Ein Mitarbeiter von Porsche kontrolliert Bolzen mit Hilfe eines Tablets.

Ein Trend im Lean Management ist der Einsatz von Augmented Reality in der Produktion. (Bild: ©Porsche / Marco Prosch)

Ein Presswerk für den Export befindet sich in Portugal. Am dortigen VW-Standort in Palmela werden 80 Prozent aller gefertigten Teile exportiert. Bottlenecks gehören im amtierenden Sieger-Werk des Automotive Lean Production Awards der Vergangenheit an. Mit Hilfe modernster Lean-Methoden arbeitet das Team um Werkleiter Thomas Hegel Gunther aktuell an der Visualisierung von KPIs. Das ist nur ein Beispiel, das belegt, dass die kontinuierliche Verbesserung der Produktionsprozesse und der betrieblichen Effizienz im Mittelpunkt der Zukunft der Automobilindustrie stehen werden.

Lean Management hat sich als ein entscheidender Faktor für den Erfolg in diesem hart umkämpften Sektor erwiesen. Dieses Managementprinzip, das auf der Eliminierung von Verschwendung, der Optimierung von Prozessen sowie der Maximierung des Werts für den Kunden basiert, hat die Art und Weise, wie Automobile produziert und geliefert werden, grundlegend verändert. Mit dem Fortschritt der Technologie und dem Aufkommen neuer Herausforderungen wie der Digitalisierung, der Elektrifizierung des Antriebsstrangs und der zunehmenden Bedeutung von Nachhaltigkeitsaspekten, entwickeln sich die Praktiken des Lean Managements ständig weiter, um den neuen Anforderungen gerecht zu werden.

Dennoch, sagt Marc Kräutle, CEO der Unternehmensberatung Agamus: Die Lean-Etappen sind immer gleich. Zunächst geht es darum, stabile und robuste Prozesse herzustellen. Das ist die Basis. Danach folgt die Synchronisation der Ressourcen und die Eliminierung von Engpässen. Bei den Fahrzeugherstellern bedeutet das die Synchronisation der einzelnen Gewerke. Danach geht es darum, den kontinuierlichen Fluss zu verbessern. Am Ende gilt es, nur das zu verbrauchen, was man benötigt um sich komplett nach dem Kundentakt zu richten.“ In diesem Beitrag werfen wir einen Blick auf die aktuellen Trends des Lean Managements in der Automobilindustrie und beleuchten, wie diese Konzepte die Produktionslandschaft formen, Effizienzen steigern und dabei helfen, die Herausforderungen von heute und morgen zu meistern.

Die Etappen des Lean Manufacturing in der Autoindustrie

1. Stabile und robuste Prozesse durch Lean Manufacturing

2. Ressourcen synchronisieren & Engpässe abbauen durch Lean Manufacturing

3. Herstellung flüssiger Prozesse durch Lean Manufacturing

4. Pull-Prinzip implementieren & Flexibilität erhöhen durch Lean Manufacturing

5. Lieferanteneinbindung & schlanke Wertströme durch Lean Manufacturing

Zusätzliche Konzepte im Lean Manufacturing

Die 5S-Methode in der Automobilproduktion

Die 5S-Methode ist ein systematischer Ansatz zur Organisation und Optimierung von Arbeitsplätzen in der Produktionsumgebung, der ursprünglich in Japan entwickelt wurde und einen zentralen Bestandteil des Lean Managements darstellt. Ziel der 5S-Methode ist es, einen strukturierten, sauberen und effizienten Arbeitsbereich zu schaffen, der sowohl die Produktivität als auch die Sicherheit am Arbeitsplatz erhöht. Die fünf "S" stehen für fünf Schritte, die auf Japanisch mit dem Buchstaben S beginnen:

  1. Seiri (Sortieren): Unnötige Gegenstände und Materialien werden entfernt, um Ordnung zu schaffen. Alles, was nicht regelmäßig benötigt wird, wird aus dem Arbeitsbereich entfernt.

  2. Seiton (Systematisieren/Setzen): Alle notwendigen Werkzeuge, Materialien und Ausrüstungen werden so organisiert und angeordnet, dass sie leicht zugänglich und schnell auffindbar sind. Dies verringert Suchzeiten und erhöht die Effizienz.

  3. Seiso (Säubern): Der Arbeitsbereich wird regelmäßig gereinigt, um Sauberkeit zu gewährleisten. Dies trägt nicht nur zur Aufrechterhaltung einer angenehmen Arbeitsumgebung bei, sondern hilft auch, Probleme wie Leckagen oder Verschleiß frühzeitig zu erkennen.

  4. Seiketsu (Standardisieren): Sauberkeit und Ordnung werden durch die Entwicklung und Implementierung von Standards aufrechterhalten. Diese Standards sollen von allen Mitarbeitern verstanden und befolgt werden, um eine konstant hohe Qualität und Sicherheit zu gewährleisten.

  5. Shitsuke (Selbstdisziplin): Die Entwicklung einer Arbeitskultur, in der die Einhaltung der festgelegten Standards und die kontinuierliche Verbesserung zur Gewohnheit werden. Mitarbeiter werden ermutigt, sich aktiv an der Einhaltung und Verbesserung der Standards zu beteiligen.

Poka-Yoke in der Automobilproduktion

Poka-Yoke ist ein japanischer Begriff, der sich auf ein Konzept oder einen Mechanismus bezieht, der unbeabsichtigte Fehler verhindert. Ziel ist die Qualitätsverbesserung in der Produktion durch Eliminierung menschlicher Fehler. Der Begriff lässt sich als "narrensicher" oder "fehlersicher" übersetzen. In der Automobilproduktion werden Poka-Yoke-Systeme eingesetzt, um sicherzustellen, dass alle Teile korrekt montiert sind, Fehlmontagen vorgebeugt wird und die Qualität des Endprodukts konstant bleibt. Dies wird durch verschiedene Techniken und Vorrichtungen erreicht, wie zum Beispiel:

  • Farbcodierungen und Formcodierungen, helfen den Mitarbeitern, Teile richtig zu identifizieren und zu platzieren, indem sie sicherstellen, dass nur Teile, die zusammengehören, auch zusammengefügt werden können.

  • Grenzwertschalter und Sensoren, die überprüfen, ob alle Teile vorhanden und korrekt montiert sind, bevor der nächste Produktionsschritt erfolgt.

  • Vorrichtungen mit mechanischer Verhinderung, die physisch vermeiden, dass Bauteile falsch eingesetzt oder in der falschen Reihenfolge montiert werden.

Kaizen / KVP in der Automobilproduktion

Kaizen, ein Begriff aus dem Japanischen, der „Veränderung zum Besseren“ oder „kontinuierliche Verbesserung“ bedeutet, spielt eine entscheidende Rolle in der Automobilproduktion. Der Kontinuierliche Verbesserungsprozess (KVP) ist die westliche Interpretation von Kaizen und verfolgt dasselbe Ziel: die stetige Optimierung von Arbeitsprozessen, Qualität, Produktivität und Effizienz, unter aktiver Einbeziehung aller Mitarbeiter – vom Management bis zur Produktionsebene. In der Automobilindustrie bezieht sich Kaizen/KVP auf eine Unternehmenskultur, die auf folgenden Prinzipien basiert:

  • Beteiligung aller Mitarbeiter: Jeder Mitarbeiter wird ermutigt, Verbesserungsvorschläge zu machen und an der Optimierung der Arbeitsabläufe mitzuwirken. Diese Bottom-up-Initiative soll das Engagement und die Zufriedenheit der Mitarbeiter fördern.
  • Ständige Suche nach Verbesserungen: Anstatt große, disruptive Veränderungen anzustreben, konzentriert sich Kaizen auf kleine, inkrementelle Verbesserungen im täglichen Arbeitsprozess.
  • Eliminierung von Verschwendung: Ein zentraler Aspekt von Kaizen ist die Identifizierung und Beseitigung jeglicher Form von Verschwendung, sei es in Form von Überproduktion, Wartezeiten, unnötigem Transport, überflüssiger Bearbeitung, überhöhten Lagerbeständen, unnötigen Bewegungen oder Fehlern.
  • Standardisierung: Nachdem Verbesserungen implementiert wurden, werden sie standardisiert, um Konsistenz und Effizienz zu gewährleisten. Diese neuen Standards dienen als Grundlage für weitere Verbesserungen.
  • Kundenorientierung: Letztlich zielt Kaizen darauf ab, den Wert für den Kunden zu maximieren, indem Produkte und Dienstleistungen von höherer Qualität effizienter und mit geringeren Kosten produziert werden.

SMED in der Automobilproduktion

SMED steht für "Single Minute Exchange of Die" und ist ein Konzept, das darauf abzielt, die Rüstzeiten in Produktionsprozessen auf ein Minimum zu reduzieren. Das Hauptziel von SMED ist die Minimierung der Stillstandzeiten von Maschinen während des Rüstvorgangs, also dem Wechsel von Werkzeugen oder Vorrichtungen, die für die Herstellung verschiedener Produktvarianten benötigt werden. In der Autoindustrie, wo verschiedene Modelle und Ausstattungsvarianten auf denselben Produktionslinien gefertigt werden, ist die Fähigkeit, schnell von einer Variante zur nächsten zu wechseln, entscheidend für die Aufrechterhaltung eines fließenden Produktionsprozesses und die Erfüllung kundenspezifischer Anforderungen.

Supermärkte in der Automobilproduktion

Ein Supermarkt im Kontext des Lean-Prinzips in der Autoindustrie ist kein Einkaufsmarkt im herkömmlichen Sinne, sondern eine Methode zur Steuerung des Materialflusses und der Lagerhaltung. Dieses Konzept zielt darauf ab, die Effizienz zu steigern und Verschwendung zu minimieren, indem es eine bedarfsgerechte Versorgung der Produktion mit Materialien und Teilen gewährleistet. Im Wesentlichen funktioniert der Lean-Supermarkt als Pufferlager, das sich zwischen den Prozessschritten oder Produktionslinien befindet. Er dient dazu, eine kontinuierliche und flexible Produktion zu ermöglichen, indem genau die richtige Menge an Materialien und Komponenten zur Verfügung gestellt wird, genau wann und wo sie benötigt werden. Das Konzept hinter diesem Lean-Supermarkt ist, Überproduktion zu vermeiden und die Lagerhaltungskosten zu minimieren, indem nur so viel produziert und gelagert wird, wie tatsächlich benötigt wird.

Karakuri in der Automobilproduktion

Karakuri in der Automobilproduktion bezieht sich auf den Einsatz von mechanischen Vorrichtungen, die ohne den Einsatz von Elektrizität oder Motoren funktionieren. Der Begriff "Karakuri" stammt aus dem Japanischen und bedeutet so viel wie "Mechanismus" oder "Trick". In der modernen Fertigung steht Karakuri für einfache mechanische Lösungen, die die Effizienz steigern und Verschwendung reduzieren, indem sie menschliche Arbeit erleichtern oder ersetzen. In der Automobilproduktion werden Karakuri-Vorrichtungen eingesetzt, um Materialien und Produkte automatisch und mit minimaler menschlicher Eingabe zu bewegen. Beispiele hierfür sind schwerkraftgetriebene Förderer und Rutschen, die Teile von einem Arbeitsbereich zum nächsten transportieren, ohne dass elektrische Energie benötigt wird, Hebel und Gegengewichte, die zum Heben oder Bewegen schwerer Gegenstände eingesetzt werden, wodurch der körperliche Einsatz von Mitarbeitern verringert wird sowie Drehmechanismen, die es ermöglichen, Werkstücke für verschiedene Bearbeitungsprozesse zu positionieren, ohne dass manuelle Kraft oder elektrische Energie notwendig ist.  Diese mechanischen Lösungen sind nicht nur kostengünstig und wartungsarm, sondern sollen auch die Kreativität und Problemlösungskompetenz der Mitarbeiter fördern. Durch den Einsatz von Physik und Mechanik sollen Karakuri-Vorrichtungen eine umweltfreundliche und nachhaltige Produktion unterstützen.

Die Value Stream Methode in der Automobilproduktion

Die Value Stream Methode, bekannt als "Value Stream Mapping" (VSM) oder Wertstromanalyse, dient der Analyse und Visualisierung von Material- und Informationsflüssen über alle Stufen eines Produktionsprozesses hinweg. Ziel ist es, Wertschöpfung und Verschwendung innerhalb eines Produktionsprozesses zu identifizieren und zu differenzieren, um die Effizienz sowie die Durchlaufzeiten zu verbessern. Die Methode beginnt damit, den gesamten Prozess von der Rohmaterialbeschaffung bis zur Auslieferung des fertigen Produkts an den Kunden zu kartieren. Verschwendung bezieht sich auf jegliche Aktivität, die Ressourcen verbraucht, aber keinen Wert aus Sicht des Kunden schafft. Typische Beispiele für Verschwendung sind Überproduktion, Wartezeiten, unnötiger Transport, Überbearbeitung, Lagerbestände, unnötige Bewegungen und Fehler. Die Analyse konzentriert sich darauf, Aktivitäten zu identifizieren, die tatsächlich Wert hinzufügen, und Wege zu finden, den Anteil dieser Aktivitäten zu erhöhen, während nicht-wertschöpfende Aktivitäten minimiert oder eliminiert werden. Die Value Stream Methode soll es Unternehmen in der Automobilindustrie ermöglichen, ihre Produktionsprozesse aus einer ganzheitlichen Perspektive zu betrachten und systematisch Ansatzpunkte für Verbesserungen zu identifizieren.

„Die Value Stream Methodik ist ein sehr mächtiges Tool, welches nur die Besten richtig anwenden, um den kompletten Prozess zu betrachten und ganzheitlich zu optimieren. Viele nutzen es in Teilbereichen oder nicht richtig und fokussieren sich nur auf Teiloptimierung", sagt Marc Kräutle.

Kanban in der Automobilproduktion

Bei Kanban handelt sich um ein visuelles Steuerungssystem für Produktions- und Logistikprozesse, das darauf abzielt, die Just-in-Time-Produktion (JIT) zu unterstützen und zu optimieren. Das Hauptziel von Kanban in der Automobilproduktion ist es, einen effizienten Materialfluss zu gewährleisten, Überproduktion zu vermeiden und Lagerbestände zu minimieren, indem genau das richtige Material in der richtigen Menge zur richtigen Zeit am richtigen Ort bereitgestellt wird. Kanban nutzt visuelle Signale, häufig in Form von Karten (die Kanbans), um den Bedarf an Materialien oder Komponenten von einem Produktionsbereich zum nächsten zu kommunizieren. Diese Signale lösen die Produktion oder den Transport von Einheiten in vorgegebenen Mengen aus und tragen so zu einer bedarfsorientierten Produktion. Die Methode basiert auf dem Prinzip der Selbststeuerung: Jeder Prozessschritt zieht sich die benötigten Teile oder Komponenten vom vorgelagerten Schritt (Pull-Prinzip), anstelle eines zentralen Plans, der vorgibt, was produziert werden soll (Push-Prinzip).

Heijunka in der Automobilproduktion

Heijunka (japanisch) beutetet so viel wie "Produktionsglättung" oder "Nivellierung". In der Automobilproduktion steht Heijunka für eine Strategie, die darauf abzielt, die Produktionsabläufe zu stabilisieren und zu harmonisieren, indem die Produktionsmengen und -typen über einen bestimmten Zeitraum ausgeglichen werden. Das Ziel ist es, Schwankungen in der Produktion zu minimieren und einen kontinuierlichen, effizienten Produktionsfluss zu schaffen. Heijunka wird häufig durch den Einsatz sogenannter Heijunka-Boards visualisiert, auf denen die Produktionsaufträge so organisiert sind, dass eine gleichmäßige Verteilung der Arbeit erreicht wird. Dies kann beispielsweise durch das Wechseln zwischen verschiedenen Fahrzeugmodellen oder -varianten in einer Produktionslinie erfolgen, um eine gleichmäßige Auslastung zu gewährleisten.

JIT und JIS in der Automobilproduktion

Obwohl sie ähnliche Ziele verfolgen, gibt es zwischen JIT (Just-in-Time) und JIS (Just-in-Sequence) wichtige Unterschiede. Das JIT-Konzept konzentriert sich darauf, die Produktion und Lieferung von Teilen und Materialien genau dann zu organisieren, wenn sie im Produktionsprozess benötigt werden. Ziel ist es, Lagerbestände auf ein Minimum zu reduzieren und eine effiziente Produktion zu gewährleisten. Durch die Reduzierung von Überproduktion, Wartezeiten, Transport und Lagerhaltung werden Verschwendung minimiert und die Produktivität gesteigert. JIT erfordert eine enge Zusammenarbeit und Koordination mit Lieferanten sowie eine präzise Produktionsplanung, um sicherzustellen, dass Materialien genau zum richtigen Zeitpunkt ankommen.

JIS geht einen Schritt weiter als JIT, indem es nicht nur fordert, dass Materialien und Komponenten zum richtigen Zeitpunkt geliefert werden, sondern auch in der richtigen Reihenfolge, entsprechend der Produktionssequenz. Dies ist besonders wichtig in der Automobilproduktion, wo Fahrzeuge oft in zahlreichen Varianten und mit unterschiedlicher Ausstattung produziert werden. JIS trägt dazu bei, dass die benötigten Teile in der exakten Reihenfolge bereitgestellt werden, die der Montagelinie folgt, was die Komplexität im Produktionsprozess reduziert und die Effizienz weiter steigert.

End-to-End Value Stream Methodik

Die End-to-End Value Stream Methodik erweitert das Konzept des Wertstromdesigns über die internen Prozesse eines Unternehmens hinaus auf die gesamte Wertschöpfungskette, einschließlich externer Ressourcen wie Lieferanten (von Tier-1 bis Tier-n), Spediteure und Lohnfertiger. Ziel dieser ganzheitlichen Betrachtungsweise ist es, alle Prozesse und Akteure, die an der Erstellung und Lieferung eines Produktes beteiligt sind, auf die Bedürfnisse der Kunden auszurichten und dadurch umfassende Optimierungsmöglichkeiten zu identifizieren und zu realisieren. Dieser Ansatz soll nicht nur interne Effizienz steigern, sondern die gesamte Lieferkette resilienter, reaktionsschneller und kosteneffizienter gestalten.

Automobil Produktion Kongress 2024

Automobil Produktion Kongress 2024

Am 16. und 17. Mai 2024 treffen sich auf dem Automobil Produktion Kongress in München auch in diesem Jahr wieder Fach- und Führungskräfte, um über die Automobilfertigung der Zukunft zu sprechen. Gemeinsam streben Hersteller, Zulieferer und Dienstleister eine smarte, flexible sowie nachhaltige Produktion mit transparenter Lieferkette an. Seien Sie dabei und profitieren Sie von kollektiven Branchenwissen. 🎫 Jetzt Ticket sichern!

Real Time Location in der Automobilproduktion

Unter Real Time Location (RTL), oder Echtzeit-Lokalisierung, versteht man die Technologie und Methoden, die zur Ermittlung und Überwachung der genauen Position von Objekten, Materialien oder Personal in Echtzeit innerhalb der Produktionsstätte eingesetzt werden. Die Echtzeit-Lokalisierungssysteme nutzen eine Vielzahl von Technologien, um die Positionierung zu ermöglichen, darunter RFID (Radio-Frequenz-Identifikation), WLAN, Ultraschall, Infrarot oder Bluetooth Low Energy (BLE). Die Wahl der Technologie hängt von den spezifischen Anforderungen der Anwendung ab, wie etwa der benötigten Genauigkeit, der Umgebung und den Kosten. In der Automobilproduktion können Real Time Location Systems (RTLS) für verschiedene Zwecke eingesetzt werden:

  • Tracking von Materialien und Komponenten: Die genaue Lokalisierung von Teilen und Materialien im Produktionsprozess kann helfen, die Effizienz zu steigern, indem Wartezeiten reduziert und der Durchsatz erhöht wird.
  • Flottenmanagement von Transportmitteln: Die Überwachung der Position von Gabelstaplern, Transportbändern und anderen Fahrzeugen innerhalb der Produktionsstätte ermöglicht eine optimierte Nutzung und reduziert Stillstandzeiten.
  • Arbeitssicherheit: Die Lokalisierung von Personal in Echtzeit kann in Notfallsituationen lebensrettend sein und wird auch zur Vermeidung von Unfällen in Gefahrenbereichen genutzt.
  • Optimierung der Produktionsabläufe: Durch die Analyse von Bewegungsdaten können ineffiziente Abläufe identifiziert und verbessert werden.
  • Inventar- und Asset-Management: RTLS erleichtert das Management von Inventar und Anlagevermögen, indem es einen ständigen Überblick über den Standort und den Status von wichtigen Ressourcen bietet.

VR und AR in der Automobilproduktion

Virtuelle Realität (VR) und Erweiterte Realität (AR) sind zwei Technologien, die Produktionsprozesse, Design, Schulungen und Wartungsarbeiten revolutionieren sollen. Beide Technologien ermöglichen interaktive und immersive Erfahrungen, bieten jedoch unterschiedliche Anwendungen und Vorteile. VR schafft eine vollständig digitale Umgebung, in die der Benutzer eintauchen kann. In der Automobilproduktion wird VR hauptsächlich im Design- und Entwicklungsprozess von Fahrzeugen eingesetzt. Designer und Ingenieure nutzen VR, um neue Fahrzeugmodelle in einer dreidimensionalen Umgebung zu entwerfen und zu bewerten, ohne physische Prototypen erstellen zu müssen. Dies spart Zeit und Kosten im Entwicklungsprozess. VR wird auch für Schulungszwecke eingesetzt, indem es Mitarbeitern ermöglicht, komplexe Montageprozesse in einer risikofreien, virtuellen Umgebung zu üben.

AR (Augmented Reality) überlagert digitale Informationen oder Bilder in die reale Welt, was dem Benutzer ermöglicht, beide gleichzeitig zu sehen. In der Automobilproduktion wird AR beispielsweise für Montageanleitungen, Wartung und Reparatur eingesetzt. AR-Brillen oder -Displays können Technikern und Montagearbeitern Echtzeit-Informationen direkt im Sichtfeld anzeigen, wie beispielsweisre Schritt-für-Schritt-Anleitungen für die Montage oder Wartung, was die Effizienz steigert und Fehler reduziert. Darüber hinaus kann AR bei der Qualitätskontrolle unterstützen, indem es ermöglicht, digitale Überlagerungen von Soll-Zuständen mit den Ist-Zustandänden von Komponenten zu vergleichen, um Abweichungen sofort zu identifizieren. Ein Beispiel ist die AR-Bolzentrolle im Porsche-Werk Leipzig.

Data Analytics in der Automobilproduktion

Durch den Einsatz moderner Datenanalysetechniken können Automobilhersteller Muster und Trends in den Daten erkennen, die sonst verborgen bleiben würden. Diese Erkenntnisse ermöglichen es den Unternehmen, fundierte Entscheidungen zu treffen, Prozesse zu optimieren und letztendlich ihre Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen. In der Automobilproduktion können die Anwendungen von Data Analytics vielfältig sein, beispielsweise:

  • Qualitätskontrolle: Durch die Analyse von Daten aus der Produktion und Endkontrolle können Fehlerquellen identifiziert und Prozesse angepasst werden, um die Qualität der Fahrzeuge zu verbessern.
  • Vorhersage von Wartungsbedarf: Predictive Maintenance (vorausschauende Wartung) verwendet Analysetechniken, um den Zustand von Maschinen und Anlagen zu überwachen und Wartungsbedarf vorherzusagen, bevor Ausfälle auftreten.
  • Optimierung der Lieferkette: Data Analytics hilft bei der Analyse und Optimierung der Lieferkette, um Engpässe zu vermeiden, Kosten zu reduzieren und die Lieferzuverlässigkeit zu verbessern.
  • Personalisierung von Produkten: Durch die Analyse von Kundendaten können Automobilhersteller Trends und Präferenzen erkennen und ihre Produkte besser auf die Bedürfnisse der Kunden zuschneiden.
  • Effizienzsteigerung: Die Analyse von Produktionsdaten ermöglicht die Identifizierung von Ineffizienzen in der Produktion, die dann durch Anpassungen im Produktionsprozess behoben werden können.

VUCA in der Automobilproduktion

Das Konzept des VUCA-Modells ist ein Rahmenwerk, das die Eigenschaften einer komplexen und dynamischen Umwelt beschreibt, mit der Organisationen konfrontiert sind. VUCA steht dabei für:

Volatility (Volatilität): Dies bezieht sich auf die Unbeständigkeit oder Instabilität in einem Umfeld. Volatilität bedeutet, dass sich Bedingungen schnell und unvorhersehbar beispielsweise durch plötzliche wirtschaftliche Veränderungen, politische Ereignisse oder technologische Durchbrüche ändern können. In der Automobilindustrie sind davon besonders die Fahrzeugnachfrage, Rohstoffpreise oder die Entwicklung autonomer Fahrtechnologien betroffen.

Uncertainty (Unsicherheit): Unsicherheit bezieht sich auf die Unvorhersehbarkeit von zukünftigen Ereignissen, Risiken und deren Auswirkungen. Dies kann durch komplexe und sich schnell ändernde Marktbedingungen, regulatorische Unsicherheit in Bezug auf Emissionen und Kraftstoffeffizienz oder geopolitische Spannungen verursacht werden.

Complexity (Komplexität): Komplexität bezieht sich auf die Vielfalt der Faktoren und deren Interaktionen in einem Umfeld. Die Komplexität der Autobranche setzt sich in erster Linie aus globalen Lieferketten, einer Vielzahl an Ausstattungsvarianten und technologischen Entwicklungen zusammen.

Ambiguity (Mehrdeutigkeit): Mehrdeutigkeit bezieht sich auf die Unklarheit oder Mehrdeutigkeit von Informationen. Verschiedenen Kundenpräferenzen und die zunehmende Konkurrenz durch neue Marktteilnehmer können Entscheidungsfindungen erschweren.

Der Umgang mit einem VUCA-Umfeld erfordert eine strategische und proaktive Herangehensweise, um sich an die volatilen, unsicheren, komplexen und mehrdeutigen Bedingungen anzupassen. Dazu zählt unter anderem Agilität zu fördern, Frühwarnsysteme einzurichten und klare Kommunikation zu etablieren.

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