Innenraum Mercedes/ So erobern nachhaltige Materialien das Interieur

Unter anderem nachhaltige Lederbezüge und Zierelemente aus Papier zeigt Mercedes-Benz im CLA Concept. (Bild: Mercedes-Benz)

Das Umdenken hat begonnen und insbesondere das Thema Nachhaltigkeit soll bei den OEMs auch nach außen erkennbar werden. Gerade Sportwagenhersteller müssen dabei einen schwierigen Spagat hinlegen. Beispiel Lamborghini. Aktuell entwickelt der Hersteller aus der Nähe von Bologna sein erstes Elektromodell Lanzador, dessen Interieur mit vier Einzelsitzen, wegklappenden Bildschirmen und eine puristische Bedienung aufwartet, während eine Vielzahl wiederverwendeter Materialien zum Einsatz kommen, um Leder oder wiederverwendetes Karbon zu flankieren.

Armaturenbrett, Sitze und Türverkleidungen bestehen aus Merinowolle, während der farbige Faden aus recyceltem Nylon stammt. Die meisten unsichtbare Kunststoffe, etwa der Schaumstoff der Sportsitze, werden aus 3D-gedruckten und recycelten Fasern hergestellt. Auch die Karbonfasern, die für die Mittelkonsole und die Türverkleidungen verwendet werden, bestehen aus regeneriertem Karbon - einem neuen, zweischichtigen Verbundwerkstoff. Entwicklungschef Rouven Mohr betont, dass derartige Materialien auch ihren Weg ins spätere Serienmodell finden.

Bei allem Streben nach Nachhaltigkeit, setzt Lamborghini ebenso wie die meisten Premiummarken dennoch auf Leder. Dieses wird nachhaltig gegerbt, da das Wasser aus der Olivenölproduktion stammt und wegen seines hohen Säuregehalts und seiner antimikrobiellen und phytotoxischen Wirkung in Kläranlagen behandelt werden muss. Restwasser aus der Olivenölproduktion kann darüber hinaus auch von Chemikalienherstellern für die Produktion von Gerbstoffen wiederverwendet werden. Weitere Ressourcen werden zudem durch ein neu entwickeltes 3D-Druckverfahren für Kunststoffe geschont. Das Material für das sogenannte Fused Deposition Modelling-Druckverfahren stammt aus recycelten Abfällen, etwa von gebrauchten Plastikflaschen, und kann nach seiner Nutzungsdauer erneut recycelt werden. Der Anteil recycelten Materials kann je nach Herkunft der Abfälle zwischen 45 und 100 Prozent betragen.

Interieur Lamborghi / Im Innenraum setzt Lamborghini unter anderem auf Recycling-Kunststoffe und nachhaltig gegerbtes Leder.
Im Innenraum setzt Lamborghini unter anderem auf Recycling-Kunststoffe und nachhaltig gegerbtes Leder. (Bild: Lamborghini)

Purosangue ist der "nachhaltigste Ferrari"

Auch Wettbewerber Ferrari muss sich zumindest im Kleinen auf ungewohntem Terrain neu erfinden. Die Innenausstattung des Nobel-SUV Purosangue wartet mit einer speziellen Alcantara-Ausstattung auf, die neue Maßstäbe setzen soll. Die Innenausstattung besteht aus Kunststoffen, die zu 68 Prozent recycelt wurden. „Der Bezug mit Alcantara hat Vorteile, die gerade für sportliche Fahrzeuge wichtig sind“, erläutert Marco Scuotto, Vertriebsleiter von Alcantara. Das Material spare im Vergleich zu Leder rund die Hälfte des Gewichtes und lasse sich leicht reinigen, so Scuotto. Das neue Material wurde mit einem Nachhaltigkeitssiegel nach dem Recycled Claim-Standard zertifiziert, bei dem die einzelnen Komponenten von der Quelle bis zum Endprodukt verfolgt werden. Der Purosangue ist der derzeit wohl nachhaltigste Ferrari, denn laut OEM werden 85 Prozent der Ausstattungselemente nachhaltig produziert.

Ferrari-Innenraum / Ferrari spart mit neuen Interieur-Materialien deutlich an Gewicht.
Ferrari spart mit neuen Interieur-Materialien deutlich an Gewicht. (Bild: Ferrari)

Porsche kontrolliert die Leder-Lieferketten

Leder ist für die Porsche-Kunden ein Qualitätsmerkmal. Zusammen mit unseren Lieferanten setzen wir uns für international akzeptierte Standards ein. Wichtig sind dabei auch die Anlagen, in denen unser Leder hergestellt wird. Sie sollen eine Zertifizierung durch die LWG erhalten“, sagt Barbara Frenkel, Vorständin für Beschaffung bei Porsche.  Anfang 2022 hat der Sportwagenhersteller ein materialspezifisches Lastenheft für Leder erstellt, das alle Zulieferer seither einhalten müssen. Unter anderem muss das Herkunftsland der Rohware offengelegt werden und die Firmen maximales Tierwohl sowie eine verantwortungsvolle Lederproduktion garantieren. „Mit der Rückverfolgbarkeit der Lieferketten können Unternehmen sicherstellen, dass sie Leder auf verantwortungsvolle Weise beschaffen. Das steht im Kern unserer Bemühungen", so Christina Trautmann, Leiterin der Leather Working Group.

Interieur Porsche / Beim Bezug von Leder macht Porsche den eigenen Zulieferern strenge Vorschriften.
Beim Bezug von Leder macht Porsche den eigenen Zulieferern strenge Vorschriften. (Bild: Porsche)

Die Neue Klasse setzt auf neue Druckverfahren

BMW setzt sich mit der Neuen Klasse, die 2025 bis 2027 insgesamt sechs neue Elektromodelle hervorbringen wird, große Ziele. Beim kommenden Dreier als erstem Modell setzt der Autobauer ein neues Druckverfahren nicht nur für Komponenten im Innenraum, sondern auch für Außenkomponenten ein. Dazu zählen unter anderem Leuchtelemente, die sich speziell auf einzelnen Ebenen ansteuern lassen. Das Armaturenbrett ist mit nachhaltigem Cord bezogen, der es ebenfalls ins Serienmodell schaffen soll. Beim Hersteller will man mit der nächsten Fahrzeuggeneration den Anteil von Sekundärrohstoffen deutlich erhöhen und mit einer geringeren Materialvielfalt die Recyclingmöglichkeiten verbessern. Dazu soll auch ein geändertes Demontagekonzept beitragen, das das Recycling der Fahrzeuge optimieren soll.

Ähnlich verfährt Mercedes-Benz mit der seriennahen Studie des CLA Concept. Das für Ende 2024 angepeilte Serienfahrzeug soll innen wie außen über die gleichen nachhaltigen Materialien verfügen, wie das Konzeptmodell: Die Karosserie und große Teile des Fahrwerks werden aus CO2-freiem Stahl und CO2-reduziertem Aluminium gefertigt, im Innenraum bietet die neue Einstiegsfamilie auf der MMA-Plattform unter anderem nachhaltige Lederbezüge und Zierelementen aus Papier. „Ich bin mir sicher, dass wir mit unserer MMA-Plattform unseren Kunden in diesem Marktsegment eine klassendefinierende Kombination aus Leistung, Nachhaltigkeit, Sicherheit und Komfort gepaart mit einem herausragenden digitalen Erlebnis bieten können“ sagt Entwicklungsvorstand Markus Schäfer.

Nachhaltige Materialien werden demokratisiert

Der Ersatz bekannter Materialien durch Naturstoffe betrifft freilich nicht alleine Premiumhersteller. Denn neue Inhaltsstoffe geben den Kreativen bei den OEMs auch völlig neue Möglichkeiten, etwa dank moderner Digitaltechnologien wie dem 3D-Druck. „Wir wollten uns von den in der Automobilindustrie typischerweise verwendeten Materialien lösen“, erklärt Francesca Sangalli, bei Seat für Color, Trim und Koncept verantwortlich. Dazu experimentiere man mit natürlichen Materialien, die in der Automobilindustrie normalerweise nicht verwendet werden. „Mit den neuen Techniken sind wir von der 2D- zur 4D-Konstruktion übergegangen und haben Strukturen geschaffen, die zu echten Vorzeigeobjekten geworden sind.“ Mit der 3D-Flachstricktechnologie lassen sich Stoffe komplett nach Maß fertigen.

Sie möchten gerne weiterlesen?