
„Führung ist heute keine Frage von Hierarchien, sondern von Haltung,“ beschreibt Horstmeier den Kern ihrer Führungsphilosophie. (Bild: BMW Group)
Frau Horstmeier, die BMW Group verfolgt ehrgeizige Ziele in Bezug auf die Reduktion von CO2-Emissionen. Wie stellen Sie sicher, dass dies nicht nur in der Führungsebene verankert bleibt, sondern auch operativ gelebt wird?
Zunächst einmal ist es wichtig zu verstehen, dass verantwortungsvolles Handeln bei BMW kein neues Thema ist. Bereits in den 1970er Jahren haben wir als eines der ersten deutschen Unternehmen einen Umweltschutzbeauftragten eingeführt. Seitdem ist viel passiert. Die Elektrifizierung und die Dekarbonisierung sind fester Bestandteil unserer Unternehmensstrategie. Es geht jedoch nicht nur um Strategien und Zielvorgaben, sondern auch darum, den Kopf und das Herz der Menschen zu erreichen. Die Belegschaft muss verstehen, warum dieser Wandel wichtig ist. Wir setzen klare Ziele: Bis 2030 wollen wir im Vergleich zu 2019 unseren gesamten CO2- Fußabdruck pro Fahrzeug über den gesamten Lebenszyklus um 40 Prozent reduzieren. Und diese Ziele integrieren wir dann in die Vorstandsvergütung. Glaubwürdigkeit entsteht aber erst, wenn wir zeigen, dass diese Strategien konsequent umgesetzt werden. Zum Beispiel haben wir in Dingolfing bereits vor Jahren eine Batteriefertigung aufgebaut. Solche Meilensteine schaffen Vertrauen und zeigen, dass wir als Unternehmen nicht nur den Wandel fordern, sondern aktiv vorantreiben.
Ein solches Vertrauen ist entscheidend, gerade bei der Transformation des Stammwerks in München. Welche Rolle spielt dabei die Kommunikation mit den Mitarbeitenden?
Kommunikation ist in solchen Prozessen der Schlüssel. Als wir 2020 ankündigten, das Werk in München zu transformieren, war uns klar, dass dies für die Belegschaft eine große Herausforderung darstellt. Wir haben die Mitarbeitenden von Anfang an eingebunden und ihnen Perspektiven aufgezeigt. Heute, nur vier Jahre danach, steht dort bereits das neue Gebäude für die Neue Klasse. Solche Entwicklungen zeigen, dass Wandel machbar ist – wenn man die Menschen mitnimmt.
Qualifizierung und internationale Vernetzung
Die digitale Transformation bringt massive Veränderungen für Arbeitsplätze mit sich. Wie bereitet die BMW Group ihre Mitarbeitenden darauf vor?
Wir investieren jährlich über 400 Millionen Euro in Aus- und Weiterbildung. Ein Beispiel ist unsere Digital Boost-Initiative, die 80.000 Mitarbeitende in Grundkenntnissen der Digitalisierung geschult hat – von KI über Cybersecurity bis hin zu Cloud-Technologien. Zusätzlich schaffen wir Orte, an denen Teams neue Tools ausprobieren und praktische Erfahrungen sammeln können. Es ist entscheidend, nicht nur Wissen zu vermitteln, sondern auch Räume für Kreativität und Erprobung zu bieten.
Wie fördern Sie die kulturelle und fachliche Integration der Mitarbeitenden im internationalen Produktionsnetzwerk?
Unser Netzwerk ist ein zentraler Baustein der Transformation. Ein Beispiel ist der Austausch zwischen unseren Standorten. Fachkräfte aus Mexiko und Bayern arbeiten in Ungarn, um dort die Belegschaft zu schulen, und bringen ihre Erfahrungen später wieder in ihre Heimatwerke ein. Dieser Austausch baut Vorurteile ab, fördert kulturelles Verständnis und unterstützt die Integration neuer Technologien.


„Unsere Attraktivität als Arbeitgeber basiert darauf, dass wir Herausforderungen bieten, die technologisch anspruchsvoll und gesellschaftlich relevant sind.“
Stichwort Recruiting: Wie gelingt es der BMW Group, im globalen Wettbewerb um Talente zu bestehen?
Unsere Attraktivität als Arbeitgeber basiert darauf, dass wir Herausforderungen bieten, die technologisch anspruchsvoll und gesellschaftlich relevant sind. Dafür befähigen wir unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, schaffen gute Arbeits- und Entwicklungsmöglichkeiten, bezahlen gut und fair und sind auch in schwierigen Zeiten ein verlässlicher Arbeitgeber. Beim Recruiting spielen digitale Plattformen mittlerweile eine zentrale Rolle. Wir nutzen virtuelle Karrieremessen, zeitversetzte Interviews und digitale Tools wie Chatbots, um weltweit Talente zu gewinnen. Gleichzeitig setzen wir auf regionale IT-Hubs in Portugal, Südafrika, China und Indien, um direkt vor Ort mit den besten Talenten zu arbeiten.

Führung in Zeiten des Wandels
Verantwortung und Vertrauen sind Schlüsselbegriffe Ihrer Führungskultur. Welche Erwartungen haben Sie an Ihre Führungskräfte?
Führung ist heute keine Frage von Hierarchien, sondern von Haltung. Empathie und emotionale Kompetenz sind essenziell, um Mitarbeitende in unsicheren Zeiten mitzunehmen. Gleichzeitig erwarten wir Entscheidungsfreude und Umsetzungsstärke. Die Welt dreht sich schneller, und die Herausforderungen werden komplexer. Deshalb müssen Führungskräfte für Resilienz sorgen und bereit sein, kontinuierlich zu lernen, das gilt für sie selbst und auch für die Teams, die sie führen.
Was motiviert Sie persönlich, diesen Wandel voranzutreiben?
Die Verantwortung, Teil eines Teams zu sein, das ein über einhundert Jahre altes Unternehmen in die Zukunft führt, ist eine große Motivation. BMW war schon immer ein Vorreiter in der Industrie, und diese Rolle treibt uns an. Wir machen die BMW Group elektrisch, digital und zirkulär, um die individuelle Mobilität in die Zukunft zu führen. Dafür arbeiten unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weltweit mit hoher Kompetenz und Leidenschaft.
Zur Person:

Ilka Horstmeier, geboren im Mai 1969 in Duisburg, studierte von 1988 bis 1994 Betriebswirtschaftslehre an der Universität des Saarlandes in Saarbrücken und schloss ihr Studium als Diplom-Kauffrau ab. Ihre Karriere bei der BMW Group begann sie 1995 als Trainee. Anschließend übernahm sie verschiedene Positionen im Unternehmen, darunter Referentin für Personal- und Organisationsentwicklung im Werk München (1995–1997) sowie Leiterin des Projektbüros Arbeitsstrukturen und Steuerung Karosseriebau (1997–2000). Ab 2001 verantwortete sie im BMW Forschungs- und Innovationszentrum die Strategieentwicklung für Produktionskonzepte. In den folgenden Jahren bekleidete sie leitende Funktionen in Produktion und Logistik in den Werken Dingolfing und Regensburg (2005–2009) sowie in der Motorenproduktion in München (2010–2011). Von 2013 bis 2018 war Ilka Horstmeier Leiterin der Produktion und Planung von Motoren und E-Antrieben, bevor sie von 2018 bis Oktober 2019 die Leitung des BMW Group Werks Dingolfing übernahm. Seit dem 1. November 2019 ist sie Mitglied des Vorstands der BMW AG und verantwortet dort die Bereiche Personal und Immobilien als Arbeitsdirektorin.