Der Vorstand eines deutschen Autobauers macht aus seiner Meinung keinen Hehl. "Man sieht deutlich, wie die Chinesen jedes Jahr aufholen. Vor allem Marken, wie Haval machen einen guten Job", sagt der Top-Manager, bevor er sich auf den Weg macht, die Konkurrenz bei der Shanghai Auto Show zu begutachten. Den Fortschritt im Reich der Mitte sieht man auch am Veranstaltungsort: Wo früher Scharen von Menschen sich chaotisch unter stickiger Luft an schäbigen Messeständen entlangdrückten, zeigt sich heute ein gänzlich anderes Bild. Es schieben sich zwar immer noch viele Menschen durch die riesigen Hallen des Messezentrums, aber das Chaos, die schlechte Luft und die miserablen Bauten gehören der Vergangenheit an.

Gleiches gilt für die Autos. Die ausufernde Plagiat-Lust ist vorbei. Ja, man sieht sie noch die Land Rover Evoque- und Porsche Macan-Klone, wie zum Beispiel den Zotye SR 9. Aber die Strategie der chinesischen Hersteller, sich für sehr viel Geld internationales Know-how einzukaufen und so die Produkte stetig zu verbessern, zahlt sich zunehmend aus. Das gilt vor allem für das Design, da erkennt man die Fortschritte vor allem an den Studien, die sich im gleißenden Scheinwerferlicht drehen, die nichts mehr mit der barocken Formensprache vergangener Tage gemein haben. Statt Halogen-Funzeln blitzen schmale LED-Bänder angriffslustig gen Westen.

Das Zotye S-Concept würde auf europäischen Straßen anerkennende Blicke auf sich ziehen und die martialische Changan-Studie könnte genauso gut im nächsten Batman-Film als Fledermaus-Vehikel herhalten. Quiantu Motor tüftelt eifrig an seinen Elektro-Superportwagen K50, der demnächst Maßstäbe setzen soll. Haval zeigt ein ansehnliches SUV-Coupé und auch BYD lässt mit dem Dynasty die Muskeln spielen. Dagegen ist der mit Spannung erwartete Nio es8 designtechisch eher konventionell und daher eher enttäuschend. Da bieten andere ansprechendere Formen an. Doch das ist immer noch besser als die mäßige Vorstellung, die Qoros hinlegt. Der einstige Hoffnungsträger zeigte zwar die Elektro-Limousine K EV, der große Durchbruch will dem Autobauer aber dennoch bislang nicht gelingen.

Große SUV

Vor allem bei den Brot und Butter-Autos, die etwas abseits des hellsten Scheinwerferlicht standen, erkennt man, dass es um die Verarbeitungs-Qualität nicht immer zum Besten bestellt ist. Möglichst viele LED-Anzeigen im Cockpit und Konnektivität vertuschen nicht ganz akkurat eingesetzte Klappen oder schiefe Spaltmaße nur unzureichend. Trotz der Aufholjagd sind die Unterschiede zu den Modellen der europäischen und amerikanischen Volumen-Herstelle zumindest im Detail noch deutlich sichtbar.

Außerdem befindet sich die chinesische Automobilindustrie gerade auf einem Weg hin zu einer gefährlichen Monokultur: Der Trend zu immer größer werdenden SUVs ist unübersehbar. Status ist im Reich der Mitte nach wie vor extrem wichtig und der Wohlstand erreicht immer mehr Bevölkerungsschichten. Die typischen Kleinwagen, wie man sie noch vor Jahren auf chinesischen Messen sah, sind an den Rand gerückt. Auch große Limousinen spielen bei weitem nicht mehr die Hauptrolle.

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