Christian Senger platzt der Stolz aus jedem Knopfloch. "Das ist unser rolling chassis", sagt der Leiter Baureihe e-Mobility und grinst dabei so breit, wie ein Vater, der seinen Sohn eben die Schultüte in die Hand gedrückt hat. Das Baby des Bayern, der schon an der Entwicklung des 7er BMW beteiligt war, steht neben einer Art Sitzkiste des ersten Elektro VWs I.D., der auf einer eigenen Architektur steht - dem MEB (modularer Elektrifizierungsbaukasten). Das Rolling Chassis legt quasi das Skelett, die Nervenbahnen und die Muskeln des I.D. frei, der im Jahr 2020 erscheinen soll. Der Hut, sprich, die Karosserie fehlt "Der MEB ist eines der wichtigsten Projekte in der Geschichte von Volkswagen - ein Technologiesprung wie vom Käfer zum Golf", ergänzt Volkswagens E-Mobilitäts-Vorstand Thomas Ulbrich. Der Fahrplan steht: Bis 2025 sollen 25 Prozent der neuen Konzernmodelle elektrisch angetrieben sein - das sind 50 BEVs und 30 PHEVs. Bis 2030 wird es dann mindestens eine elektrische Version von jedem, der rund 300 Konzernmodelle geben. Dafür will VW 34 Milliarden Euro in die Hand nehmen.
Elektro-Crossover I.D. Crozz, ehe 2022 der langersehnte E-Bulli I.D. Buzz und die Limousine I.D. Vizzion den ersten Schwung der BEV-Offensive komplettieren. Wie der aktuelle MQB wird der neue Baukasten auch anderen Konzernmarken wie Audi, Seat, Skoda und auch der Nutzfahrzeugsparte zur Verfügung gestellt. So soll die Elektromobilität auch für breiteren Bevölkerungsschichten erschwinglich werden. "Electric for all" (elektrisch für alle) heißt der Slogan. Den Wolfsburgern ist klar: Der Erfolg der Elektromobilität führt über den Geldbeutel der Autofahrer. Deswegen peilt VW beim I.D. einen Preis von unter 30.000 Euro an. Um das zu erreichen, wird die MEB-Plattform konsequent auf Synergieeffekte sowie Skalierbarkeit getrimmt und ein vereinfachtes Batteriesystem eingesetzt, dass die Kosten reduziert.
Die Zeit drängt. Also wird VW schon 2019 mit dem Vorverkauf des I.D.-Modells beginnen, um die Elektromobilitätskunden bei der Stange zu halten. Schließlich haben Tesla mit Model S, X und 3 oder Jaguar mit dem i-Pace bereits die ersten Stromer auf dem Markt. Weitere werden folgen und in Märkten wie China oder Norwegen nimmt die Elektromobilität langsam aber sicher an Fahrt auf. Im skandinavischen Land soll Ende des Jahres der Anteil der BEVs bereits mehr als 30 Prozent betragen und im Reich der Mitte wurden in den ersten drei Monaten dieses Jahres rund 140.000 elektrifizierte Fahrzeuge zugelassen. Auch in Europa und den USA legen die Zahlen zu. Aktuell beläuft sich die Lieferzeit für den e-Golf auf sieben Monate und das, obwohl der niedersächsische Autobauer die Produktion von 120 auf 160 Modellen pro Tag hochgefahren hat.
Offen für fast alles
Gegen den I.D. sind das kleine Fische, da sollen ab 2020 pro Tag 1.500 elektrische Fahrzeuge vom Band der Fabrik in Zwickau laufen und bis 2025 soll rund eine Million Mitglieder der I.D.-Familie pro Jahr verkauft werden. Insgesamt sollen rund zehn Millionen Fahrzeuge der vier genannten Konzernmarken auf dem I.D-Baukasten basieren. Das Spektrum der MEB-Modelle wird dabei ähnlich groß sein wie das der heutigen Fahrzeuge auf Basis des Modulen Querbaukastens (MQB) - das bedeutet vom Polo bis hin zum Fünf-Meter Crossover VW Atlas. "Bis 2022 laufen bei uns weltweit 27 MEB-Fahrzeuge von vier Konzernmarken an", verkündet Thomas Ulbrich. Hochfliegende Ziele.
Der MEB wird sich in jeder Hinsicht von den aktuellen Architekturen unterscheiden. So wird die sich die Anzahl der Steuergeräte deutlich reduziert werden. In Zukunft sollen alle Funktionen über die zentrale Elektronikarchitektur namens "E3" und das dazugehörige Betriebssystem "vw.OS" gesteuert werden. Die E3-Architektur wird getreu dem Apple- oder Android-Vorbild für App-Entwickler freigegeben, die dann spezielle Programme entwerfen können, was wiederum zu einer Vielzahl von Funktionen, deren Anzahl, die eines aktuellen Autos weit übertreffen, führt. "Der I.D. wird ein rollendes Tablet", sagt Christian Senger.Um diese ganzen aufwendigen Rechenoperationen zu steuern werden einige leistungsstarke Computerchips Teil der E3-Architektur sein. Dass auch Updates - sowohl der Hard- als auch Software - stattfinden werden, ist Teil des Konzepts.
Die Power für diesen mobilen Hightech-Computer kommt aus Batterien, die skalierbar sind. Die MEB-Modelle werden mit verschiedenen Batteriekapazitäten für Reichweiten von 330 bis mehr als 550 Kilometer (gemessen nach dem WLTP-Zyklus) erhältlich sein. Wer mit seinem Wagen hauptsächlich in der Stadt unterwegs sein, lässt sich Akkus mit weniger Kapazitäten einbauen, wer längere Strecken zurücklegt, logischerweise größere. Im Klartext bedeutet dies, dass mehr Reichweite bezahlt werden muss. Geladen wird mit Schnellladern des Ionity-Netzwerks: Die Akkus der I.D.-Familie werden zunächst mit maximal 125 kW innerhalb von einer halben Stunde zu 80 Prozent geladen sein.