Die Techno Classica feiert in diesem Jahr einen runden Geburtstag. Seit 30 Jahren findet der groß inszenierte Klassiktreff im Ruhrgebiet statt und dient als Saisonauftakt für die deutsche Old- und Youngtimerszene. Auch wenn sich die Veranstaltung längst internationalen Ruf erarbeitet hat, gibt es mittlerweile schmerzhafte Konkurrenz im eigenen Land. Die Retro Classics in Stuttgart findet parallel statt und wirbt damit, ebenfalls die wichtigste Oldtimermesse der Welt zu sein. Bei den meisten Klassikfans sorgt die gewollte Terminüberschneidung und der sprachliche Wettbewerb nicht für viel mehr als unverständliches Kopfschütteln. So gäbe es neben den anderen internationalen Klassikevents in Paris, London, am Comer See, Amelia Island oder gar in Pebble Beach genug Platz für zwei Oldtimermessen in Deutschland, ohne dass sich die Messeveranstalter einen künstlichen Wettkampf liefern würden.

Die meisten Messebesucher und Aussteller ficht das nicht an. Ihnen geht es um die automobile Leidenschaft und der Gedanke an die beiden Parallelveranstaltungen ist schnell vergessen, wenn es um die Klassiker geht, die es in den Grugahallen zu bestaunen gibt. Denn was ist schon das Unverständnis für konkurrierende Großveranstaltungen, wenn viele Fahrzeugpreise längst in astronomische Höhen entschwunden sind? Die Techno Classica ist nicht nur ein gigantischer Teilemarkt von historischen Lederjacken, über Automobilia jeglicher Art bis zu Büchern, Postern und einem unüberschaubaren Teilemarkt, sondern in erster Linie Branchentreff und Marktplatz.

Rund 2.500 Fahrzeuge suchen in und um die Grugahallen herum einen neuen Besitzer. Das Angebot ist gigantisch, die Auswahl beängstigend und die Preise pendeln zwischen selbstbewusst und astronomisch. Ist ein Ford Granada 2.0 GL von 1981 noch für eine Handvoll tausender in die eigene Garage zu holen, sieht bei begehrten Oldtimern speziell von Mercedes, Porsche, Aston Martin, Ferrari oder BMW schon ganz anders aus. Ein perfekt gepflegter BMW M3 der ersten Generation wird an dem einen Stand für knapp 90.000 Euro angeboten; ein paar Meter weiter kostet ein ähnliches Modell 140.000 Euro oder zwei Hallen weiter 65.000 Euro. Automobile Legenden wie ein Mercedes 300 SL Flügeltürer, ein Aston Martin DB5 oder Ferrari Dino kosten je nach Zustand Phantasiesummen, die nur auf den ersten Blick fernab jeglicher Realität sind. Schon nach ein paar Stunden häufen sich Schilder wie "verkauft" oder "sold" auf den Armaturenbrettern. Wer meint, dass die Preise nur allzu häufig ein krankhaftes Niveau erreicht haben, hat Recht und sieht auf der anderen Seite, dass die Preise Käufer alles andere als abschrecken.

Kaufen oder stöbern?

Eine frisch restaurierte Mercedes 280 SL Pagode wechselt für lockere 300.000 Euro den Besitzer, ein offener 300 SL kostet rund das sechsfache und zu den Preisen der inflationär angebotenen Porsche 911 lässt sich ohnehin seit Jahren nichts mehr sagen. Ein 1973er Porsche 911 Carrera RS kostet hier 580.000 Euro, dort 645.000 Euro und selbst für einen normalen Porsche 911 2.4 T werden als USA-Import gerne 180.000 Euro aufgerufen - und noch lieber bezahlt. Noch Fragen? Der Oldtimermarkt, wie er sich auf der Techno Classica Besuchern und Ausstellern präsentiert, ist nicht mehr als ein Abbild seiner Zeit. Mit einem neuen Auto - egal in welchem Preissegment - kann man heute weder auffallen, noch sich abheben. Und das stete Geplärre um Fahrverbote, Dieselskandal, autonomes Fahren und Leasingangebote macht es den Old- und Youngtimer-Interessenten nur leichter, sich mit einem Klassiker die automobile Kindheit zurückholen zu wollen.

So wundert es nicht, dass der Messeveranstalter S.I.H.A. angibt, dass fast 50 Prozent der in Essen angebotenen Fahrzeuge an und um die Veranstaltungstage herum, den Eigentümer wechseln. Wer nicht kaufen will, findet seltene Ersatzteile, antiquarische Bücher, Sammlerstücke und schlendert durch die Messehallen und schaut sich gerade auch die Klassiker an, die man nicht kaufen kann. Autohersteller und Clubs bieten auf der 30. Techno Classica spektakuläre Fahrzeuge vergangener Zeiten.

Wo sonst gibt es spektakuläre Staatslimousinen wie den Mercedes 600 Pullman oder das kantige Geländegegenstück die historische G-Klasse zu bestaunen? Wo kann man Extravaganzen wie den neuseeländischen Trekka auf Skoda-Octavia-Basis der späten 60er Jahre bewundern, die 90er Jahre mit einem Audi 200 IMSA aufleben lassen oder bei Porsche in die Historie von 70 Jahre Sportwagen eintauchen? Ein rotmetallic-farbener BMW M1 dürfte vielen ebenso neu sein, wie der Jagdwagen Goliath, das Goggomobil Cabrio oder der urwüchsige Ford Escort Rallye aus den 70ern. Und wer sich vielleicht doch für ein Auto begeistern kann und den eigenen Kontostand überprüft: die mehr als 200 Klassikclubs jedweder Marke von Sunbeam bis Saab, Fiat bis Citroen, BMW bis Porsche, Mercedes bis Simca steht mit Rat und Tat zur Seite, wenn es um wertvolle Tipps zu Modellen und Kaufentscheidung geht. Die Techno Classica in der Essener Gruga findet noch zum kommenden Sonntag täglich von 9 bis 18 Uhr statt. Die Eintrittspreise liegen zwischen 11 und 25 Euro. Im vergangene Jahr kamen rund 180.000 Besucher in die 20 Messehallen. Ab Samstagmittag gibt es die große Coys Auktion, wo in diesem Jahr mehr als 100 seltene Klassiker versteigert werden.

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