Der Ort für die Eröffnung des Advanced Design Centers FAW hätte kaum besser gewählt sein können. Die rote Fahne, die als Markensignet seit den 50er Jahren Motorhauben und Kühler von imposanten Staatslimousinen chinesischer Herkunft schmückt, wehte bei warmen Herbsttemperaturen am ehrwürdigen Schloss Nymphenburg. Dazu tönten seichte Klavierklänge und freundliche Begrüßungsreden. Früher waren in den durchweg schwarzen Luxuslimousinen allein die Parteioberen, Regierungsmitarbeiter und internationale Staatsgäste unterwegs. Jetzt greift Hongqi mit neuem Image Marken wie BMW und Mercedes an - heraus aus München, Bayern.
Regierungsführer Mao Tse-Tung wollte einst nicht in Autos ausländischer Marken durch das eigene Land reisen und so wurde das Staatsunternehmen Hongqi kreiert, das ab 1958 entsprechende Repräsentationslimousinen für die kommunistische Partei Chinas und die Regierungsbehörden fertigte. Die beiden ersten Modelle, der CA72 und sein Nachfolger CA 770 sorgten in diesem Jahr erstmals auch beim Concours dElegance in Pebble Beach, der spektakulärsten Oldtimer- und Klassikveranstaltung der Welt, für Aufsehen. Der nächste Schritt in die westliche Autowelt ist deutlich nachhaltiger als ein Kurzauftritt auf dem imageträchtigen Schlussgrün des Golfplatzes von Pebble Beach. Am Oskar-von-Miller-Ring in München eröffnet Hongqi und der dahinterstehende Staatskonzern FAW nicht nur sein erstes Designcenter außerhalb von China. Die Außenstelle ist das einzige Center für Advanced Design weltweit. Die Wahl der Lokalität hat nach Angaben der Chinesen eine Reihe von Gründen; angeführt von der starken Zulieferindustrie über die guten Flugverbindungen nach China oder den Automobilstandort Oberbayern bis hin zum Wechsel von Giles Taylor an die Kreativspitze der Chinesen. Bis vor wenigen Wochen war der Brite noch Designchef beim BMW-Nobelableger Rolls-Royce. Jetzt soll unter seiner Führung ein neues Design beim Staatskonzern FAW und Hongqi entstehen. "FAW will die jährlichen Hongqi-Verkäufe bis 2020 auf 100.000 und bis 2025 auf 300.000 Fahrzeuge nach oben bringen", sagt Xu Liuping, Chairman der FAW Gruppe.
"Ich bin jetzt 50 Jahre alt und wollte noch einmal eine neue Herausforderung", erklärt Giles Taylor, der zuvor unter anderem bei PSA und Mercedes arbeitete, seinen Wechsel, "Hongqi bringt in den nächsten Jahre 17 neue Modelle heraus. Das ist eine spannende Aufgabe voller Herausforderungen." Die Chinesen haben endlose Jahre ohne nennenswerten Designfortschritt hinter sich und auch technisch passierte nicht viel. Das letzte imposante Aushängeschild war der 2012 vorgestellte Hongqi L5. Die sechs Meter lange Staatslimousine erinnert mit ihren Proportionen und dem breiten Kühlergrill an die Rote Fahne-Staatslimousinen der 50er und 60er Jahre. Unter der Haube arbeitet ein Zwölfzylinder mit sechs Litern Hubraum und 408 PS. Der kleinere Hongqi H7 basiert auf dem Toyota Crown, den FAW als Toyotas Joint Venture-Partner in China baut. Das dürfte den Stolz der Chinesen auf ihre Kultmarke zwar etwas mindern, doch die Hongqi-Limousinen basierten schon früher auf Modellen anderer Marken wie Toyota oder Audi. Die ersten Modelle von 1958 waren sogar mit einem Chrysler-Modell verwandt. Danach bediente sich der exklusive FAW-Ableger auch bei verschiedenen internationalen Marken, um seine höchstgestellten Personen standesgemäß durchs Land fahren zu lassen. Seit 1983 war gerade der VW-Konzern groß im Regierungsgeschäft.
Vier Modellreihen
Aus der exklusiven roten Fahne für Parteifunktionäre soll in den kommenden Jahren ein Premiumhersteller werden, der sich ernsthaft mit internationalen Marken wie Cadillac, Audi, BMW oder Mercedes messen kann. Bereits in den nächsten Monaten will FAW zwei SUV-Modelle von Hongqi mit Namen HS5 und HS7 vorstellen. Derzeit verkauft Hongqi ausschließlich im eigenen Land die drei Limousinen H5, H7 und LS. Im ersten Halbjahr 2018 betrug der Absatz gerade einmal 9.400 Einheiten, ein gewaltiger Sprung von 472 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Doch dabei soll es nicht bleiben. Gemäß seinem Produktplan wird Hongqi bis 2025 insgesamt 17 neue Modelle einführen, von denen 15 NEVs (Plug-in-Hybriden und Elektroautos) sein sollen. Das erste vollelektrische Modell, der E-HS3, soll Mitte kommenden Jahres auf den Markt kommen. München soll in der Wachs- und Transformationsstrategie der Chinesen eine zentrale Rolle spielen. "Wir starten hier im Studio mit einem internationalen Team von rund 50 Personen", erläutert Chefdesigner Giles Taylor. Die ersten konkreten Arbeiten an der Isar begannen bereits vor rund einem Jahr; jetzt wo der neue Studioleiter gefunden ist, soll Vollgas gegeben werden. "Seit Mai 2018 laufen bereits die ersten Projekte", erklärt Ming Zhang, Managing Direktor von FAW Munich, wie die Firma offiziell heißt, "es ist das erste Center außerhalb von China. So wollen wir lernen, die Kunden zu verstehen."
Der Neuaufbau der Marke Hongqi wird sich im ersten Schritt zunächst auf China beschränken. In der zweiten Phase soll das Aushängeschild des FAW-Konzerns jedoch die internationale Bühne betreten. Die insgesamt 17 neuen Fahrzeuge bis 2025 teilen sich dabei in die vier Modellfamilien L, S, Q und H auf. Während die Luxusklasse L dabei ein Gegner für Marken wie Rolls-Royce oder Bentley sein soll, treten S- und Q-Modellreihen beispielsweise als Sportwagen und SUV gegen die Konkurrenz aus den USA und Europa an. Der neue Slogan der Chinesen lautet dabei "let the dream fly" - laß die Träume fliegen. Auch der chinesische Generalkonsul Yonggui Pei verspricht sich einiges von der Ansiedlung in München: "Die Kunden haben große Erwartungen an eine Marke wie Hongqi. Ein guter Start ist die Hälfte des Erfolges und der ist nun gelegt. Chinas Tür wird sich weiter öffnen und Chinas Firmen geht es um den internationalen Wettbewerb."