Ist eine Elektro-Plattform erst einmal fertig entwickelt, geht es meist Schlag auf Schlag, bis verschiedene Modelle auf ihr produziert werden. Bestes Beispiel ist Mercedes. Der Stuttgarter Autobauer hat für seine großen Elektroautos die spezielle Architektur EVA2 (Electric Vehicle Architecture) konzipiert. Der erste Kandidat, der diese Plattform nutzte, war im Sommer 2021 das elektrische Flaggschiff EQS. Diesen Frühling folgte die Business-Limousine EQE. Zum Ende des Jahres geht der siebensitzige EQS SUV an den Start. Im Mai 2023 rollt dann Nummer 4 zu den Händlern, der EQE SUV.
Mit dem fünfsitzigen und 4,86 Meter großen SUV will Mercedes vornehmlich jene Kunden ansprechen, die sich zuvor für den GLE interessierten. Intern gilt der EQE SUV als die „Vielzweckvariante der Business-Limousine EQE“. Wer das SUV nur flüchtig betrachtet, glaubt zunächst, einen etwas geschrumpften EQS SUV vor sich zu haben. Doch bei genauerem Hinsehen fallen diverse Unterschiede auf, wie die Sicke an den hinteren Kotflügeln, die stärker profilierte Motorhaube, die anderen Scheinwerfer und wellenförmigen Rückleuchten. Zudem sollen dickere, schwarzabgesetzte Seitenschweller und Radläufe optisch mehr Robustheit vermitteln.
Im Innenraum bietet sich ein vertrautes Bild. Das Cockpit entspricht komplett jenem in der EQE-Limousine. Als Extra bietet Mercedes auch dem SUV-Kunden den großflächigen Hyperscreen an, dessen Display sich quer über die gesamte Armaturenbrettbreite spannt und das Fahrgefühl auf eine neue Ebene hebt. Erstmals kann der Beifahrer sogar Fotos auf seinem Smartphone auf Hyperscreen übertragen. Zum Marktstart im Mai will Mercedes zudem eine lederfreie Innenausstattung anbieten, sie nennt sich "Electric Art Interieur".
Obwohl der EQE SUV einen um 9 Zentimeter kürzeren Radstand (3,03 Meter) als die EQE-Limousine hat, müssen Gäste auf der Rücksitzbank keine Enge fürchten. Die Elektroplattform ermöglicht auch hier immer noch genügend Beinfreiheit. Soll ausschließlich Gepäck transportiert werden, passen bei flachgelegten Rücksitzlehnen bis zu 1.675 Liter in das SUV. Zudem lassen sich die Lehnen in einer senkrechten Cargo-Stellung arretieren, was den Kofferraum von 520 auf 580 Liter vergrößert. Mittlerweile eine Selbstverständlichkeit ist die elektrisch zu betätigende Heckklappe.
Trotz des kürzeren Radstands lässt sich der EQE SUV optional mit einer Hinterradlenkung ausstatten. Sie verbessert nicht nur das Handling bei flotter Kurvenfahrt, sondern verkleinert auch deutlich den Wendekreis. In diesem Fall sind es statt 12,3 nur noch 10,5 Meter. Der EQE SUV unterbietet hiermit sogar die Mercedes A-Klasse (11,0 Meter).
Mit detaillierten technischen Daten hält man sich in Stuttgart noch zurück. Da sich EQE SUV und EQE-Limousine die gleiche Plattform teilen, dürften die Leistungswerte recht nahe beieinanderliegen sein. Mit Hinterradantrieb würde der EQE SUV damit ebenfalls über 215kW/292 PS oder 265 kW/360 PS verfügen, als 4Matic wären es bis zu 400 kW/544 PS. In beiden Fällen setzen die Stuttgarter auf permanenterregte Synchronmaschinen (PSM) und versprechen im Maximum eine Reichweite von 550 Kilometern. Ob diese Strecke mit einer Batteriekapazität von 90 kWh zu schaffen ist, bleibt abzuwarten. Für eine bessere Effizienz soll unter anderem eine Wärmepumpe sorgen. Sie kommt im EQE SUV erstmals zum Einsatz. Bislang sah die EVA2-Plattform ein solches Bauteil nicht vor.
Selbstverständlich wird es auch für den EQE SUV die AMG-Derivate 43 und 53 geben. Sie unterscheiden sich durch sportlichere Anbauteile, fahren mit Schwarz-Chrom und tragen erstmals statt des üblichen Sterns das AMG-Wappen auf der Haube. Das Topmodell AMG 53 verfügt über Hinterachslenkung, elektrische Wankstabilisierung und eigene, von AMG entwickelte Elektromotoren. Kurzzeitig können über 500 kW/680 PS abgerufen werden, die Höchstgeschwindigkeit beträgt 240 km/h.
Gebaut wird der EQE SUV in Tuscaloosa/Alabama. Die Variante für China entsteht lokal vor Ort. Preise nennt Mercedes noch keine. Man sollte jedoch davon ausgehen, dass der Einstieg in die Business Class der voll elektrischen SUV bei mindestens 80.000 Euro starten wird.