Ok, dann mal los: Alle elektronischen Helferlein aus, den Blick stur nach vorne, den Wahlhebel auf "D" und das Gaspedal bis zum Bodenblech durchtreten. Der fast drei Tonnen schwere VW Amarok rennt auf die Sanddüne zu und prescht mit vollem Schwung plus der Kraft von 550 Newtonmeter Drehmoment den steilen Anstieg hinauf. Er schlingert ein bisschen, wühlt sich durch den feinen Sand und wirbelt ihn hinter sich. Jetzt bloß nicht nachgeben und den Gasfuß lockern. Doch der Pick-up zieht mit allen vier Rädern unverdrossen weiter. Was wäre das jetzt eine Schande, sich einzugraben, nur mit fremder Hilfe wieder frei zu kommen. Aber alles wird gut: Der Amarok schliddert unverdrossen auf den Scheitelpunkt der Düne. Geschafft. Abstellen. Mentales Schulterklopfen.
Pick-ups, der Satz stimmt wohl inzwischen, sind die neuen Geländewagen. Während so manch rundgelutschter SUV seine Herkunft von den Offroadern mittlerweile ganz verleugnet und nicht mal mehr einen etwa höheren Bordstein ohne Mühe erklimmen kann, brettern die Arbeitspferde mit der offenen Ladefläche am Heck und den Blattfedern an der Hinterachse problemlos über Stock und Stein.
Das Sultanat Oman liegt im Osten der arabischen Halbinsel, entspricht von der Fläche her in etwa Polen, hat aber mit rund vier Millionen Einwohnern nur ein Zehntel von dessen Bevölkerung - und die leben vor allem in einer der gut ein Dutzend Städte. Los geht die Tour in Omans Hauptstadt Maskat, zunächst über gut ausgebaute Autobahnen. Der absolutistisch regierende Sultan von Oman scheint seine Landeskinder gut zu kennen - alle paar hundert Meter steht gut sichtbar ein Radargerät auf dem Mittelstreifen und sorgt für zahmen Fahrstil. Ein bisschen durch die Küstenberge, ein bisschen entlang des Golfes von Oman - keine große Herausforderung für den Amarok.
Liegesitze als Alternative zum Zelt
Die beginnt ab dem Fischerdorf Fins. Dort geht es dann ab ins Gebirge zum Salmah Plateau. Es fängt ganz harmlos an, mit einem eher gemächlichen Aufstieg, der dann aber jäh steiler, kurviger, steiniger und enger wird. Man freut sich über jeden, der einem nicht entgegenkommt. Der Ausblick über die schroffe Landschaft mit ihren steinigen Tälern ist schlicht atemberaubend. Die ersten Ziegen und Dromedare nerven mit ihrer völligen Respektlosigkeit vor modernen Verkehrsmitteln. Ein kurzer Umweg führt nach Majlis Al Jinn, dem "Empfangsraum der Geister". Das rund 130 Meter tiefe Loch im Wüstenboden deutet allenfalls an, dass man dort über der zweitgrößten Höhle der Welt steht, in die problemlos eine ganze Flotte von Jumbo-Jets passen würde.
Weiter klettert die Karawane der mittlerweile gut eingestaubten Amarok in Richtung Hochplateau. Selbst 100-Prozent-Steigungen (45 Grad Neigungswinkel) sind bei voller Beladung möglich. Dazu kommen Böschungswinkel von 29 Grad vorne und 24 Grad hinten sowie ein Rampenwinkel von 23 Grad. Das mit der Wattiefe von einem halben Meter spielt hier im Gebirge nicht wirklich eine Rolle.
Sand, Sand und nochmal Sand
Hilfreich für den Anstieg in dieser Gegend, für die alle Reiseführer dringend zu geländegängigen Allradfahrzeugen raten, ist der neue, aus dem Audi A6 und A7 stammende V6-Turbodiesel unter der Haube des 5,25 Meter langen und 2,23 Meter breiten VW Amarok. Aus 2.967 ccm Hubraum liefert der neben ab 1.500 U/min. anliegenden 550 Nm Drehmoment eine Leistung von 165 kW/224 PS. Zusammen mit der 8-Gang-Automatik sorgt er für reichlich Schub und Durchzugskraft. Die offiziellen 7,6 Liter Verbrauch auf 100 Kilometer kann man hier im Gelände allerdings getrost vergessen.
Noch rechtzeitig vor dem Dunkelwerden ist das Tagesziel erreicht: Eine steinige kleine Ebene im Schatten der Reste von über 4.000 Jahre alten Turmgräbern. So richtig Geisterstimmung bleibt allerdings aus - zu beschäftigt ist die ganze Truppe damit, die Wurfzelte aus der staubdichten Cargo-Box aufzubauen, mit Steinen gegen das Wegwehen zu sichern und die Isomatten aufzublasen. Aber nicht jede Wirbelsäule ist für harten Steinboden dankbar - der Umzug auf die deutlich komfortableren Liegesitze im Amarok wird da schnell zur ernsthaften Alternative. Der Amarok hat Pluspunkte, die hätte man so nicht erwartet.
Am Morgen geht es früh weiter. Die Verluste halten sich in Grenzen: Nur eines der Zelte ist - leer - vom Winde verweht und nicht mehr auffindbar. Heute geht es zuerst zum Wadi bani Khalid, der wohl bekanntesten Oase im Oman. Sie führt mitten in der Gebirgswüste des Al Hajar das ganze Jahr über Wasser. Der türkisblaue Teich wimmelt von Fischen, die sich gierig auf alles Fressbare stürzen, das ihnen Besucher ins Wasser werfen. Hauptziel aber ist Scharqiyya Sands. Nach den Turnübungen im Geröll soll der Amarok nun zeigen, was er im Sandkasten draufhat. Die großen Dünen dort sind selbst auf dem Satellitenbild noch gut zu erkennen. Bevor es in diese Wüste geht, muss aus den Reifen allerdings erst einmal Luft abgelassen werden, um die Auflagefläche zu erhöhen. Dann führt der Weg in die 180 km lange und rund 80 km breite Sandwüste.
Wobei: "Weg" ist relativ. Geht es anfangs noch über eine breite Schotterpiste, folgt die Karawane bald nur noch den Reifenspuren auf einer nicht abgesteckten oder befestigten Route. Klingt schlimmer als es ist: Selbst hier sind mehrmals am Tag Fahrzeuge unterwegs. Und Gelegenheiten, durch und über die Dünen zu heizen gibt es links und rechts der Piste reichlich, bis abends das Tagesziel erreicht ist: das 1000 Nights Camp in einer kleinen Oase. Das Wüstencamp im Beduinenstil hat nicht nur ein modernes arabisches Restaurant mit Terrasse und ein wahrlich gestrandetes Piratenschiff als (alkoholfreie) Bar, sondern nach zwei Tagen Staub und Hitze etwas viel Wichtigeres: Duschen. Der nächste Tag bringt weitgehend eine Wiederholung des Programms vom Vortag - mit gleichem Spaßfaktor: Sand, Sand und nochmal Sand. In großem Bogen geht es durch Scharqiyya Sands zurück nach Norden, dorthin, wo die asphaltierten Straßen sind. Auch dabei wieder im Programm: Rauf auf die Sanddüne mit viel Schwung und Lenkgefühl. Spätestens beim dritten Anlauf ist das auch hier zu schaffen. Muskat selbst ist dann fast schon sowas wie ein Kulturschock: Rushhour, Stau und Stopp-and-Go-Verkehr. Und Schluss mit Stille, Weite, Ruhe und Sand.