Thomas Hausch, Sono Motors

Thomas Hausch: "Der enge und laufende Austausch mit unserer Community ist uns unglaublich wichtig." (Bild: Sono Motors)

Herr Hausch, Sie waren im Laufe Ihrer Karriere bereits bei großen Herstellern wie Daimler, Chrysler oder Nissan. Dann folgte 2018 der Wechsel zum Startup Sono Motors. Wie kam es zu diesem durchaus mutigen Schritt?

Eigentlich bin ich diesen Schritt vom Großkonzern zum kleinen Autobauer schon vor zehn Jahren gegangen. Die Branche hatte die Elektromobilität langsam entdeckt – und auch die Notwendigkeit für ein Umdenken verstanden. Da hatte ich mich entschlossen, Chrysler zu verlassen und zum kleinen kalifornischen E-Autobauer Coda zu gehen. Dann war ich fünf Jahre bei Nissan, immerhin damals weltgrößter Hersteller von Elektroautos. 2017 habe ich auf dem Genfer Salon dann Laurin und Jona (Laurin Hahn und Jona Christians, Gründer von Sono Motors, Anm.d.Red.) kennengelernt. Was mich direkt begeistert hatte, war das Verständnis der beiden, was es braucht, um wirklich jedem ein Elektroauto zugänglich zu machen – unabhängig vom eigenen Haus und Garten oder Bankkonto. Da fiel es mir am Ende nicht schwer, mich für Sono Motors zu entscheiden.

Zur Geschichte gehört aber auch, dass das junge Unternehmen bereits in existenziellen Schwierigkeiten gesteckt hat. Ein Umstand, mit dem Sie angenehm offen umgehen…

Es freut mich, dass Sie das so positiv wahrnehmen. Wir haben tatsächlich in unserem Arbeits-Messenger einen Kanal namens Genius. Dort kann jeder Mitarbeiter schreiben, was er verbockt hat. Eine gute Art, öffentlich Abbitte zu leisten (lacht). Aber ja, es sah Ende 2019 nicht gut aus. Wir hatten damals einen Investor, der uns in eine schwierige Situation gebracht hat. Wir hätten Entscheidungen treffen müssen, die das Projekt letztlich hätten gefährden können – bis zu dem Punkt, an dem das Fahrzeug womöglich nie auf den Markt gekommen wäre. Damals haben wir uns dazu entschieden, offen an unsere Community zu treten und zu sagen: Wir sind in Schwierigkeiten. Das hat wunderbar funktioniert, dafür sind wir sehr dankbar. Eine Crowdfunding-Kampagne hat uns dann maßgeblich geholfen, wieder in die Spur zu kommen.

Ihr erstes Modell Sion wurde bereits frühzeitig tausendfach vorbestellt. War das womöglich nicht nur Chance und Lob, sondern auch eine Bürde?

Es ist noch immer beides. Unsere Community gibt uns unglaublich viel Rückenwind. Wir pflegen einen sehr engen Austausch, über Social Media oder persönliche Treffen. 13.000 Reservierungen nötigen auch den etablierten OEMs eine gehörige Portion Anerkennung ab, wir werden als ernstzunehmender Player respektiert. Aber natürlich spüren wir dadurch den Druck, den Sion schnell auf den Markt bringen zu müssen. Davon dürfen wir uns allerdings nicht treiben lassen. Wir werden nicht an der Qualität sparen oder die Kosten in die Höhe treiben, nur um schneller am Markt zu sein.

Sie stellen Ihre Community nicht erst seit dem Crowdfunding-Projekt in besonderem Maße in den Fokus, haben etwa einen eigenen Sitz in Ihrem Beirat für Ihre Kundschaft geschaffen…

Der enge und laufende Austausch mit unserer Community ist uns unglaublich wichtig. Wir haben zum Beispiel unsere Kunden über die Farbe des Wagens abstimmen lassen: weiß oder schwarz? Eine knappe Mehrheit stimmte letztlich für schwarz. Aber wissen sie was? Alle, die weiß wollten, sind letztlich trotzdem bei ihrem Sion geblieben. Das zeigt, dass wir uns nicht über die Farbe oder andere hedonistische Themen identifizieren. Bei uns und unserer Community steht der Nutzen des Autos ganz klar im Vordergrund.

Auch die Farbe der Felgen oder die Form der Scheinwerfer haben wir zur Abstimmung gestellt. Wir haben auch unglaublich viele Erkenntnisse aus den über 13.000 Testfahrten gezogen, die Kunden gemacht haben. Da haben wir jetzt in der dritten Generation unserer Konzeptfahrzeuge zum Beispiel ein weiteres Fenster hinter der C-Säule eingebaut, weil der Wunsch nach mehr Rundumblick immer wieder aufkam. Das sind Erkenntnisse, die direkt vom Kunden kommen und die man in der klassischen Autoindustrie so nicht hat. Natürlich werden dort auch Kliniken gemacht. Aber keine 13.000 Testfahrten mit einem Fahrzeug, das noch nicht einmal der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Und genau diesen Austausch haben wir jetzt mit einem Sitz in unserem Beirat institutionalisiert. Und auch dieser Kundenvertreter wurde übrigens von unserer Community gewählt.

Sie haben im Januar einen seriennahen Prototyp vorgestellt. Sind Sie guter Dinge, dass der Sion im kommenden Jahr auf die Straße kommen wird?

Unser Prototyp ist im Entwicklungsjargon eher ein „Mule“, also ein Versuchsträger. Allerdings haben wir diesen bewusst so aufgebaut, dass der Kunde sowohl außen als auch im Interieur weitestgehend das Endresultat erkennen kann. Noch haben wir nicht alle serienmäßigen Teile verbaut. Der Motor von Vitesco steht bereits. Ebenso entspricht die Chassis-Geometrie der im Serienfahrzeug. Nichtsdestotrotz müssen wir natürlich feststellen, dass uns die Coronapandemie etwas zurückgeworfen hat. Daher gehen wir derzeit von einem Produktionsstart im ersten Halbjahr 2023 aus.

Sie haben mal gesagt, die Branche unterschätzt heute die Kraft der Sonne, so wie sie vor Jahren das Potenzial der E-Mobilität unterschätzt hat. Lässt sich die Idee von Sono Motors denn im großen Stil skalieren?

Eindeutig ja. Was beim Thema Solarmobilität meines Erachtens oft unterschätzt wird, ist die Menge an Energie, die man tatsächlich aus der Sonne ziehen kann. Bei durchschnittlichem Wetter in München zum Beispiel, erreichen wir eine Fahrleistung von 5.800 Kilometern jährlich nur aus der Sonne. Der durchschnittliche Deutsche legt pro Jahr 14.000 Kilometer zurück. Damit könnte man bereits fast die Hälfte dieser Strecke pro Jahr mit der Kraft der Sonne zurücklegen. Und nimmt man weiter an, dass der durchschnittliche Pendler in der Stadt pro Tag rund 16 Kilometer zurücklegt, dann könnte diese Strecke sogar vollständig über unsere Solarpanels nachgeladen werden. Für Pendler wäre das also eine unglaubliche Erleichterung und gleichzeitig hätten wir einen der größten Emissionstreiber in den Städten eliminiert. Aber zu Ihrer Frage: Ja, wir sind der Überzeugung, das Solarpanels für Elektroautos grundsätzlich Sinn ergeben. Es ist einfach sinnvoll, die Außenhaut eines E-Autos zu nutzen. Und dafür liefern wir nun eine Technologie.

Thomas Hausch, Sono Motors
Thomas Hausch: "Bei uns und unserer Community steht der Nutzen des Autos ganz klar im Vordergrund." (Bild: Sono Motors)

Welche Herausforderungen ergeben sich gerade bei der Fertigung? Das ist mit den Solarpanels sicherlich nicht trivial…

Unsere Produktion ist tatsächlich eher klassisch: Der Sion baut auf einem Aluminium-Spaceframe auf, der auf einer Schweißroboterlinie aus Profilen geschweißt wird. Dazu kommen unsere drei USPs: Das wäre zum einen die Hardwarelösung für unsere Sharing-Funktion, die serienmäßig mit verbaut wird. Zum anderen ist das unser On-Board-Charger für bidirektionales Laden. Auch das ist ein normales Elektrobauteil wie in jedem anderen E-Auto auch, nur dass es bidirektional auf Wechselstrom gehen kann. Und schließlich die Solarpanels. Dabei handelt es sich um keine Starkstrom-Panels. Wir machen das Fahrzeug für Service oder Produktion nicht komplexer oder gefährlicher als ein herkömmliches Elektroauto. Da sprechen wir also über ganz normale elektrische Flüsse.

Für unsere Solarpanels selbst nutzen wir im Großen und Ganzen die typischen Maschinen der Kunststoffspritzgusstechnik. Da möchte ich verständlicherweise nicht zu sehr ins Detail gehen. Nur so viel: Über diverse Methoden, die Materialauswahl und Fördermöglichkeiten haben wir es geschafft, die Solarzellen mit dem Grundprozess der Kunststoffeinspritzung zusammenzubringen.

Das Thema Kosten ist bereits mehrfach angeklungen. Um den Preis des Sion niedrig zu halten, fahren Sie eine ausgeprägte Asset-Light-Strategie: Kein Händlernetz, kein eigenes Werk. Und die Komplexität reduzieren Sie, indem Sie lediglich eine einzige Ausstattungsvariante des Sion anbieten. Können Sie auch langfristig auf diese Strategie setzen? Sie haben doch sicher Expansionsziele in der Schublade?

Das geht sicherlich nicht für 100 Prozent des Weltmarktes. Aber wir streben auch gar keine globale Marktführerschaft in dem Bereich an. Schauen Sie: Die rund 13.000 Vorbestellungen des Sion stehen bereits für fünf Prozent des Lebenszyklusvolumens. Das ist eine signifikante Zahl, das Jahr des Ramp-ups ist damit im Grunde ausverkauft. Das macht die Prognose für uns etwas leichter. Natürlich sehen wir weltweit mehr Potenzial für Solarfahrzeuge als nur in Europa. Dafür planen wir ja auch mehrere Modelle, auch wenn ich Ihnen dazu heute natürlich noch nicht mehr sagen kann.

Was die Individualisierung betrifft: Die ist natürlich auch beim Sion möglich, nur eben nicht ab Werk. Über unser Open-Service-System lassen sich jederzeit Ersatzteile oder Individualisierungen nachbestellen und vom Kunden selbst einbauen. Nicht jedes Fahrzeug muss gleich aussehen. Aber lassen Sie mich noch einen Punkt zu unserer Positionierung deutlich machen: Wir haben den Sion bewusst so gebaut, dass man ihn über die Sharing- und Ridepooling-Funktion auch gern hergibt und teilt. Je mehr Individualisierung in einem Fahrzeug, desto weniger gern teile ich mein Auto mit anderen.

Unsere Kundschaft definiert sich aber nicht über das Statussymbol Auto, sondern über den Nutzwert nachhaltiger Mobilität. Da wir unsere Solarpanels aber auch anderen Herstellern anbieten, könnte der Wunsch nach einem individualisierbaren Solarfahrzeug trotzdem bedient werden, nur eben nicht von uns.

Das ist ein gutes Stichwort. Sono Motors hat im Grunde zwei Geschäftsmodelle: der Verkauf eigener Fahrzeuge und die Lizensierung der Solarpanels an andere Hersteller. Sie sind damit gewissermaßen Zulieferer und Autobauer gleichzeitig. Womit werden Sie perspektivisch mehr Geld verdienen?

Verzeihen Sie es mir, wenn ich zunächst mit unserer Vision antworte: Wir wollen eine Zukunft ohne fossile Brennstoffe. Und daraus leiten sich dann beide Säulen unseres Geschäfts ab. Es geht uns nicht darum, mit welcher der beiden Säulen wir mehr Geld verdienen. Wirtschaftlich sehen wir beide Modelle als sehr attraktiv und profitabel an und strategisch sind beide geeignet, um unsere Vision zu erfüllen. Da ist einmal unsere Fahrzeugfamilie inklusive Sharingfunktion. Dadurch lassen sich im Familienkreis oder der Nachbarschaft womöglich sogar mehrere Autos ersetzen. Und zum anderen erreichen wir mit der Lizensierung der Solartechnik insgesamt mehr Kunden. Wir wollen daraus keine elitäre Technologie machen. Wir wollen alles, was sich bewegt, mit unseren Solarkomponenten ausstatten – entweder über Lizensierung, General Contracting oder Engineering Assist.

Wie weit sind Sie mit der Zulassung der Panels?

Sie werden noch in diesem Jahr Kunden sehen, die mit unserer Applikation arbeiten. Die Zulassung des Fahrzeugs an sich durchläuft den klassischen Homologationsprozess. Wir kennen alle Schritte, die wir dafür gehen müssen. Und die letzte Stufe der Homologation steht ja erst an, wenn das Fahrzeug von der endgültigen Fabrik mit den endgültigen Teilen produziert, angeschaut, getestet und vor die Wand gefahren wird (lacht).

 

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