Die Zeiten, in denen der VW Golf das Segment der Kleinwagen ganz nach seinem Belieben dominieren kann, sind vorbei. In ihren neuesten Generationen haben besonders Opel Astra und Renault Mégane mächtig draufgesattelt und fahren dicht hinter dem Golf im Windschatten. Beim Design zeigen sich die neuen Emporkömmling dabei nicht allzu mutig; schließlich will man im volumenstarken Kompaktklassesegment keinen Kunden mit seinem Anblick vorab ernsthaft verschrecken. Beide bleiben dabei ihren visuellen Markengenen treu, die sich besonders im Gesicht und der Heckansicht widerspiegeln. Moderner und innovativer wirkt der Renault, ohne es dabei mit der einstigen Extravaganz zu übertreiben.
Die Innenräume von Opel und Renault bieten im Fall der Fälle ausreichend Platz für bis zu fünf Erwachsene. Doch besser man reist allenfalls zu viert, denn weder in Astra (4,37 Meter) noch im 4,36 Meter langen Mégane macht es Freude, sich als Fond-Trio aneinander zu pressen. Etwas mehr Platz bietet dabei der Deutsche, der seine Insassen mit einer großzügigeren Beinfreiheit (75 cm im Vergleich zu 68 cm von der Rückseite der hinteren Sitze gemessen) zu beeindrucken versucht. Zudem gönnt sich der Astra in der zweiten Reihe drei Zentimeter mehr Kopffreiheit, worüber sich nicht nur groß gewachsene Mitreisende freuen. Der Mégane kontert dies mit größeren und entsprechend praktikableren Kopfstützen hinten, separaten Luftausströmern, sowie einem geringfügig größeren Laderaum (387 gegen 370 Litern) und einer größeren Ladeöffnung (111 im Vergleich zu 101 cm). Dafür bietet der Rüsselsheimer eine ebene Ladefläche, wenn die Rücksitze mit zwei Handgriffen nach vorne geklappt werden. Vorne sitzt es sich in beiden Konkurrenten bequem, wobei sich die wohl konturierten Sitze des Opel auf Wunsch nicht nur klimatisieren lassen, sondern auch eine Massagefunktion bereithalten; eine Wohltat auf längeren Strecken. Besonders bei Dunkelheit nett anzuschauen: die verstellbaren Ambientebeleuchtungen aus Frankreich und Deutschland. Nicht nur hübsch anzusehen, sondern auch ein Sicherheitsaspekt sind die LED-Scheinwerfer, mit denen Mégane und Astra ebenfalls optional ausgestattet werden können. Wer noch mehr Sicherheit will, bedient sich zudem bei den Fahrerassistenzsystemen, mit denen beide in Paketlösungen punkten können.
Die jeweiligen Cockpits zeigen Licht und Schatten. Moderner wirken die Instrumente des Renault, auch wenn die einzelnen Anzeigemodule nicht komplett animiert und von einem zentralen Digitaltacho dominiert sind. So modern sich die Mittelkonsole mit dem entsprechenden Touch Screen des Astra präsentiert, so betagt und lieblos wirken dagegen seine Instrumente ohne jeden Charme im Stile der späten 90er Jahre. Darüber hinaus gibt es beiden Modellen wenige reale Taster, da hüben wie drüben vieles über variable Touchmodule bedient wird und nur die wichtigsten Komfortfunktionen von Klimaanlage oder Sitzen direkt angesteuert werden können. Die Tablet-ähnliche Infotainment-Schnittstelle des Renault Mégane ist im Alltag jedoch überaus anfällig für Fingerabdrücke der Benutzer. Der Astra Touchscreen inklusiv Intellilink System ermöglicht zudem eine deutlich intuitivere Bedienung als Mégane‘s R-Link.
Aus dem breiten Motorenportfolio sind für die europäischen Kunden in erster Linie die ebenso sparsamen wie drehmomentstarken Diesel mit 1,6 Litern Hubraum interessant. Während der Selbstzünder des Franzosen 96 kW / 130 PS und 320 Nm maximales Drehmoment leistet, bietet der gleichhubige Diesel im Astra das identische Drehmoment und 100 kW / 136 PS. Technisch sind sich die beiden Triebwerke mit Commonrail-Direkteinspritzung, Ladeluftkühler, Turbolader mit variabler Geometrie sehr ähnlich. Im Realbetrieb ist der Opel-Motor auf hohem Niveau beider Triebwerke das bessere Angebot, weil er nicht nur minimal mehr Leistung, sondern insbesondere eine größere Laufruhe bietet. Zudem gewinnt er nicht nur den Imagespurt 0 auf Tempo 100 in 9,6 gegenüber 10 Sekunden, sondern ist auch bei der Höchstgeschwindigkeit mit 205 km/h leicht vorn. In der Realität lagen die Alltagsverbräuche bei soliden 5,3 bis 5,5 Litern Diesel auf 100 Kilometern.
Beim Fahrverhalten liegen beide Modelle ebenfalls auf ähnlichem Niveau. Der 1.350 Kilogramm schwere Opel Astra 1.6 CDTI präsentiert sich gerade bei Kurvenkombinationen dynamischer und ausgewogener, während der nur knapp über 1,3 Tonnen schwere Renault Mégane 1.6 dCi nicht nur auf längeren Strecken der komfortablere der beiden ist und über Unebenheiten souveräner denn je hinwegfedert. Der Opel gibt schon aufgrund seines niedrigeren Reifenquerschnitts mehr Rückmeldung über die genaue Beschaffenheit der Fahrbahn. Beide Modelle punkten mit direkten Lenkungen und geringeren Antriebskräften. Ebenfalls erfreulich: das geringe Geräuschniveau.
Der Basispreis für den Opel Astra 1.6 CDTi in der Ausstattungsvariante Innovation liegt bei 27.060 Euro. Die mittelprächtige Serienausstattung sollte zumindest mit sinnvollen Ausstattungsdetails wie dem Innovationspaket (1.750 Euro inkl. LED-Scheinwerfer, Navigation), Assistenzpaket (620 Euro inkl. Einparkautomatik, Totwinkelwarner, Rückfahrkamera) und Winterpaket-Premium (Sitzheizung vorne und hinten / Lenkradheizung, USB-Schnittstellen für 610 Euro). Macht mindestens 30.715 Euro für einen gut ausgestatteten 136-PS-Diesel. Dem gegenüber kostet ein vergleichbarer Renault Mégane 1.6 dCi GT Line mit LED-Scheinwerfern, Navigationssystem (690 Euro), Sitzheizung (290 Euro), Head-Up-Display (390 Euro), Einparkautomatik (790 Euro), 18-Zöllern (450 Euro) und weiteren Details beinahe identische 30.390 Euro.
So knapp wie sich der Preisunterschied präsentiert, geht letztlich auch der Vergleichstest aus. Der Opel Astra 1.6 CDTi setzt sich gegen den starken Renault Mégane 1.6 dCi überaus knapp durch. Die neueste Astra-Generation bietet etwas mehr Platz im Innern, besonderen Fahrspaß und insbesondere einen beeindruckenden Vierzylinder-Diesel, der mehr Fahrfreude und bessere Fahrleistungen bietet, als der gute Commonrail-Diesel des Mégane. Der Franzose ist das schickere und modernere Kompaktklassemodell, dessen Innenraum ebenso gefällt wie Außendesign und Wohlfühlambiente. Aufpassen muss der VW Golf, der in diesem Herbst eine Modellpflege bekommt, auf jeden Fall.
Joaquim Oliveira / Stefan Grundhoff; press-inform