Vier Jahre sind vergangen, seit Valmet Automotive im finnischen Salo mit der Produktion von Batteriesystemen begonnen hat. Der Umsatz der Geschäftseinheit EV Systems ist seither von zehn Millionen auf rund 1,1 Milliarden Euro gestiegen. Mittlerweile macht sie damit rund 40 Prozent des Gesamtgeschäfts aus. Bis 2023 sollen es sogar 60 Prozent werden. Dazu beitragen wird – neben der 2021 gestarteten Batterieproduktion in Uusikaupunki – ein neuer Standort in Deutschland.
In Kirchardt bei Heilbronn beweist Valmet Automotive, dass auch hierzulande noch Geschwindigkeit bei derartigen Bauvorhaben möglich ist. In einer nur zweijährigen Umbauphase wurde die Industriebrache einer ehemaligen Druckerei zur Produktionsstätte für Batteriesysteme umfunktioniert. Prozessabläufe und Standards der finnischen Werke konnten dabei adaptiert werden, erklärt Olaf Bongwald, CEO von Valmet Automotive, bei der Eröffnung zum Auftakt der zweiten Jahreshälfte.
Weshalb die Finnen einen höheren zweistelligen Millionenbetrag in den Brownfield-Standort investieren, macht spätestens ein Blick auf die von Valmet präsentierte Landkarte klar: Neben den eigenen Entwicklungsstandorten befinden sich potenzielle Kunden wie Audi, Mercedes-Benz und Porsche in unmittelbarer Nähe. Der Auftrag eines deutschen Autoherstellers im Jahr 2020 habe die Standortfrage quasi vorab beantwortet, berichtet der CEO. So sei Just-in-Sequence-Belieferung künftig über kurze Distanzen möglich.
Uusikaupunki liefert Module für die Großserie
Aktuell beschäftigt Valmet Automotive auf der 11.500 Quadratmeter großen Produktions- und Logistikfläche rund 80 Mitarbeiter. Mit dem Hochlauf der beiden Linien soll sich diese Zahl verdoppeln. Und auch bei der Fläche ist noch nicht das Ende der Fahnenstange erreicht: Dem Unternehmen stehen knapp 15.000 Quadratmeter für eine kurzfristige Erweiterung zur Verfügung. Dort könnten die Entwicklung, weitere Linien oder die Produktion von Batteriemodulen angesiedelt werden. Für die Großserie werden Letztere bislang ausschließlich im finnischen Uusikaupunki hergestellt.
„Wir haben einen logistischen Nachteil in Kauf genommen, um ohne Anlaufschwierigkeiten auszuliefern“, erläutert Bongwald die Gründe. Modul- und Packfertigung werden normalerweise an einem Standort vereint. „Sollten wir einen Folgeauftrag für dieses Projekt erhalten, würden wir die Module demnach nicht nur in Finnland fertigen.“ Schließlich entwickle das Unternehmen die Systeme in Eigenregie und baue seine Expertise im Bereich der Kleinserie weiter aus.
Kleinserie verkörpert die Philosophie der Autonomie
Auf rund 2.000 Quadratmetern markiert die Kleinserie den Auftakt für die Batterieproduktion in Kirchardt. Im dritten Quartal 2022 startete die Vorserie für den Plug-in-Hybrid (PHEV) einer Sportwagenmarke, der SOP folgte im Februar dieses Jahres. Aus über 100 Einzelteilen werden hierbei nicht nur die Packs und das Batteriemanagementsystem, sondern auch die Module zu einem Gesamtsystem montiert. „Der Automatisierungsgrad der Kleinserie ist nicht so hoch“, sagt Werksleiter Cahit Aksoy über die gemeinsam mit AVL und PIA Automation entwickelte Linie. „Deshalb arbeiten hier auch mehr Mitarbeiter.“
Durch den höheren Anteil manueller Prozesse werden die zwölf Beschäftigten an der Linie in der generellen Modulfertigung sowie in Prozessschritten wie Biegen, Schneiden, Laserschweißen, Kleben, Dichtheitsprüfungen oder End-of-Line-Prüfverfahren weitreichend befähigt. Perspektivisch soll zudem das benachbarte Labor um ein Testzentrum erweitert werden, um den Standort in Bad Friedrichshall zu entlasten. „Wenn wir hier wachsen, wollen wir nicht jede Batterie dorthin schicken. Wir wollen möglichst autonom bleiben, das ist die Philosophie hinter unseren Werken“, so Aksoy.
Batterieproduktion geht nächstes Jahr in Großserie
Hinter dem Vorhang zur Großserie ergibt sich ein anderes Bild. Die U-förmige Linie wurde gemeinsam mit Schmid für die Elektroautos eines deutschen Herstellers errichtet und kommt mit der Hälfte der Mitarbeiter aus. Die Montage der Packs erfolgt nahezu vollautomatisiert. „Letztlich lässt sich nicht alles automatisieren“, resümiert Aksoy bei der Führung durch die Halle. Menschliches Zutun sei etwa bei Schraub-, Füge oder Einlegeprozessen nötig. Und auch die Intralogistik werde aufgrund von Wartung, Kosten und Anfälligkeiten auf klassischem Wege erledigt, indem ein Logistiker das Förderband der Linie befüllt. Im August sollen dann die ersten Hochvoltbatteriesysteme vom Band laufen. Der Drei-Schicht-Betrieb und der damit verbundene Start der Großserie sind für das dritte Quartal 2024 geplant.
Vollständig abgeschlossen sind die Arbeiten in Kirchardt allerdings nicht: 1.500 Quadratmeter warten nach den dort abgehaltenen Festivitäten auf ihre Bestimmung. Wahrscheinlich werde dort der Prototypenbau verortet, prognostiziert Aksoy. Dieser sei bislang ebenfalls nur in Uusikaupunki angesiedelt. Zudem könnte der Abschluss der Bauarbeiten zugleich der Startschuss für eine weitere Expansion sein. Das Unternehmen zieht bereits eine vierte Batteriefabrik in Betracht, die laut CEO Olaf Bongwald „mit hoher Wahrscheinlichkeit“ in Deutschland gebaut wird. Das hänge vom nächsten Auftrag ab.