Klotzen, nicht kleckern: Wenn BYD etwas macht, dann richtig. Deshalb haben die Chinesen in der Hauptstadt der Provinz Henan eine der größten Automobilfabriken der Welt aus dem Boden gestampft. Wolfsburg ist dagegen ein Dorf.
Thomas GeigerThomasGeiger
4 min
Aus der Luft wird das gigantische Ausmaß des BYD-Werks sichtbar.BYD
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Die Stadt hat rund 12
Millionen Einwohner, hierzulande hat von Zhengzhou noch kaum jemand gehört.
Bislang zumindest. In der Autowelt macht sich die Hauptstadt der Provinz
Henan gerade einen großen Namen. Denn hier an den Ufern des Gelben Flusses auf
halbem Weg zwischen Peking und Shanghai hat BYD den Motor angeworfen, der die
Chinesen scheinbar unaufhaltsam an die Spitze der Weltrangliste bringt. Die
Nummer 1 unter den so genannten NEV-Herstellern mit elektrifizierten Antrieben
jedweder Form sind sie bereits und im dritten Quartal 2025 haben sie mit 3,3
Millionen verkauften Fahrzeugen auch im Gesamtranking hinter Toyota und VW den
dritten Platz erobert. Den Erzrivalen Tesla haben sie damit abgehängt – auch
finanziell. So hat BYD im letzten Jahr rund 107 Milliarden Dollar erwirtschaftet
und ist den Amerikanern damit etwa zehn 10 Milliarden voraus.
BYDs Wachstumsmotor in Zhengzhou
Die Stadt Zhengzhou, mit einer Bevölkerung von rund 12 Millionen Menschen, ist ein aufstrebendes Zentrum in der Automobilwelt, insbesondere durch die Präsenz von BYD. Das Unternehmen hat hier ein Werk errichtet, das bereits 545.000 Autos jährlich produziert und in Zukunft über eine Million Fahrzeuge herstellen soll.
BYD beschäftigt in diesem Werk knapp 60.000 Mitarbeiter, mit Plänen, diese Zahl auf bis zu 200.000 zu erhöhen. Viele dieser Mitarbeiter leben direkt auf dem Werksgelände, das mit Wohnanlagen, Freizeit- und Versorgungseinrichtungen ausgestattet ist.
Das Werk in Zhengzhou ist nicht nur ein Produktionsstandort, sondern auch ein geschlossenes Ökosystem, das Schulen und Kliniken umfasst. Diese Struktur ist in China üblich und stellt einen Wettbewerbsvorteil dar, da Unternehmen um qualifiziertes Personal konkurrieren müssen.
Diese Infobox wurde von Labrador AI generiert und von einem Journalisten geprüft.
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Um den wachsenden Bedarf an
BYD-Modellen zu befriedigen und sich für die letzte Etappe auf dem Weg zum
erklärten Ziel „Weltspitze“ zu rüsten, haben sie hier eine Stunde außerhalb des
Stadtzentrums in nur zehn Monaten ein Werk aus dem Boden gestampft, das schon
jetzt 545.000 Autos im Jahr produziert. Wenn vermutlich in zwei Jahren alle
acht Bauphasen abgeschlossen und insgesamt über eine Milliarde Euro investiert
sind, dann soll die Kapazität bei mehr als einer Million Fahrzeugen liegen und
könnte so ein Viertel des aktuellen Volumens der weltweiten BYD-Verkäufe
abdecken.
Auf einer Fläche von rund elf
mal elf Kilometern wird sich das Gelände dann auf etwa 130 Quadratkilometern
erstrecken. Damit wäre das Werk größer als das Stadtgebiet von San Francisco,
und Teslas Gigafactory in Nevada könnte man auf dem BYD-Areal in Zhengzhou
zehnmal nachbauen. Selbst wenn diese Superlative in der EV-Szene und von
Analysten laut hinterfragt werden, hat das Areal unbestritten gewaltige
Ausmaße. Busfahrten dauern eine kleine Ewigkeit. Das
VW-Stammwerk in Wolfsburg oder Opel in Rüsselsheim wirken dagegen wie
Kleingewerbe.
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Erst 2021 geplant und
entschieden, hat der Bau im April 2022 beginnen und bereits im Februar 2023 ist
hier das erste Auto vom Band gelaufen. Jetzt, wo Phase Fünf abgeschlossen ist,
kommt rein rechnerisch jede Minute ein weiteres dazu. Später soll hier sogar
alle 30 Sekunden ein neuer BYD vom Band laufen.
Wie üblich bei neuen Werken hat auch BYD nicht nur eine digitale Steuerung eingerichtet und Papier
weitgehend aus der Fabrik verbannt. Sondern auch Nachhaltigkeit war den
Chinesen wichtig: Auf dem Dach sind deshalb über 100.000 Quadratmeter Solarpanel
installiert und mit aufbereitetem Regenwasser reduziert das Werk seinen Bedarf
an Frischwasser um 40 Prozent. Verglichen mit einer konventionellen Fabrik
ähnlicher Größe verspricht BYD insgesamt rund 120.000 Tonnen weniger
CO2-Emissionen pro Jahr.
Vom Kleinwagen bis zum Geländewagen wird alles gebaut
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In drei Schichten von acht
Stunden an sechs Tagen pro Woche produziert BYD hier einen bunten Mix aus
seinem breiten Portfolio: Sie bauen den Kleinwagen Dolphin Surf, den Pick-Up
Shark, die Mittelklassemodelle Seal7 und Song genau wie die Geländewagen der
Marke Fangchengbao, die bei uns schon im nächsten Jahr unter der Flagge der
Luxustochter Denza in den Handel kommen sollen. Und viele diese Autos gibt es
wahlweise als Plug-in-Hybriden oder rein elektrisch, so dass sie hier auch alle
Antriebsarten handeln müssen – Verbrenner und E-Maschinen, Benzintanks und
Batterien. Nicht umsonst stehen in der Endmontage kurz vor dem Bandablauf Tank-
und Ladesäulen einträchtig nebeneinander.
Aktuell produzieren wir hier acht verschiedene Fahrzeuge und können auf nahezu jedem Band fast jedes Auto fertigen
Weil die Modell-, Marken- und
Motorpalette so vielfältig ist, hat BYD das Werk auf maximale Flexibilität
ausgelegt. „Aktuell produzieren wir hier acht verschiedene Fahrzeuge und können
auf nahezu jedem Band fast jedes Auto fertigen“, sagt die junge Dame aus der
Werksleitung, während hinter ihr in bunten Mix Kleinwagen SUV und Pick-Ups
durch die Endkontrolle auf eine kurze Marterstrecke rollen.
Fünf Presswerke und Montage auf 16 Linien
16 Linien gibt es in der MontageGeiger
Dabei betreibt BYD in
Zhengzhou nicht nur die Montage auf imposanten 16 Linien, die weitgehend von KI-Software gesteuert werden und deshalb mit selbstlernenden Robotern bestückt
sind. Sondern der 1995 als Batteriewerksatt gegründete Autohersteller hat auf
dem riesigen Areal den gesamten Prozess installiert. Es gibt deshalb allein
fünf hoch automatisierte Presswerke und rund ein Drittel des
Geländes nimmt die Akku-Fertigung ein. Hier produziert der
Elektro-Weltmeister mit einer installierten Kapazität von 40 Gigawattstunden seine Blade-Batterien. Und was sie davon in Zhengzhou nicht verbauen, das geht
in die acht anderen Fahrzeugwerke in China und an Kunden wie Tesla.
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Auch deshalb ist der Standort
Zhengzhou gut gewählt. Er ist ein zentraler Knotenpunkt nicht nur im Autobahn-,
sondern auch im Schienennetz der Volksrepublik und mit dem eigenen Bahnhof auf
dem Werk und einer Direktverbindung in den Hafen von Shanghai hat BYD
die Exportzeit um 20 Prozent verkürzt.
Mitarbeiter wohnen auf dem Werksgelände
Aber für sein größtes Werk
hat BYD nicht nur jede Menge Boden umgegraben, Beton vergossen und Maschinen
aufgebaut. Auch die Belegschaft ist immens: Knapp 60.000 Mitarbeiter haben die
Chinesen angeheuert, um den Motor ihres Wachstums am Laufen zu halten. Zwar
gibt es dafür keine offizielle Bestätigung, doch mittelfristig sollen hier
sogar 200.000 Menschen arbeiten. Das wären mehr, als die Einwohner von
Wolfsburg oder Ingolstadt .
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Wie üblich im Reich der Mitte
wohnen die meisten davon direkt im Werk. Deshalb gibt es entlang des über
hundert Kilometer langen Straßennetzes auf dem Areal nicht nur Dutzende
Produktionshallen, sondern eben auch riesige Wohntürme sowie Freizeit- und Versorgungseinrichtungen
vom Sportplatz bis zum Supermarkt. Selbst Schulen und Kliniken haben sie hier
eingerichtet.
Eine Stadt mit
angeschlossener Automobilproduktion oder ein Automobilwerk mit einer eigenen
Kleinstadt – solch geschlossene Öko-Systeme sind üblich in China und
mittlerweile zu einem eigenen Wettbewerbsfaktor geworden. Denn auch wenn das
Land 1,4 Milliarden Einwohner hat, müssen die Hersteller um Personal buhlen.
Erst recht in Industriezentren wie Zhengzhou. Zwar ist BYD dort der einzige
Autohersteller, doch gibt es in der Stadt unter anderem zahlreiche Stahlwerke
und Foxcon betreibt hier die größte iPhone-Fabrik der Welt.
Wer Autos mag, für den ist das hier wie Disneyland.
Stella Li, Vizepräsidentin BYD
Zwar gibt sich BYD auf dem
Werksgelände vergleichsweise verschlossen, lässt viele Fragen unbeantwortet und
reglementiert den Besucherverkehr strenger als die Zöllner am Flughafen
Shanghai oder Peking die Einreise. Doch an einer Ecke des gewaltigen Geländes
betreiben die Chinesen dafür umso mehr Außenwerbung. Dort haben sie in einem
vierstöckigen Glaspalast nicht nur ein Konferenz- und Ausstellungszentrum
eingerichtet, sondern drum herum auch eine Test- und Demonstrationstrecke
installiert die maßgeschneidert ist für die einzelnen Modelle. Auf der
Rennstrecke dreht deshalb der Supersportwagen Yangwang U9 seine Runden, der in
der 3 000 PS starken Extreme-Version mit 496,22 km/h gerade den
Geschwindigkeits-Weltrekord für Serienfahrzeuge aufgestellt hat. Ein paar
Marterpisten weiter beweist der Geländewagen U8 in einem riesigen Becken, dass
er tatsächlich schwimmen kann. Und was von weitem wie eine Skihalle 30 Meter in
den grauen Himmel wächst, ist in Wahrheit eine künstliche Sanddüne, auf der die
Testfahrer ihre elektrischen SUV eine 100 Prozent-Steigung hinauf prügeln
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„Wer Autos mag, für den
ist das hier wie Disneyland,“ sagt Konzernchefin Stella Li und legt sich nach
Tesla so gleich noch mit dem nächsten US-Giganten an. Sicherheitshalber rudert
ihr Team aber gleich wieder zurück: Mit der elektrischen Revolution haben sie
hier genug zu tun, als dass sie jetzt auch noch einen Themenpark bauen wollten.