Trumpf-Mitarbeiter mit beschichteter Bremsscheibe

Trumpf erprobt den Serieneinsatz eines Laserverfahrens für die Herstellung von Bremsscheiben bereits mit namhaften Automobilherstellern und Zulieferern. (Bild: Trumpf)

Feinstaub kann bereits in sehr geringer Konzentration gesundheitsschädigend wirken. Abrieb von Bremsscheiben zählt zu den Verursachern dieser ungewollten Emissionen. Der Gesetzgeber reglementiert künftig umfassend: Erstmals wird auch der Ausstoß von Feinstaub durch Motor, Getriebe oder Bremsscheiben reglementiert. Rund die Hälfte der Partikelemission im Straßenverkehr ist dem Verschleiß von Bremsen, Reifen, Kupplung und der Fahrbahn zuzuschreiben, wovon sich wiederum etwa die Hälfte aus Bremsstaub rekrutiert.

Im Rahmen der kommenden Euro 7-Grenzwerte wurden drastisch knappe Grenzwerte für Partikel definiert. So sind ab dem 1. Juli 2025 für alle Pkw Obergrenzen von sieben Milligramm pro Kilometer und Fahrzeug an sogenannten PM10-Emission vorgeschrieben. Damit sind Partikel kleiner zehn µm gemeint. Dieser Grenzwert soll in den folgenden Jahren auf drei Milligramm pro Kilometer und Fahrzeug abgesenkt werden, wobei es auch Zwischenevaluationen geben soll, weiß man bei HPL Technologies aus Aachen, einem Unternehmen, das sich aus der Expertise für Beschichtungsprozesse und Schleiftechnik in den Jahren 2017 und 2018 gründete.

Welche Vorteile bietet Laserauftragsschweißen?

Das sogenannte Laserauftragsschweißen bietet die Möglichkeit, super feine Schichten zur Reduzierung von Feinstaub auf die Bremsscheibe zu tragen und zugleich eine Unempfindlichkeit für Korrosion zu erstellen. Letzteres ist besonders mit Blick auf Elektrofahrzeuge wichtig. Denn die arbeiten beim Abbremsen vorrangig mit Rekuperation, also der Energierückgewinnung aus der Verzögerung, so dass die Scheibenbremse nur noch selten zum Einsatz kommt. Die Bremsscheiben setzen daher schneller Flugrost an, was beim Verzögern zu Performance-Einbußen führt und im Extremfall einen vorzeitigen Austausch erforderlich machen kann.

Wie funktioniert Laserauftragsschweißen?

Aus einem ausgeklügelten Zusammenspiel von Laser und Metallpulver entstehen bei diesem Prozess poren- und rissfreie Schichten. Ein Schlüssel des Verfahrens ist die Pulver- und Energiezufuhr. Bei der Hochgeschwindigkeits-Variante, wie sie Trumpf propagiert, schmilzt das Pulver schon im Flug auf dem Weg zum Bauteil auf und nicht erst auf dem Bauteil selbst. Die dabei eingesparte Zeit lässt sich in Vorschubgeschwindigkeit umsetzen. Diese ist beim Hochgeschwindigkeits-Laserauftragsschweißen Trumpf zufolge 100-mal größer als beim herkömmlichen Laserauftragsschweißen. Gleichzeitig werden damit sehr dünne Schichten von typischerweise 100 bis 300 µm erzeugt. Die Automobilhersteller sparen dadurch Material. Das Verfahren ermöglicht dünne Schichtstärken sowie möglichst geringe Rauheiten und geringe Verzüge.

Mit Euro 7 rückt die Bremse in den Fokus

Die Geschäftsführer und Gründer von HPL Technologies, Tobias Phillip Utsch und Johannes Henrich Schleifenbaum, haben das Bremsenthema schon geraume Zeit im Blick. Schleifenbaum, der zugleich Lehrstuhlinhaber der Digital Additive Production (DAP) der RWTH Aachen ist, schildert: „Bereits 2012 wurden erste Bremsscheiben in Aachen laserbeschichtet. Nachdem eine mögliche Regulation bereits Mitte der 2010er-Jahre am Horizont sichtbar war, wurde das Thema zunehmend in das Interesse der Automobilindustrie gerückt, da bestehende Lösungen wie thermisches Spritzen sehr kosten-, energie- und CO2-intensiv waren.“ Auf Basis der an der RWTH Aachen und der Fraunhofer-Gesellschaft entwickelten Basistechnologie habe man zunehmend bessere Schichten applizieren können. Mit der weiteren Verschleißbeständigkeit seien jedoch auch die Anforderungen an die nachfolgende Schleiftechnik gestiegen, erläutert der Experte gegenüber Automobil Produktion.

Aus dieser Expertise heraus konnte bereits 2020 die erste eigenentwickelte Serienanlage aufgebaut und in Betrieb genommen werden. Tobias Phillip Utsch beschreibt: „Neben der nun verfügbaren Produktionstechnologie musste allerdings parallel auch die Produkttechnologie, also die Zusammensetzung und der Aufbau der Schicht auf der Bremsscheibe sowie deren Zusammenspiel mit den Bremsbelägen in großen Schritten weiterentwickelt werden.“ Utsch zufolge müssen die Schichten dabei zum einen extremen Anforderungen wie Temperaturen bis über 600°Celsius standhalten wie auch salzhaltigen und feuchten Umgebungen und entsprechenden Wechselbelastungen. Zum anderen muss ein für die Verzögerung notwendiger Reibwert zwischen Bremsbelag und Bremsscheibe zu jeder Zeit sichergestellt werden. Hier sei die enge Zusammenarbeit mit Bremsbelag-Herstellern wie ITT Friction sehr fruchtbar.

Die Geschäftsführer von HP Technologies betrachten eine bearbeitete Bremsscheibe
Die Geschäftsführer von HPL Technologies, Phillip Utsch (links) und Johann Henrich Schleifenbaum: "Der einmal eingestellte Prozess ist sehr genau wiederholbar und damit auch für große Stückzahlen gut skalierbar." (Bild: HPL Technologies)

Beschichtungsprozess ist hochkomplex

Da es sich bei der Beschichtungstechnologie um einen urformenden Prozess handele, spreche man von einem durchaus komplexen Zusammenspiel von Prozess, Material und Systemtechnik, sagt HPL-Experte Schleifenbaum. Nur bei Betrachtung aller dieser Größen lasse sich ein Optimum finden, das am Schluss zur entsprechenden Qualität bei gleichzeitig optimalen Stückkosten führe. Der Experte konkretisiert: „Beispielsweise bringt es nur wenig, wenn der Beschichtungsprozess in der Geschwindigkeit maximiert wird – etwa durch den Einsatz immer höherer Laserleistungen – darunter aber Spannungshaushalt, Welligkeit und Rauheit leiden, so dass nachfolgend mehr abgeschliffen werden muss und die Lebensdauer reduziert sein kann.“ Hier gelte es mit Blick auf die gesamte Produktionskette auch ein Gesamtoptimum zu finden, so die Experten von HPL Technologies.

Der einmal eingestellte Prozess ist HPL zufolge sehr genau wiederhol- und damit auch für große Stückzahlen skalierbar und lasse sich parallel in mehreren Stationen und Maschinen gleichzeitig abbilden. Utsch dazu: „Ein sehr effizientes Konzept sieht beispielsweise die Integration von drei Beschichtungsstationen pro Maschine vor, so dass auf einer Station die Korrosionsschutzschicht und auf den beiden anderen Stationen die Verschleißschutzschicht, die aufgrund der größeren Dicke eine doppelt so lange Beschichtungsdauer hat. In einem solchen Setup können je nach Scheibengröße sicherlich 200.000 bis 400.000 Bremsscheiben beschichtet werden.

Im Rahmen der Betrachtungen gehe man stets so vor, dass man zunächst ein stabiles Prozessfenster auslege, das dem Dreiklang der Anforderungen – Beschichten, Schleifen und Applikation, also den rauen Anforderungen des Bremsenprüfstands – bei gleichzeitig minimalen Cost per Piece Rechnung getragen werde, erläutert Schleifenbaum und ergänzt: „Diese Prozessfenster setzen wir dann mit unseren Maschinen- und Anlagenbaupartnern derart um, dass ein Gesamtoptimum erzielt wird, das dann auch Schleifaufmaß, Nebenzeiten und die entsprechende Qualitätssicherung beinhaltet.

Mit Hochgeschwindigkeit ans physikalische Limit

Wer von Lasertechnologie spricht, hat natürlich den Anlagenexperten Trumpf auf dem Schirm. Das Unternehmen aus Ditzingen zählt zu den Technologie- und Marktführern bei Werkzeugmaschinen für die flexible Blechbearbeitung und bei industriellen Lasern. Wie bei HPL sehen auch die Württemberger mit Blick auf die Fahrzeugbremse im Laserauftragsschweißen das Gebot der Stunde. „Als Lasersystemhersteller arbeiten wir seit Jahren eng mit der Automobilbranche zusammen und kennen den Markt sehr gut. Das Hochgeschwindigkeits-Laserauftragsschweißen ist kostengünstig, lässt sich in der Serienfertigung anwenden und bietet somit das Potenzial, zum neuen Standard bei der Herstellung von Bremsscheiben zu werden“, fasst Richard Bannmüller, Vorsitzender der Geschäftsführung Trumpf Laser- und Systemtechnik die Vorzüge zusammen.

Das Unternehmen hat das Laserauftragsschweißen ursprünglich für das Beschichten und Reparieren entwickelt. Hier blickt man auf eine Erfahrung von mittlerweile 20 Jahren zurück. Wie Marco Göbel-Leonhäuser, bei Trumpf Branchenmanager für das Laserauftragsschweißen, gegenüber Automobil Produktion erläutert, trägt das eigene Hochgeschwindigkeits-Laserauftragsschweißen in Kombination mit der patentierten Strahlformungstechnologie nicht nur zu dünnen Schichtstärken bei, es ist auch Garant für möglichst geringe Rauheiten und geringe Verzüge. „Das ist wichtig, da Bremsscheiben sehr eben und glatt sein müssen. Mit unserer Technologie nähern wir uns hier an das physikalische Limit an“, so der Experte.

Mit Laser bearbeitete Bremsscheibe bei Trumpf
Bremsscheiben müssen sehr eben und glatt sein, sagt Marco Göbel-Leonhäuser, bei Trumpf Branchenmanager für das Laserauftragsschweißen, und ergänzt: "Mit unserer Technologie nähern wir uns hier an das physikalische Limit an." (Bild: Trumpf)

Wie hoch ist das Einsparpotenzial pro Bremsscheibe?

Zu den Alleinstellungsmerkmalen des Hochgeschwindigkeits-Laserauftragsschweißen zählt ihm zufolge zum einen die Steigerung der Qualität. Im Vergleich zu konkurrierenden Lösungen entstehe durch die Strahlformung und Energieeinbringung deutlich weniger thermischer Stress im Bauteil. Dies wiederum sorge für 25 Prozent weniger Verzug in der Bremsscheibe im Vergleich zum Stand der Technik. Zum anderen bringt der Trumpf-Experte die Kosten ins Spiel, denn bei einem Fertigungsvolumen von mehreren Millionen Bremsscheiben sei das Einsparpotenzial gigantisch: „Alleine bei den Materialkosten können wir durch sehr dünne, geschlossene und ‚glatte‘ Schichten bis zu drei Euro pro Bremsscheibe sparen. Das ist möglich, weil Automobilhersteller auf die Bremsscheibe lediglich Schichtstärken aufschmelzen müssen, die so dünn sind wie ein Drittel eines Millimeters (300 Mikrometer), um den Feinstaubausstoß deutlich zu verringern.

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