zwei Mitarbeiter von BMW drucken mittels additiver Fertigung ein Fahrzeugteil für den Innenraum.

Die Fensterführungsschiene des BMW i8 Roadsters kommt bereits serienmäßig aus dem Drucker. (Bild: BMW)

Freiheitsgrad – das Zauberwort im Interieur-Design. Der Spagat aus ansprechender Optik und gleichzeitig höchsten Ansprüchen an die Bauteilsicherheit ist schon bei der Gestaltung der Außenhülle eines Fahrzeugs besonders knifflig. Im Innenraum aber potenziert sich das Problem. Ein Wohnzimmer auf Rädern soll das moderne Auto sein. Der Wunsch nach Individualisierung wächst ebenso wie Entertainmentangebote und Fahrzeugfunktionen, die bedient werden wollen – ergonomisch sinnvoll, sicher und mit hochwertiger Anmutung was Design und Materialauswahl betrifft. Hersteller und Zulieferer sind daher ständig auf der Suche nach Komponenten und Fertigungsverfahren, die ihnen solche Freiheitsgrade garantieren. Spätestens wenn das autonome Fahren zur Realität wird, steht das Interieur vor einer neuen Ära.

Kein Wunder, dass angesichts dieser Aufgabe der Blick der Autobranche zunehmend auf den 3D-Druck fällt. Additive Verfahren bieten exakt die nötigen Freiheiten in der Bauteilgestaltung – auch wenn die Technologie im Serieneinsatz freilich noch in den Kinderschuhen steckt. Ein Hersteller, der im Innenraum bereits auf Serienteile aus dem Drucker setzt, ist BMW. Die Münchener haben erst kürzlich ihren Additive Manufacturing Campus eröffnet, der sämtliche Aktivitäten des OEMs in diesem Bereich bündelt. „Unser Ziel ist es, die 3D-Druckverfahren zunehmend für die Automobilproduktion zu industrialisieren und neue Automatisierungskonzepte in der Prozesskette umzusetzen“, sagt Daniel Schäfer, Bereichsleiter für Produktionsintegration und Pilotwerk bei der BMW Group. „Damit wird die Herstellung von Komponenten für die Serienproduktion von Automobilen wirtschaftlicher und wir tragen dazu bei, Entwicklungsprozesse zu beschleunigen.“

3D-Druck ermöglicht Individualisierung

Im Serieneinsatz – wenn auch nicht im großen Stil – ist das 3D-Druckverfahren für Teile im Innenraum jedoch nicht erst seit heute. Bereits seit 2017 wird die Führungsschiene für das Fenster des BMW i8 Roadsters im Multi-Jet-Fusion-Verfahren vom Druckerspezialisten HP gefertigt, das gemeinsam mit BMW weiterentwickelt wurde. Der große Vorteil: Es ist deutlich schneller als andere 3D-Druckmethoden. Zu Beginn des Prozesses wird eine dünne Kunststoffpulverschicht aufgetragen. Als nächstes spritzt der Druckkopf zwei spezielle Lösungen in das Pulverbett. Das Besondere dabei ist, dass fast zeitgleich das Aufschmelzen der jeweiligen Schicht des Bauteils durch flächige Infrarotstrahlung erfolgt. Die vorherige Schicht ist noch flüssig, wenn eine neue Lage aufgetragen wird. So können beide Schichten vollständig miteinander verschmelzen.

Dank des Verfahrens können laut BMW bis zu 100 Fensterführungsschienen innerhalb von 24 Stunden produziert werden. Aktuell sind Dekorteile aus dem Drucker noch naheliegender. Im neuen Mini John Cooper Works GP stammt die Interieurleiste auf der Beifahrerseite mit individueller Nummerierung des jeweiligen Fahrzeugs ebenso aus dem 3D-Drucker wie die Mittenmarkierung aus Metall im Lenkradkranz und die Schaltwippen hinter dem Lenkrad. In einem früheren Projekt konnten Mini-Kunden bereits individuelle Cockpitverkleidungen und Blinker-Inlays ordern. Beteiligt war der 3D-Druckspezialist EOS. Auch die PSA-Marke DS setzte in einer Kleinserie des DS 3 auf die Technologie des Unternehmens aus Krailling bei München: Für das limitierte Modell Dark Side wurden Zierleisten für die Türgriffblende in einem aufwendigen Gitter-Design aus Titan gedruckt.

Ein Dekorelement im Interieur des Mini, das mittels additiver Fertigung gedruckt wurde.
In einer limitierten Auflage konnten Mini-Kunden Dekorelemente aus dem 3D-Drucker ordern. (Bild: Mini)

Höhere Freiheitsgrade und geringere Kosten

Der 3D-Druck ist selbstredend nur ein innovatives Fertigungsverfahren von vielen und steht noch ganz am Anfang in Sachen Serieneinsatz. Ein weiterer großer Trend im Interieur ist die Fertigung von dreidimensionalen Displays aus Polycarbonat. Zulieferer Continental hat in diesem Bereich mit dem Curved Plastic Lense gezeigt, wo die Reise hingehen kann. Digitaler Instrumententräger und zentrales Display verschmelzen zu einer geschwungenen Einheit. Produktionstechnisch ist das nicht trivial. Die Basis liefert eine große, flache Kunststofffolie, die in mehreren Schritten bedruckt wird. Die Grundfarben werden im Siebdruck aufgebracht. Der folgende Schritt birgt die Schwierigkeit, die 2D-gedruckte Folie in eine dreidimensionale Kontur zu bringen.

Als Lösung setzt Continental auf das Hochdruckumformverfahren. Die Folie wird glasähnlich aufgeheizt und dann in die gewünschte Kontur geblasen. Heizkacheln erwärmen die Folie auf 150 Grad Celsius. Sie kommt in ein Formmodul und wird mit knapp 60 bar Luftdruck in die gewünschte Form gedrückt. So entsteht eine dreidimensionale Skulptur. Umgesetzt wurde das Projekt mit den Werkstoffspezialisten von Covestro. „Die Kombination aus unterschiedlichen Verarbeitungstechnologien wie FIM (Film Insert Molding) und Formpressung für große optische Teile ist ein Sprung in die nächste Generation der dekorierten Kunststoffbauteile“, sagt Roland Künzel, Leiter Technical Center Films bei Covestro. Vom Einsatz von Polycarbonat als Alternative zu Glas versprechen sich Display-Hersteller geringere Kosten bei höheren Freiheitsgraden – das hat es letztlich mit dem 3D-Druck gemein.

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