Thomas Stierle, Vitesco

"Das Ziel ist, auch in Deutschland in der Elektromobilität wettbewerbsfähig zu produzieren", erklärt Vitesco-Vorstand Thomas Stierle. (Bild: Vitesco)

Am Standort Nürnberg will Vitesco Technologies Personal abbauen. Dabei hieß es, der Aufsichtsrat hat ein Zukunftskonzept. Was ist da geplant?

Die Automobilindustrie geht gerade durch eine Phase der Transformation - weg vom Verbrenner, hin zu elektrischen Antrieben. Dadurch verändern sich die Bedarfe. Zum anderen hat der Standort Deutschland einige Nachteile im globalen Wettbewerb. Daher ist es für uns wichtig, unsere Standorte den geänderten Verhältnissen anzupassen. Unser Zukunftskonzept sieht vor, hochtechnologische Produktionen am Standort anzusiedeln. Diese werden aber mit einem höheren Automatisierungsgrad gefertigt. Das Ziel ist, auch in Deutschland in der Elektromobilität wettbewerbsfähig zu produzieren.

Die Abhängigkeit der Automobil-Zulieferkette von China, etwa im Bereich der Halbleiter, wird zunehmend kritisch gesehen. Wie gehen Sie damit um?

Wir verfolgen bei Vitesco Technologies schon immer die Strategie In the market – for the market. Das heißt, dass wir lokale Lieferketten etablieren. Zum einen aus Kostengründen, aber auch um gegen Disruptionen besser gewappnet zu sein. In einer globalisierten Welt ist das nicht immer möglich; diese Abhängigkeiten haben in den letzten zweieinhalb Jahren durchaus zu Problemen geführt.

Mit neuen Ansätzen, wie dem europäischen Chip-Gesetz European Chips Act, welches helfen soll im Bereich der Chip-Fertigung eine führende Rolle in Europa einzunehmen, kann jetzt solchen Abhängigkeiten vorgebeugt und eine optimale Versorgung mit Halbleitern gewährleistet werden. Wir begrüßen und unterstützen das.

Man muss aber auch sehen, dass China ein sehr großer Markt ist. Viele unserer Kunden sind dort aktiv und wir folgen natürlich unseren Kunden. Wir können uns da nicht abkoppeln. Aber auch dort gilt, dass wir für unsere lokalen Kunden in China auch vor Ort entwickeln, produzieren und unsere Lieferketten dort haben.

Anderes Thema: Die Technik. Es fällt auf, dass man von Vitesco Technologies nichts zum Thema Brennstoffzellenantrieb hört. Wie stehen Sie zu dieser Technik?

Es ist unsere Strategie, unser Portfolio unabhängig von der Energiequelle auszurichten – unsere Produkte sind in einem PHEV, in einem Hybridantrieb oder einem reinen BEV ebenso einsetzbar wie in einem Brennstoffzellenfahrzeug. Allerdings gehen wir davon aus, dass im Pkw-Bereich der Brennstoffzellenantrieb ein Nischenprodukt bleiben wird.

Dennoch unterstützen wir entsprechende Kunden-Projekte. Komponenten sind beispielsweise unser Elektroantrieb sowie Steuergeräte für Brennstoffzellenanwendungen, aber auch Sensoren und Aktuatoren – nicht im Portfolio sind Brennstoffzellen-Stacks.

Wie werden sich die elektrischen Antriebstechniken weiterentwickeln? Wo sehen Sie Potentiale, wo muss noch Forschung getrieben werden?

Betrachten wir die Bereiche, in denen Vitesco Technologies tätig ist, dann wären das vor allem der Elektronik-Bereich sowie der Bereich der elektrischen Antriebe. In beiden Feldern wird es noch wesentliche Änderungen geben, welche die Gesamteffizienz des elektrischen Fahrens beeinflussen.

Bei Halbleitern, speziell bei Leistungshalbleitern für die Inverter, sehe ich einen stark effizienzgetriebenen Trend. Denn je effizienter diese Inverter sind, desto mehr Reichweite haben sie bei gleicher Batterie. Hier findet gerade der Wechsel von Silizium zu Siliziumkarbid (SiC) statt. Das wird signifikante Verbesserungen von etwa sieben Prozent, bei Intelligenz in der Ansteuerung auch neun Prozent bringen – und damit eine entsprechend höhere Reichweite. Bei Ladern und DC/DC-Wandlern sehen wir einen starken Trend Richtung Galliumnitrid (GaN). Auch hier geht es um Effizienz, man kann damit den Aufwand für die Kühlung reduzieren und das Packaging leichter machen. Diese Technik wird später mit zunehmendem Volumen den bestehenden Kostennachteil wettmachen können und auch im Systemansatz Vorteile generieren.  In beiden Bereichen sind wir bereits entsprechende Partnerschaften eingegangen.

Wir sehen zudem starke Entwicklungen bei den Batterien. Hier sind wir nicht aktiv, auch weil das einen sehr hohen Investitionsbedarf erfordern würde, aber Vitesco Technologies entwickelt effizienzsteigernde Lösung für das Batteriemanagement wie zum Beispiel das Wireless Battery Management.

Darüber hinaus sehe ich einen starken Trend zu Nachhaltigkeit. Da bringt das EU-Paket Fit für 55 der EU spürbare Impulse, denn es gibt Ziele für die gesamte Wertschöpfungskette und den CO2-Footprint vor. Das gleiche gilt für die Themen kritische Materialien, Recycling, Remanufacturing und Second Life. Wir bei Vitesco Technologies beschäftigen uns sehr stark mit all diesen Themen und unser Geschäftsmodell ist ganz klar darauf ausgerichtet. Unsere Analysen zeigen, dass es Hebel gibt, mit denen man bei relativ geringen Kosten signifikante Fortschritte machen kann.

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