Wie sich die Zeiten doch ändern können. Rolls-Royce Chef Torsten Müller-Ötvös hatte beim Thema Luxusgeländewagen mit einer legendären Emily auf dem Kühlerthron lange Zeit ebenso den Kopf geschüttelt wie hochrangige BMW-Verantwortliche. Doch ohne einen SUV im Modellprogramm kämpft selbst ein Nobelhersteller wie Rolls-Royce heutzutage mit stumpfen Waffen um die finanzstarke Kundschaft. Schließlich wurde der Bentley Bentayga vom Start weg zum Erfolgsmodell und auch Maybach plant für 2019 einen Luxuskraxler auf Basis des kommenden Mercedes GLS. Von unten sorgen bekannte und neue Modelle wie Range Rover, Lamborghini Urus, ein BMW X7 oder der Infiniti QX 80 gleichermaßen für Druck.

So wundert es nicht, dass die bayrischen Briten mit allerhand Verzögerung nun auch einen Luxusgeländewagen auf den Markt bringen. Sein Name ist das schiere Gegenteil von dezenter Zurückhaltung, ist der Name „Cullinan“ doch dem jemals größten gefundenen Diamanten entliehen, der in Südafrika mit einem Gewicht von über 3.100 Karat / 600 g Anfang des vergangenen Jahrhunderts entdeckt wurde. Allen Unkenrufen und Verzögerungen zum Trotz kann sich das Schlachtschiff aus Goodwood optisch wie technisch mehr als sehen lassen. Dem Team um Chefdesigner Giles Taylor ist es nach einigem hin und her der letzten fünf Jahre gelungen, das einzigartige Gesicht eines Rolls-Royce in einen Geländekreuzer zu transferieren. Der Auftritt des mächtigen Luxus-Geländewagen, gegen den der Dauerläufer Range Rover wie ein kleiner Schuljunge daherkommt, ist mehr als imposant. Dabei wirkt der Kühlergrill mit der sich in den Wind stemmenden Markenikone noch gigantischer als bei Modellen wie Phantom oder Wraith. Wie man es von den Luxuslimousinen im eigenen Hause bestens kennt, öffnen sich auch die Türen des Rolls-Royce Cullinan gegenläufig und geben ebenso markengerecht wie stilecht den Einstieg in die zweite Reihe frei.

„Wir wussten, dass wir unseren Kunden etwas anbieten mussten, was sie derzeit auf dem SUV Markt nicht finden konnten“, sagt Rolls-Royce-Chefdesigner Giles Taylor, „unsere Kunden akzeptieren in ihrem täglichen Leben keine Limits oder Kompromisse.“ Im Innenraum präsentiert sich der Cullinan so, wie man von einem Rolls-Royce kennt und wohl auch erwartet. Mächtige Sitze, edelstes Leder und imposante Hölzer erheben den Cullinan über alles, was man von einem Geländewagen bisher kannte. Etwas weniger Barock-Charme hätte einem komplett neu entwickelten Modell in einer bisher unbedienten Fahrzeugklasse jedoch als Designneustart der Marke durchaus gut getan. Allzu opulent wird das Armaturenbrett von großen Holzflächen und mächtigen Luftauslässen dominiert, die dem ganzen einen barocken Charme geben. Typisch Rolls-Royce, aber eben wenig modern oder gar innovativ.

Beim Antrieb gibt es erwartungsgemäß keine halben Sachen. Der edelste aller Geländewagen wir von einem doppelt aufgeladenen V12-Triebwerk mit 6,75 Litern Hubraum angetrieben, der 420 kW / 563 PS und ein maximales Drehmoment von 850 Nm entwickelt. Entliehen von anderen Modellen aus dem BMW-Portfolio ist der Cullinan dabei mit modernster Technik vollgepackt. So gibt es erstmals in einem Rolls-Royce nicht nur Allradantrieb, sondern auch eine Allradlenkung, die das Schlachtross deutlich agiler machen soll. Für maximalen Komfort und entsprechende Fahrdynamik gibt es nicht nur die Aluminiumkarosserie, die nennenswertes Gewicht spart, sondern eine neu entwickelte Fünflenker-Vorderachse, die in Verbindung mit einer Mehrlenkerkonstruktion hinten und einer entsprechenden Luftfederung höchsten Komfort garantieren soll. Mit Millionen von Rechenprozessen pro Sekunde erarbeitet die intelligente Bordelektronik in Abstimmung mit Dämpfersystemen, Beschleunigung und Kamerainformationen das bestmögliche Reisegefühl für die Insassen. Selbst die Achtgangautomatik greift auf Informationen aus Navigationssystem und Doppelkameras zurück, um ihre perfekten Schaltpunkte zu finden. Kombinierte Laser- / LED-Scheinwerfer erhellen den Bereich vor dem Cullinan bei Dunkelheit dabei bis zu einer Entfernung von 600 Metern.

Vieles davon bietet auch der neue Phantom, doch erstmals kann man mit einem Rolls-Royce Serienmodell auch abseits befestigter Straßen mit dem einzigartigen Komfortanspruch unterwegs sein. Für entsprechenden Vortrieb sorgen derweil nicht nur Allradantrieb und entsprechende Fahrprogramme, sondern auch die einstellbare Luftfederung, über die sich beliebig die Bodenfreiheit variieren lässt. Die maximale Wattiefe für Wasserdurchfahrten liegt bei 54 Zentimetern, sodass auch Bachläufe ohne Probleme und nasse Füße durchquert werden können.

<p>Keinerlei Wünsche lässt der Rolls-Royce Cullinan auch im Innenraum offen. Wahlweise gibt es den britischen Offroader für fünf oder vier Insassen; dann mit einer entsprechenden Einzelsitzanlage im Fond. Das Ladevolumen liegt bei mindestens 555 Litern. Wer die Rücksitze umlegt, kann Gegenstände bis zu einer Länge von 2,25 Metern einladen oder bis zu 1.930 Liter nutzen. Die zweiteilige Heckklappe kennt man bereits von Modellen wie dem BMW X5 oder vollelektrisch vom elitären Range Rover. Auf Wunsch lassen sich aus der Ladeklappe zwei lederne Einzelsitze nebst Tisch ausklappen, um ein Picknick im grünen zu genießen. Der Rolls-Royce Cullinan ist eben auf alles vorbereitet. Die Premiere ist für Ende des Jahres geplant; die ersten Fahrzeuge dürften allerdings kaum vor Anfang 2019 in den Handel kommen. Preislich dürfte sich der neue Rolls-Royce Cullinan nicht zuletzt an seinem Hauptwettbewerber Bentley Bentayga orientieren, der in der Zwölfzylinder-Topmotorisierung mit Komplettausstattung an der 300.000-Euro-Marke kratzt.</p>

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