306 km/h sind eine Höchstgeschwindigkeit, die kein anderer Seriencrossover bietet und das dürfte man vor allen Dingen in Zuffenhausen nicht gerne hören und lesen. Denn das Topmodell des neuen Porsche Cayenne Turbo Coupé schafft es mit seinem 550 PS starken V8-Doppelturbo gerade einmal auf eine Höchstgeschwindigkeit von 286 km/h. Ärgerlich, dass auch der Lamborghini Urus den sportlichsten aller Cayennes noch mit 305 km/h in die Konzerntasche steckt. Dabei dürfte es den meisten Kunden auch beim Bentley Bentayga Speed kaum auf die immense Höchstgeschwindigkeit ankommen. Der edelste und teuerste aller Bentaygas dürfte insbesondere in den USA und Vereinigten Arabischen Emiraten seine begeisterten Kunden finden und hier ist mit Tempo 300 km/h selbst illegal kaum etwas zu machen.

So lebt der Bentayga Speed ebenso wie die anderen Speed-Modelle von Bentley in erster Linie davon, der teuerste seiner Art zu sein. Das unterstreichen auch die Leistungsdaten und der Fahreindruck auf der Rennstrecke. Die fahrdynamischen Unterschiede zum bereits opulent motorisierten Bentayga W12 mit seinen 635 PS sind dünn und selbst für den gefühlvollsten Kunden nicht herauszufahren. Wie will man jenseits der 600 PS merken, ob in den zwölf Brennkammern nunmehr 608 oder 635 PS trampeln? Zudem ist das maximale Drehmoment von 900 Nm bei beiden W12-Modellen unverändert und Leistung aus allen Lagen hat der 2,5 Tonnen schwere Brite sowieso. Fahrwerk und Getriebeautomatik des Bentayga Speed wurden leicht angepasst. Alles etwas straffer und etwas direkter; doch groß sind die Unterschiede beim besten Willen nicht.

So sind es die optischen Finessen, die den kleinen, aber ebenso feinen Unterschied machen. Eine feine Spoilerlippe vorn, ein kleiner Schriftzug dort und ein schon größeres Leitwerk an der Dachkante sorgen gleichermaßen für den entsprechenden Anpressdruck und aufmerksame Blicke. Doch auch hier sind Details wie der dunkle Kühlergrill, Schwellerleisten oder dunkle Scheinwerferaugen eher auf den zweiten Blick zu erkennen. Überraschend dabei, dass die mehr als sinnvolle Karbon-Keramik-Bremsanlage nur als Option zu bekommen und in dieser Gewichtsklasse nicht serienmäßig an Bord ist. Wichtiger als die Gewichtsersparnis von schmalen 20 Kilogramm ist die Hitzebeständigkeit von bis zu 1.000 Grad Celsius bei entsprechender Beanspruchung. Auf der engen Rennstrecke von Anglesey in Wales vollbringen Bremsen und die 48-Volt-Wankstabilisierung vor jeder Kurve kleine Wunder, wenn sich der 2,5 Tonnen schwere Koloss durch die Haarnadelkurve wuchten lässt oder nach dem kleinen Anstieg wieder auf Kurveneintrittsgeschwindigkeit verzögert werden muss.

Ein Genuss ist dabei nicht nur der Motorklang, sondern insbesondere der wummernde Auspuffsound, den man eher von einem Sportwagen, denn von einem mächtigen Crossover kennt. Doch der Bentley Bentayga Speed will eben beides sein. Dafür hätte es eben optisch wie technisch durchaus noch etwas mehr sein dürfen. Zu viel britisches Understatement wird weder in den Emiraten noch in den USA von den potenziellen Kunden goutiert. Man will schließlich zeigen, was man hat.

Und wofür man Geld ausgegeben hat. Denn der 635 PS starke Bentley Bentayga Speed kostet mit 235.000 Euro immerhin knapp zehn Prozent mehr als der 214.000 Euro teure Bentayga W12. Dafür gibt es immerhin auch im Innenraum schmucke, sportliche Zugaben wie Alcantarastühle mit klasse Seitenhalt und ein Lenkrad, das nicht nur gut in der Hand liegt, sondern auch die Befehle des Piloten behände umsetzt. Das alles geschieht mit dem grandiosen Stakkato des sechs Liter großen Dutzendzylinders, der im schaltbaren Sportmodus noch etwas gefährlicher tönt und aus seinem sportlichen Anspruch dann auf einmal doch keinen Hehl macht. So weit zum Thema britisches Understatement. Das muss bei einer Sportskanone wie dem Bentley Bentayga Speed nun wirklich nicht sein.

Sie möchten gerne weiterlesen?