Mit vollen Hosen ist gut stinken, weiß der Volksmund. Angesprochen auf den durchaus ambitionierten Preis der Velar First Edition von 108.750 Euro, heißt es bei Range Rover: „Die meisten sind schon verkauft!“ Garniert mit einem selbstsicheren Brexit-Lächeln, das die englische Premierministerin Theresa May neidisch machen würde, Allerdings hat dieses Sondermodell fast alles, was der Ausstattungskatalog hergibt, an Bord. Los geht es beim Velar D180 mit dem Vierzylinder Turbodiesel (132 kW / 180 PS) ab 56.400 Euro. Zum Vergleich: ein Porsche Cayenne Diesel (193 kW /262 PS) kostet mindestens 70.663 Euro und ein Mercedes GLE 250 d (150 kW / 204 PS) 54.561 Euro.
Beim Einsteigen in den Velar verblassen solche Preisvergleiche. Der Innenraum ist ausstaffiert mit feinstem Leder und eine wahre Klavierlack-Orgie ziert das Armaturenbrett. Da fällt es umso mehr ins Auge, dass in der Tür billig wirkende Hartplastik-Tasten die Sitzposition speichern. Auch der altertümliche Schlüssel ist nicht premium-like, sondern mit seinen einfachen Druckknöpfen ein Relikt aus der CD-Zeit, während BMW smartphoneähnliche Geräte verteilt. Das war es aber fast auch schon mit der Kritik: Das Cockpit ist fast vollständig von Knöpfen und Schaltern entschlackt, lediglich zwei 10,2 Zoll-Bildschirme befinden sich in der leicht ansteigenden Mittelkonsole. „Touch Pro Duo“ nennt Land Rover das im Velar serienmäßige System und mit dieser Entwicklung verwandelt der britische Autobauer eine ehemalige Schwäche zunehmend in eine Stärke.
Die beiden Bildschirme sind komplementär zueinander: Wenn oben die Navigation läuft, kann unten die Klimaanlage reguliert oder die Musikquelle ausgewählt werden. Die Drehknöpfe sind kontextorientiert und beeinflussen immer nur den angewählten Menüpunkt. Allerdings sind auch bei Range Rover die Bildschirm-Inhalte nicht frei konfigurierbar: Zum Beispiel wandert die Navigation in keinem Fall nach unten – ergäbe auch wegen der Fahrerablenkung wenig Sinn. Die Bedienung der Touchscreens ähnelt der eines Smartphones, hat zwar die eine oder andere Logik-Klippe, funktioniert aber deutlich besser, als bisher. Mit dem Lenkrad geht das haptische Festmahl weiter: Die Klavierlack-Bedienelemente reagieren auf leichte Berührungen, das neue Head-Up-Display ist gestochen scharf und die 12,3-Zoll TFT-Instrumententafel simuliert Drehzahlmesser und Tachometer hervorragend. Nur die Heizdrähte in der Windschutzscheibe stören, da gibt es bessere Lösungen, wie zum Beispiel eine durchsichtige Folie zwischen den beiden Glasplatten. Die Geräuschdämmung funktioniert im Zusammenspiel mit dem niedrigen cW-Wert: Im Inneren des Velar bleibt es auch bei hohen Geschwindigkeiten sehr leise.
Der Velar teilt sich die bekannte Aluminium -Architektur, die zu 80 Prozent aus Aluminium besteht, mit dem Jaguar F-Pace. Trotzdem wiegt der Testwagen noch knapp 1,9 Tonnen. Das Aluminium-Fahrwerk hat eine Vorderachse mit Doppelquerlenkern und einer Integrallenker-Achse hinten. Garniert wird das Ganze mit einer Luftfederung, die beim Öffnen der Türen die Karosserie um 40 Millimeter absenkt, um den Aus- oder Einstieg zu erleichtern. Dieses Detail wird in den USA sicher gut ankommen. Der Radstand von 2,87 Metern lässt auch vernünftige Raumverhältnisse zu. Hinten finden großgewachsene Personen Platz, nur jenseits der 1,90 Metern wird es um den Kopf herum eng. Das alles geht nicht zu Lasten des Kofferraums - der hat sehr ordentliches ein Volumen von 673 bis 1.731 Litern.
Auf der Straße schlägt sich der immerhin 4,80 Meter lange Velar beachtlich, ohne jedoch spitze Agilität eines Porsche Cayenne zu erreichen. In den Kurven ist kaum eine Wankneigung festzustellen, die Lenkung ist präzise, aber zu leichtgängig und hält sich beim Rapport über den Zustand der Straßenoberfläche englisch vornehm zurück. Obwohl der Velar straffer abgestimmt ist, als andere Range Rover, rollt er dennoch komfortabel geschmeidig ab. Zum ersten Mal kommt „Intelligent Driveline Dynamics“ (IDD / schon bei Jaguar in Verwendung) bei einem Range Rover zum Einsatz: Das System verteilt das Drehmoment je nach Fahrsituation mit Hilfe eines Torsen C-Differentials auf die jeweilige Achse und zwar bis zu 100 Prozent.
Zum Beispiel wird auf der Autobahn wird die ganze Kraft nach hinten geleitet, allerdings wird dabei die Vorderachse nicht abgekoppelt. Das Torque Vectoring realisiert der Velar per Bremseingriffen an den einzelnen Rädern. Im Gegensatz zum Technologie-Bruder Jaguar F-Pace verfügt der Velar außerdem über ein aktives Sperr-Differential an der Hinterachse. Die Komposition aus verschiedenen Fahrdynamik-Komponenten ist durchaus agil verleiht dem Velar eine entspannte Souveränität. Die schöpft der 280 kW / 380 PS Benziner bei weitem noch nicht aus, da sollte später ein Kompressor-V8 für angemessenen Vortrieb sorgen. Immerhin ist nach 5,7 Sekunden Landstraßen-Tempo erreicht, der Velar schafft 250 km/h und als Norm-Durchschnittsverbrauch gibt Range Rover 9,4 l/100 km an. Elektrifizierte Antriebsstränge sucht man beim Velar noch vergebens, aber irgendwo muss ja auch noch Raum für Verbesserungen sein.