Golf-Modelle im VW-Werk Wolfsburg

Der Golf war ist und soll auch in Zukunft das wichtigste Auto aus Wolfsburg bleiben. (Bild: Volkswagen)

An passenden Redewendungen mangelt es nicht, wenn man die aktuelle Entwicklung rund um das VW-Werk in Wolfsburg beschreiben möchte. Ob 'Back to the roots' oder 'Schuster, bleib bei deinen Leisten' – sie alle treffen den Kern dessen, was aktuell in Ostniedersachsen angesagt ist. Dabei sah es noch vor zwei Jahren ganz anders aus. Das sagenumwobene Trinity-Werk sollte Wolfsburg in neue Sphären heben und weltweit Maßstäbe in Sachen Produktionseffizienz definieren. Doch dann kam Oliver Blume. Und der rasierte einen Phantasieplan nach dem nächsten.

Dennoch war Mitte 2024 in Wolfsburg Feierstimmung angesagt – der Golf wurde 50. Wenige Monate später war vom Stolz auf das bislang Erreichte jedoch nicht mehr viel übrig. Die Proteste gegen die radikalen Sparpläne des Managements fanden vor allem rund um das Gelände des niedersächsischen Stammwerks statt. Am Ende der monatelangen Streitereien lautete der Zukunftsplan für Wolfsburg: Nur noch zwei, statt vier Montagelinien und die Verlagerung der Golf-Produktion nach Mexiko.

2024 steigerte das VW-Werk Wolfsburg das Volumen

Im Hier und Jetzt wird der Verbrenner-Golf noch in verschiedenen Derivaten, ebenso wie der Tiguan, der Touran und seit Ende 2024 auch der Tayron in Wolfsburg gefertigt. 2024 verließen rund 523.000 Autos die 1938 fertiggestellte Fabrik. Damit konnte das Stammwerk seine Bilanz um rund 30.000 Fahrzeuge nach oben schrauben. Ein Erfolg, der noch auf das Wirken des alten Werkleiters, Rainer Fessel, zurückzuführen ist. Seit November trägt ein Mann die Hauptverantwortung, der viel Erfahrung darin hat, ein Werk auf die Produktion von Elektroautos umzustellen. Uwe Schwartz wechselte von Emden nach Wolfsburg. Der VW-Veteran zeigt sich zuversichtlich, dass es 2026 weiter nach oben geht: „Insbesondere beim Tiguan haben wir gerade gut zu tun und deshalb Sonderschichten vereinbart, um unser Programm zu erfüllen. Auf der Montagelinie 4 werden wir sogar zum ersten Mal seit vielen Jahren auch im Werkurlaub Autos bauen. Das ist ein gutes Zeichen.“ Letztlich zähle jedes Auto, das in Wolfsburg vom Band laufe – und trage zum Ergebnis der Marke bei.

ID.3 und Cupra Born als erste E-Autos aus Wolfsburg

Trotzdem: Besonders die Entscheidung, den Golf nach Puebla zu verlagern, erschütterte viele Mitarbeiter. Neu-Werkleiter Schwartz beschwichtigt: „Ich kann verstehen, dass die Ankündigung, das Golf-Volumen ab dem zweiten Halbjahr 2026 nach Mexiko zu verlagern, viele Kolleginnen und Kollegen verwundert und manch einen auch enttäuscht hat.“ Er werte das positiv: Es zeige nämlich, wie groß die Identifikation mit diesem Modell am Standort sei. „Umso wichtiger ist es mir, noch einmal zu betonen, dass die Geschichte des Golf hier in Wolfsburg keineswegs vorbei ist. Ganz im Gegenteil: Wir fügen mit dem elektrischen Nachfolger des heutigen Golf ein neues Kapitel hinzu. Wenn man so will, schneiden wir alte Zöpfe ab – um Platz für etwas Neues zu gewinnen.“

Bevor es jedoch dazu kommt, soll das Stammwerk nun doch wieder den ID.3 bauen. Auch Cupras Born geht von Zwickau nach Wolfsburg. Die ständigen Planänderungen hinsichtlich der Werkbelegung lassen sich am Beispiel des ID.3 gut aufzeigen. Ursprünglich sollte der erste Stromer aus dem Hause VW nach Wolfsburg wandern. Doch die viel zu geringe Nachfrage nach Elektroautos zwang die Manager dazu, ihre Pläne zu ändern. Zwar sei der Standort bereit, schnell umzustellen und auch Elektroautos zu bauen. Da die Kapazitäten in Zwickau und Emden aber ohnehin nicht ausgereizt seien, bestehe kein Bedarf an einem zusätzlichen Produktionsstandort für den ID.3 – so die Infos aus 2024. Inzwischen alles wieder kalter Kaffee. Wann der „Dreier“ nun wirklich nach Wolfsburg umziehen wird, ist noch offen. Dass es dazu kommt, dürfte dieses Mal jedoch sicher sein. „Mit der Integration des ID.3 und des Cupra Born in die Montagelinie 1 steigen wir endlich und endgültig in die Elektromobilität ein“, betont Werkleiter Schwartz. „Ich kann nur dafür werben, das als Chance zu begreifen. Mein Anspruch ist es, dass Wolfsburg auch weiterhin Vorbild für andere Standorte ist und eine führende Rolle in der Transformation und Weiterentwicklung unseres Unternehmens spielt.“

Hoffnung auf hohe Auslastung durch E-Golf und E-T-Roc

Noch jedoch regiert weiter der Golf. Allein in Wolfsburg wurde das Modell mehr als 20 Millionen Mal gebaut. Dabei deutete vor nicht allzu langer Zeit vieles auf ein Ende der Golf-Ära hin. Doch nach dem Trinity-Fiasko ist man bei VW zur Erkenntnis gelangt, dass eine Beerdigung des Kultgefährts, welches den zwölf Millionen Mal gebauten Käfer längst in den Schatten gestellt hat, doch keine schlaue Idee war. Nun, so der Plan, soll der Golf ab 2028 auf der zukünftigen Einheitsplattform SSP als reines E-Auto weitergebaut werden – in Wolfsburg.

Zwar hat sich VW – anders als vom gleichnamigen Werk – noch nicht komplett vom Trinity-Modell verabschiedet. In Wolfsburg hat es aber zumindest keine Zukunft mehr. Und man wird den Eindruck nicht los, dass sie in Niedersachen darüber nicht gerade unglücklich sind. Denn natürlich wird Wolfsburg auch ohne Trinity das wichtigste Werk des Weltkonzerns bleiben. Es werden nur etwas kleinere Brötchen gebacken. Statt Trinity bekommt Wolfsburg nun den elektrischen T-Roc.  „Im Stammwerk wird die nächsten Jahre weiterhin nicht nur entwickelt, sondern auch kräftig produziert werden: Die zukünftigen elektrischen Flaggschiffe Golf und T-Roc aus Wolfsburger Fertigung stehen für eine Volumengröße von aktuell mehr als 500.000 Einheiten pro Jahr”, sagt Betriebsratschefin Daniela Carvallo. Ob die künftige Kundennachfrage derartige Volumina auch rechtfertigen wird, bleibt dagegen abzuwarten.

Produktionszahlen deutscher VW-Werke 2023 und 2024
Produktionszahlen deutscher VW-Werke 2023 und 2024

Technische Entwicklung wird zusammengekürzt

Insgesamt produzierte das Werk seit Gründung mehr als 48 Millionen Fahrzeuge. Das Volkswagen-Stammwerk beschäftigt als größtes zusammenhängendes Automobilwerk der Welt nicht nur rund 70.000 Mitarbeiter, sondern dient gleichzeitig als Unternehmenszentrale und Hauptsitz der Marke Volkswagen Pkw. Von der 6,5 Quadratkilometer großen Gesamtfläche des Werks ist ein großer Teilbereich der technischen Weiterentwicklung in bedeutenden Bereichen wie E-Mobilität, Digitalisierung oder dem autonomen Fahren gewidmet.

Und auch für eben jene Technische Entwicklung (TE) haben die Ergebnisse der Tarifgespräche massive Auswirkungen. Das Stichwort lautet Synergien, was im Klartext Stellenkürzungen meint. Im Zuge der Neuausrichtung sollen bis 2030 rund 4.000 Jobs abgebaut werden. Dabei sollen auch Aufgaben in andere Standorte des Entwicklungsverbunds der Technischen Entwicklung verlagert werden. Die TE der Marke VW verantworte künftig den Entwicklungsverbund der Markengruppe Core.

So arbeiten die Gewerke im Wolfsburger VW-Werk

Wer noch nie selbst im Wolfsburger Werk unterwegs war, kann schlicht nicht nachempfinden, welch gigantische Dimensionen sich am Rande des Mittellandkanals erstrecken. Während in den neusten Gebäuden hunderte von Robotern wie von Zauberhand die Einzelteile verschrauben und verkleben, sind wenige Meter weiter in den ältesten Hallen noch Einschusslöcher aus dem Zweiten Weltkrieg sichtbar. Die Historie ist spürbar. Neben modernsten Mega-Pressen hat der OEM vereinzelt noch alte Maschinen stehengelassen. Tradition spielt bei VW eine große Rolle.

Im Presswerk werden Stahlrollen, die bis zu 30 Tonnen wiegen, in Platinen geschnitten. Anschließend erhalten diese ihre dreidimensionale Form. Die Außenhäute für Seitenteile, Türen, Deckel und Hauben entstehen durch Kaltumformung, während Karosserieteile, die höchste Crashsicherheit bieten, durch Warmumformung hergestellt werden. Im Presswerk werden täglich über 400.000 Karosserieteile mit einer Presskraft von bis zu 8.700 Tonnen geformt.

Der Karosseriebau folgt dem Prinzip des Modularen Querbaukastens (MQB). Diese Baukastenstrategie ermöglicht die Produktion von Fahrzeugen, die vom Kleinwagen bis zum Geländewagen reichen, durch die Verwendung ähnlicher Teile und einen geringeren Aufwand. Ein RFID-Transponder steuert jedes Fahrzeug durch die Produktion, indem er die genaue Ausstattung kennt. Seit dem Golf 7 verwendet VW hochfesten Stahl, um die Karosserien noch stabiler und sicherer zu machen und gleichzeitig das Gewicht zu reduzieren. Im Karosseriebau arbeiten rund 3.100 Roboter, die im Sekundentakt über 600 Teile zu einer Karosserie zusammenfügen, was zu einem Automatisierungsgrad von rund 95 Prozent führt. Die Lackiererei des Werks hat eine Fläche, die etwa 48 Fußballfeldern entspricht. Täglich können hier bis zu 3.800 Karosserien in fünf Schichten lackiert werden, wobei etwa 320 Roboter im Einsatz sind.

In über 230 Schritten und zahlreichen Handgriffen wird die Karosserie schließlich zum Auto. Ein Volkswagen besteht aus mehr als 8.000 Teilen. Ein Viertel der Mitarbeiter in der Produktion arbeitet in der Montage und wird von Robotern und ergonomischen Hilfsmitteln unterstützt. Die Produktion erfolgt im 3-Schicht-System, wobei Taktung und Planung dafür sorgen, dass vom ersten Blechteil bis zum fertigen Fahrzeug alles innerhalb kürzester Zeit abläuft. Das Werk verfügt über ein Straßennetz von etwa 75 Kilometern und ein Schienennetz von etwa 60 Kilometern. Täglich liefern rund 1.000 Lkw und etwa 700 Eisenbahnwaggons Millionen von Einzelteilen.

Sie möchten gerne weiterlesen?