serienmäßig 18-Zöller. Wer will, bekommt sogar 19 und 20 Zoll." Nicht nur Dienstwagenfahrer sollen Lust bekommen auf den Passat-Bruder, der sich weit mehr als sein Vorgänger VW CC vom Passat-Einerlei abheben soll.
"Wir könnten uns im Arteon durchaus auch einen Sechszylinder vorstellen", macht Licharz aus seinem Wunsch keinen Hehl, als er bei sengender Hitze einen tiefen Schluck aus der Wasserflasche nimmt, "wir müssen jedoch genug Kunden finden und einen Businesscase hinbekommen." Das ist bekanntermaßen nicht leicht, denn das Premiumtriumvirat aus Audi, BMW und Mercedes liegt bei den Einkaufslisten der Kunden zumeist in weiter Ferne. VW-Entwicklungsvorstand Frank Welsch will ebenfalls ein entsprechendes Topmodell: "Hier in Südafrika haben wir bei den Erprobungen auch ein Fahrzeug mit einem V6-Motor dabei. Passen würde der bestens in den Arteon; doch es muss sich für uns rechnen."
Das erwartete Topmodell wird dann von einem 2,5 Liter großen Sechszylinder-Turbomotor angetrieben, der seine rund 350 PS über ein siebenstufiges Doppelkupplungsgetriebe mit rund 500 Nm maximalem Drehmoment an alle vier Räder überträgt. Höchstgeschwindigkeit bei ersten Testfahrten in der Hitze: imposante 301 km/h. Der 2,5 Liter große V6-Turbobenziner lässt sich mit überschaubarem Aufwand sogar zu einem noch stärkeren Dreiliter-V6 machen. Das Volkswagen-Team hätte sich für den Arteon, der wie Golf, Tiguan, Passat und kommender Polo auf dem variablen Querbaukasten beruht, sogar den Fünfzylinder-Turbo aus dem Hause Audi vorstellen können. Doch die Konzernschwester aus Ingolstadt wollte mehrere Millionen Euro als Nutzungsgebühr.
Das Gros des Motorenspektrums wird sich in Europa jedoch bei den Vierzylinder-Dieseln abspielen, die 150, 190 und 240 PS leisten. Ergänzend gibt es die Vierzylinderbenziner, die man aus Konzernmodellen wie VW Passat oder Audi A4 kennt. So hält beim Arteon auch der im Realverbrauch besonders sparsame Zweiliter-B-Zyklus-Motor aus dem A4 Einzug, der mit seinen 140 kW / 190 PS gerade einmal fünf Liter Super verbrauchen soll. Die Benziner unterhalb des erhofften V6-Triebwerks haben 1,5 bis 2,0 Liter Hubraum und ein Leistungsspektrum von 150 bis 280 PS. Wirkt der 190 PS starke Vierzylinderbenziner auf den rauhen Straßen von Südafrika zwar solide motorisiert, aber etwas blass, kann der 280 PS starke Vierzylinderturbo, den die Amerikaner alternativlos bekommen, deutlich mehr gefallen. Doch so kommod der Arteon auch abrollt und per Kombination aus Allradantrieb und Doppelkupplungsgetriebe seine Motorleistung effektvoll auf die Fahrbahn bekommen kann – etwas mehr Klang dürfte der Arteon durchaus haben. "Hier müssen wir noch ran", räumt Elmar Licharz ein, "aber das ist die US-Version und der kommt erst in 2018. Wir haben da noch genügend Zeit. Bei den europäischen Modellen sind wir weiter." Im Sommer 2017 soll es zu Preisen ab 35.000 Euro losgehen. Hinter vorgehaltener Hand erscheint ein zweites Arteon-Modell in Form eines Shooting Brake allemal denkbar.
Ein Blick unter die schwarzen Stoffmatten, die das Cockpit und Bedienelemente des Erlkönigs gegen neugierige Blicke schützen sollen. Das meisten kennt man aus dem Passat, wobei der 9,2 Zoll große Multifunktionsbildschirm wie bei allen zukünftigen VW-Modellen schick hinter einer schwarzen Hochglanzscheibe verbaut ist. "Beim Platzangebot sind wir best in class", ergänzt Licharz, der keinen Hehl daraus macht, dass auch eine Plug-In-Hybridvariante in Vorbereitung ist. Vorne könnte man durchaus noch etwas tiefer sitzen. Das Platzangebot im Fond ist Dank 2,84 Meter langem Radstand beinahe auf Niveau des klassenhöheren Audi A7, denn der quer verbaute Motor lässt den Innenraum der in Emden produzierten Coupé-Limousine weiter nach vorne rücken. Auch bis 1,90 Meter lässt es sich hinten noch entspannt reisen – getrennt klimatisiert und wohlig von unten gewärmt.
Die fünf Zentimeter mehr Radstand im Vergleich zum VW Passat machen sich nicht nur für die Fondpassgiere angenehm bemerkbar. Auch der Federungskomfort gewinnt deutlich und das Geräuschniveau hält sich selbst auf den schlechten Testrouten hier im Nordwesten Südafrikas zurück. Die größeren Modelle sind obligatorisch an Allradantrieb und siebenstufiges Doppelkupplungsgetriebe gekoppelt; für die Einsteiger dürfte es nur Handschalter und Frontantrieb geben. Weit in der Entwicklung scheinen die elektronisch verstellbaren Dämpfer, die sich auf dem Touchscreen ansteuern lassen. Auf Knopfdruck verhärtet sich die Abstimmung, die Motor dreht höher und die Gänge des serienmäßigen Doppelkupplungsgetriebes werden länger gehalten. Einzig die Lenkung scheint sich trotz Sportprogramm kaum zu verändern. Doch viel gibt es beim Arteon für die Entwickler nicht mehr zu tun. Fröhliche Weihnachten nach einem harten Jahr.