Nunzio La Vecchia ist ein umgänglicher Mensch. Mit jugendhaftem Gesicht und mit viel Haargel perfekt drapierter Frisur. "Sie sind der erste, der dieses Auto alleine fahren darf. Bisher war ich immer dabei", sagt der selbst ernannte E-Mobilitäts-Pionier, dem in den letzten Jahren heftiger Gegenwind ins Gesicht blies. "Nicht praktikabel", "unausgereift" sind noch die freundlichsten Aussagen, die sein NanoFlowCell-Prinzip auf den Plan rief. Das Konzept klingt für viele zu abenteuerlich: Statt einer Batterie mit vielen Zellen kommt die Kraft für das E-Mobil aus zwei Elektrolyt-Flüssigkeiten, eine positiv, die andere negativ geladen, die über eine Membran Elektrizität erzeugt, die dann in sogenannte "Super-Caps" also Hochleistungs-Kondensatoren wandert und von dort aus den Elektromotor befeuert. Die Technik der Flusszellen-Batterie ist schon seit dem vergangenen Jahrhundert bekannt. Auch NASA-Wissenschaftler experimentierten damit, doch der große Durchbruch fand bisher nicht statt. Jetzt will das Schweizer Brüderpaar La Vecchia es geschafft haben, das Verfahren reif für den Serieneinsatz zu machen. Der Clou ist die Zusammensetzung der bi-ION genannten Flüssigkeit, die natürlich streng geheim bleibt. Damit soll die E-Mobilität einen neuen Schub bekommen und der Quantino soll zeigen, wie.

Momentan laufen Gespräche, um den richtigen Partner zu finden, der die Erfindung auch in die Serien-Autos bringt. "Wenn wir den richtigen Partner finden, können wir in sechs Monaten serienreif sein", heißt es. Momentan laufen Gespräche, mit potenziellen Partnern, die das System in das Auto bringen sollen. Da geht es auch um weitreichende Anwendungen, da Modelle wie der Quant FE sowohl Allradantrieb als auch ein Torque Vectoring einsetzen, das per E-Motoren an den einzelnen Rädern initiiert wird. Anders beim Quantino. Da sorgt ein einziger Motor für Vortrieb. Außerdem ist das Auto eine Niedervolt-Variante mit 48-Volt-Bordnetz. Bisher war das eine Technik für Golf-Karts. Da soll das Schweizer E-Mobil schon eine andere Hausnummer sein.

Bisher stand der Quantino nur auf Messen und gab statisch das Versprechen einer Elektromobilität bar jeder Reichweiten- und Nachfüllangst. Echte Beweise der Funktionstüchtigkeit blieben aus. Jetzt fährt das Auto und ist sogar ein echter Zweisitzer. Auf dem Genfer Salon nahm die Flusszellen-Technik noch den ganzen Raum des Beifahrers ein. "Mittlerweile konnten wir die Technik so verkleinern, dass sie hinter die Sitze passt. Das ist ein großer Schritt für uns", sagt Nunzio und schwingt sich für die ersten Kilometer auf den freien Platz rechts. Schon im Stand surrt das hüfthohe Vehikel vor sich hin. Teile des Cockpits stammen von Serienmodellen, der Schlüssel von BMW. "Aber mit einem NanoFlowCell-Zeichen", lacht La Vecchia.

Ökologischer Sprit

Ein Druck auf den D-Knopf und der Quantino spannt seine Muskeln. Drauf aufs Gas und los geht der Ritt auf dem Pionier-Fahrzeug. Um es gleich vorneweg zu nehmen: Das NanoFlowCell-Auto fährt sich nicht anders als andere E-Mobile. Angefangen von sofort vorhandenen Drehmoment bis hin zu der Tatsache, dass der Maschine bei höheren Tempo langsam die Luft ausgeht. Mit Karacho brennt der Prototyp auf die erste Kurvenkombination zu. Immerhin reichen die 80 kW / 109 PS für einen Sprint in weniger als fünf Sekunden von null auf 100 km/h und einer Spitzengeschwindigkeit von 200 km/h. Die Lenkung leidet unter dem Tesla-Syndrom, ist indifferent und gibt so gut wie keine Rückmeldung. Trotzdem: Rum ums Eck und schwupps, sofort kommt das Heck. Gottseidank ist das Vehikel gutmütig und lässt sich ohne große Kurbelei durch bloßes Gaswegnehmen wieder einfangen. Weiter geht es mit der E-Hatz über das kupierte Gelände des TCS-Testzentrums nahe Hinwil. "Das Auto gehört ihnen, Sie können bis heute Abend damit fahren. Wir haben mit Prototypen schon 14 Stunden geschafft", strahlt Nunzio. Der Quantino soll eine Reichweite von mehr als 1000 Kilometern haben.

In den nächsten Runden wird der Tiefflug in dem quietschgelben Vehikel immer vertauter. Fahrdynamik können andere besser - ohne Frage. Aber die NanoFlowCell-Truppe wird nicht müde zu erwähnen, dass sie kein Automobilbauer ist und der Autodidakt Nunzio sich das Wissen über die Zell-Chemie im Selbststudium beigebracht hat. "In Europa werden neue Ideen kritisiert. In Amerika sind uns Institute wie das berühmte M.I.T ziemlich nah auf den Fersen", sagen die Nanoflowcell-Verantwortlichen. Nunzio La Vecchia will jetzt das Ei des Kolumbus gefunden haben. Die bahnbrechende Erfindung sei nicht die Flusszellen-Technologie, sondern die Zusammensetzung des Elektrolytes. Deswegen will man auch die Autos nicht aus der Schweiz lassen. "Dann könnte es sein, dass beim Zoll eine Probe genommen wird und die bei einem Wettbewerber landet", da wollen die Schweizer kein Risiko eingehen. Zumal die Erfindung noch nicht patentiert ist. Auch die Überbleibsel des Bio-Sprits stellen kein Problem dar: Das Wasser wird in einem feinen Nebel versprüht und die Salz-Reste des Elektrolytes in einem Sieb gefangen, das man selbst wechseln kann. Auch der Verschleiß soll gering sein: Die Flusszellen-Batterie soll 10.000 Ladezyklen vertragen, ehe die Membran gewechselt werden muss. Bei einer Reichweite von rund 1.000 Kilometern pro Ladung wären das traumhafte Werte.

Bezahlbare Technik - nicht nur für Autos

Die Frage, ob man den automobilen Energy-Drink im Tank auch verzehren könnte, bejahen die Techniker. Allerdings bestünde die Gefahr, dass man die nächsten Stunden auf der Toilette verbringt. Trotzdem: Das große Plus der Flüssigkeit in den Tanks des Quantino ist die problemlose Handhabung. Der Öko-Sprit könnte an jeder gewöhnlichen Tankstelle ausgegeben werden, damit wäre auch die Infrastruktur rasch vorhanden. Innerhalb von vier Minuten wäre ein Tank voll. Momentan fassen die beiden Behälter des Quantino noch 159 Liter bald sollen es nur noch 80 bis 100 Liter sein.

Bleibt nur noch die Frage, wie teuer denn der ganze Spaß wird. "Der Quantino wird ähnlich viel kosten wie der Opel Ampera-e", sagen die La Vecchias. Das wären dann etwa 35.000 Euro. Und der Sprit? "Da gehen wir von zehn Cent pro Liter aus", lautet die Antwort. Vor Steuern oder sonstigen Zulagen, versteht sich. Um dieses Preis-Niveau zu erreichen, müssten etwa 2.300 NanoFlowCell-Autos unterwegs sein. Irgendwie klingt das alles zu fantastisch, um wahr zu sein. Die Wunder-Flüssigkeit und die dazugehörige Technologie sollen auch skalierbar sein und könnte vom Smartphone bis hin zum Flugzeug, dem eigenen Haus oder großen Schiffen alles mit Strom versorgen. Das wäre auch das Haupt-Einsatz-Feld der Technik, die Automobile sind da nur Nebensache.

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