F&E-Szenerie bei Dräxlmaier

Zulieferer wie Dräxlmaier investieren stark in die Felder Forschung, Entwicklung und Testing. (Bild: Dräxlmaier)

Die Zahlen klingen ernüchternd: Die Umsatzrendite der Automobilzulieferer sinkt im Branchendurchschnitt auf nur noch 4,7 Prozent. Chinesische Zulieferer liegen mit 5,7 Prozent vorne, Schlusslicht sind Europa mit 3,6 und Südkorea mit 3,4 Prozent. Dies geht aus einer aktuellen Studie hervor, für die Roland Berger und Lazard 600 Automobilzulieferer weltweit analysiert haben.

Die Zulieferer erleben einerseits eine Stagnation beim Volumenwachstum und sind andererseits gleichzeitig mit einer Transformation konfrontiert, für die sie ihre Geschäftsmodelle dringend umgestalten müssen“, beschreibt Felix Mogge, Automotive-Experte und Partner bei Roland Berger, das Szenario. Mogge bringt es auf den Punkt: „Was wir derzeit vor allem in der europäischen und nordamerikanischen Automobilzulieferindustrie beobachten, lässt sich gut als eine Phase der ‚Stagformation‘ beschreiben.

Top 100 Automotive Suppliers 2025

Eine Bildercollage zum Thema Zulieferer der Autoindustrie

Die weltweite Zulieferindustrie blickt wie selten zuvor düsteren Zeiten entgegen. Sparprogramme, Stellenstreichungen und Restrukturierungen stehen an der Tagesordnung. Welche Supplier besser durch die Krise manövrieren, wer deutliche Einbußen zu verzeichnen hat, zeigt das aktuelle Top 100 Automotive Suppliers Ranking von Automobil Produktion. Demnächst lesen Sie hier und in der exklusiven Printausgabe alle Details zur aktuellen Entwicklung der globalen Zulieferindustrie.

40 Prozent der Zulieferer als Non-Investment-Grade eingestuft

Fünf Trends als Haupttreiber hat man beim Beratungsunternehmen für die derzeitigen Entwicklungen identifiziert. Als Erstes das weltweit stagnierende Produktionsvolumen mit der Folge von Überkapazitäten. Europa sei hier am meisten unter Druck. China und Südasien seien dagegen Haupttreiber eines bescheidenen, globalen Automobilwachstums. Ein weiterer Punkt liegt der Studie zufolge in der Umstellung auf E-Fahrzeuge, die in Europa und Nordamerika langsamer vorankomme als geplant, wodurch Skaleneffekte nicht wie erwartet zum Tragen kommen.

Ein dritter Aspekt liege in steigenden Kosten für Software begründet: Der Trend zum software­definierten Fahrzeug mit immer mehr Assistenz- und Konnektivitätsfunktionen sei eine große Chance, aber nicht für alle Zulieferer gleichermaßen. Punkt vier: Der Wettbewerb der OEMs verschärfe sich weltweit, vor allem bei Elektroautos drängen neue Spieler in den Markt. Damit steige der Kostendruck auf die Zulieferer weiter. Und fünftens: Geopolitische Entwicklungen würden hohe Unsicherheit schaffen und mit neuen Zöllen und Subventionen den globalen Handel sowie die Lieferketten verändern.

Die Ära stetigen Wachstums geht wohl zu Ende. „Mehr als 40 Prozent der 25 größten Automobilzulieferer sind inzwischen als ‚Non-Investment-Grade‘ eingestuft“, sagt Christian Kames, Co-Head Investment Banking für die DACH-Region bei Lazard. Dennoch zeichnen die Studienautoren kein völlig düsteres Bild. Zulieferer könnten durch konsequente Effizienzsteigerungsprogramme, Partnerschaften zur Optimierung und Skalierung des Portfolios, eine Straffung des Produktangebots sowie die Konzentration auf strategische Technologien dennoch erfolgreich bleiben, so Florian Daniel, Partner bei Roland Berger.

Christof Söndermann, Managing Director von Lazard konkretisiert: „In stagnierenden Märkten sind Skalenvorteile oft nur noch zu erzielen, indem man Konsolidierung durch M&A-Aktivitäten beziehungsweise Partnerschaften verfolgt, was aktiveres Portfoliomanagement als in der Vergangenheit erfordert.“ Zulieferer müssten sich auf Produktsegmente und Technologien refokussieren, in denen sie nachhaltig wettbewerbsfähig sein können, und gleichzeitig Aktivitäten einstellen, bei denen sie realistisch kein „right to win“ haben. Sein Fazit: „Manche Marktteilnehmer werden sich möglicherweise auch komplett neu positionieren müssen, um zu überleben.

Für manche Zulieferer ist eine Neuorientierung angesagt

Neu positionieren klingt gut, doch damit ist es so eine Sache. Je nach Themenumfeld kann sich ein Weg natürlich abzeichnen oder zumindest erschließen. Beispiele dafür gibt es. So hatte etwa das mit Interieur-Komponenten befasste Unternehmen Dräxlmaier schon lange vor der aktuellen Krise und auch bereits vor Corona erkannt, dass mit den eigenen haptischen Produkten wie etwa einer reinen Mittelkonsole längerfristig kein profitables Geschäft mehr zu machen sein wird. Innerhalb kürzester Zeit hat man daher ein immenses Knowhow auf dem Gebiet der Elektrik und Elektronik aus- und aufgebaut. Fortan konnte man komplette Systemlösungen, ganze Bedienpanels, anbieten – gefragte Produkte und Kompetenzen mit einer Wertschöpfung, die sich für das Unternehmen bezahlt machen.

Und auch andere tun und können dies, zumindest teilweise. So befindet sich die Dachsparte des Zulieferers Webasto im Switch zu einer sogenannten „All Roof Company“ und bietet ein Beispiel dafür, wie sich durch M&A-Aktivität das eigene Profil schärfen lässt. Jan Henning Mehlfeldt, der als Vorstand bei Webasto das Dachgeschäft verantwortet, treibt diesen Wandel und setzt auf Tempo. Die Dachsparte wird ihm zufolge zu einer Einheit mit Alleinstellungsmerkmal, denn mit dem Kauf des luxemburgischen Glasexperten Carlex beherrsche man nun die gesamte Palette, vom Hightech-Glas bis zum Cabrio-Dach.

Stellenabbau zumeist erste Reaktion

Gleichwohl prosperiert auch das Unternehmen aus Stockdorf bei München nicht wie die Jahre zuvor und geriet 2024 in finanzielle Schieflage. Noch im Dezember schloss man eine Stabilisierungsvereinbarung mit den wichtigsten Gläubigern ab, in diesem Frühjahr musste dann der langjährige Vorstandschef Holger Engelmann das Familienunternehmen vorzeitig verlassen. Der erst seit einigen Wochen amtierende Vorstandschef Jörg Buchheim verkündete schließlich, dass man im Zuge der Sanierung rund 650 Stellen in Deutschland abbauen werde: „Eine schwere, aber angesichts der Marktentwicklung auch bei Webasto unumgängliche Entscheidung“, so der neue CEO.

Nicht weniger schwierig, wenn Produkte und Kompetenzen in hohem Maße eng mit dem Antrieb verbunden sind. Verbrenner, Hybride, batterieelektrische Antriebe und Wasserstoff sollten an sich keine Konkurrenten sein, doch das eine lassen und stark ins andere zu investieren, zumal mit einem gerüttelt Maß an Planungssicherheit, gerät auch für etablierte Player in volatilen Zeiten zum Kraftakt. In der Division Elektrifizierte Antriebstechnologien bündelt ZF alle Pkw-Antriebsvarianten – von konventionellen über Plug-in-Hybrid- bis zu rein elektrischen Antrieben.

Diese Geschäftseinheit leidet in besonderem Maße unter dem verzögerten Anlauf der E-Mobilität, den hohen Kosten und daraus resultierenden geringen Margen im traditionellen Getriebegeschäft“, betonte ein ZF-Sprecher kürzlich gegenüber Automobil Produktion. Um dieser Division wieder profitables Wachstum zu ermöglichen und die dafür nötigen Investitionen zu tätigen, prüfe man derzeit strategische Kooperationen und Partnerschaften. Dies könne sich auf einzelne Komponenten oder auch die gesamte Division beziehen. Der Zulieferer prüft Medienberichten zufolge eine Abspaltung seiner zweitgrößten Division mit mehr als 32.000 Beschäftigten.

Wachstum bei Elektronik und Mobilität

Die Schwäche der Autoindustrie bekommt auch ein weiterer Traditionalist zu spüren. So ging bei Schaeffler der Umsatz im ersten Quartal 2025 gegenüber dem Vorjahreszeitraum auf vergleichbarer Basis um 3,5 Prozent auf 5,9 Milliarden Euro zurück. Im Antriebsgeschäft mit reinen Batterieantrieben habe man mit einem Umsatzplus von nahezu 43 Prozent fast sechs Prozentpunkte besser abgeschnitten als der Markt, erläuterte Vorstandschef Klaus Rosenfeld zwar vor Analysten und Investoren. Bei Hybridantrieben und den umsatzmäßig zurückgehenden Verbrennern lag Schaeffler allerdings weniger gut im Rennen. Auch hier geht es um Arbeitsplätze. Wie viele andere Zulieferer hatte Schaeffler bereits Ende 2024 einen deutlichen Stellenabbau von 4.700 Arbeitsplätzen angekündigt. Zwei europäische Standorte sollen zudem vor einer endgültigen Schließung stehen, hört man.

Nach 2023 und 2024 durchgeführten massiven Stellenstreichungen mehrerer tausend Jobs sieht man auch bei Continental noch kein Ende. Angesichts der weiterhin schwierigen Lage in der Autobranche will das Unternehmen bis Ende 2026 weitere 3.000 Jobs der schwächelnden Autozuliefersparte kürzen. Continental ist derzeit damit befasst, seinen Unternehmensbereich Automotive in ein eigenständiges Unternehmen abzuspalten. Das neue Unternehmen Aumovio soll Elektronikprodukte und moderne Mobilitätslösungen für das softwaredefinierte Fahrzeug sowie autonome Mobilität für ein breites globales Publikum anbieten. Marktexperten zufolge soll dieses Segment bis 2029 jährlich mit 4,7 Prozent überdurchschnittlich wachsen.

Wieder ist der chinesische Markt der Treiber. Contis Unternehmensbereich Automotive beschäftigt rund 92.000 Mitarbeiter und erzielte im Geschäftsjahr 2024 einen Umsatz von rund 19,4 Milliarden Euro. Seit 30 Jahren ist man in China präsent und beschäftigt dort rund 10.000 Menschen. 2024 hat Automotive rund 14 Prozent des weltweiten Umsatzes in China erzielt. Der dortige Markt soll in den kommenden fünf Jahren schneller wachsen als der globale. „Als eigenständiges Unternehmen gewinnen wir deutlich mehr Gestaltungskraft und Geschwindigkeit“, begründet Philipp von Hirschheydt, Conti-Vorstandsmitglied und CEO Automotive, den Schritt. Gerade in China werde man unter anderem auf die starke lokale Präsenz setzen, indem man vor Ort für den chinesischen Markt produziere und entwickle.

Bosch wird Stellenabbau nicht vermeiden können

Auch der Primus unter den Automobilzulieferern ist nicht vor Jobabbau gefeit. Bei Bosch ist besonders der Bereich Cross-Domain Computing Solutions, der für Assistenzsysteme und automatisiertes Fahren zuständig ist, betroffen: Hier sollen 3.500 Stellen wegfallen, etwa die Hälfte davon in Deutschland. Auch das Werk für Lenksysteme in Schwäbisch Gmünd verliert bis 2030 bis zu 1.300 Stellen. Gründe sind die stagnierende Fahrzeugproduktion, hoher Wettbewerbsdruck und eine geringere Nachfrage nach E-Auto- und Assistenzsystem-Technologien. „Wir werden um einen weiteren Stellenabbau nicht herumkommen“, sagte Bosch-Chef Stefan Hartung der Stuttgarter Zeitung Anfang März 2025 und begründete dies mit der weltweit schwachen Autokonjunktur, der wachsenden Konkurrenz aus China und der Verunsicherung der Verbraucher. Schön wäre es daher, wenn man nicht mit den Worten schließen müsste: Willkommen im Club.

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