Der Grundgedanke hinter dem neuen Volvo-Duo S90/V90? Ganz einfach: "Relaxed Confidence." Soll heißen: Volvos neues Topmodell vermittelt "entspanntes Vertrauen".

Passt - zumindest meistens. Entspannt ist schon mal der erste Eindruck. Außen sowieso. Aber auch innen. Tür auf, einsteigen - Platz nehmen. Helle, edle Materialien, geschmackvolle Ziernähte, neu gestaltete Sitze, die sich individuell anpassen lassen und auch in Kurven besten Halt bieten, richtig viel Platz auch in der zweiten Reihe. Alles sehr gediegen - premium eben.

Von der früheren, "schwebenden" Mittelkonsole haben sich die Schweden wohl endgültig verabschiedet - ein massiver Mitteltunnel trennt Fahrer und Beifahrer. Immerhin bietet er viel Platz für Ablagefächer. Der Laderaum des Kombis ist mit 560 Liter Fassungsvermögen nahezu identisch mit dem des Vorgängers und bietet einige sinnvolle Ideen - vom Bierkasten-Stopper bis zur Kleinteile-Ablage. Wer die Rücksitzlehnen umklappt, kommt auf bis zu 1526 Liter Stauraum - 74 Liter weniger als beim Vorgänger V70. Die Heckklappe lässt sich elektrisch öffnen und schließen.

Gestartet wird per Drehknopf auf der Mittelkonsole. Das Lenkrad ist in Tiefe und Neigung weit verstellbar und liegt angenehm in der Hand. Es lässt präzise Lenkbefehle zu und bietet gute Rückmeldung. Hinter dem kleinen Gangwahlhebel der Automatikversion lassen sich optional über einen Drehschalter verschiedene Fahrmodi einstellen. Eine "Sport"-Einstellung gibt es dabei nicht - bei Volvo heißt das "Dynamic". Schnell wird auch klar, warum: Auch im Dynamic-Modus bleiben V90 und S90 gelassene Gleiter, das Fahrwerk versteift sich nur in Maßen, die Lenkung verändert sich zumindest merkbar nicht und nur die Gänge drehen etwas höher aus.

Zackiger Vorwärtsdrang

Neue Wege geht Volvo auch bei der 9,2 Zoll großen Touchscreen für Navigation, Infotainment und Fahrzeugeinstellungen: Die ist jetzt nicht mehr wie meist üblich im Querformat ausgerichtet, sondern wie auch bei Tesla oder im neuen Renault Espace in Hochformat. Tacho und Drehzahlmesser werden komplett digital auf einem weiteren Bildschirm vor dem Fahrer dargestellt. Ein in die Frontscheibe gespiegeltes Headup-Display gibt Auskunft über Geschwindigkeit, Navigationshinweise und aktuell geltende Verkehrszeichen. Allerdings arbeitet die Verkehrszeichen-Erkennung nicht immer einwandfrei - vor allem im Ausland passt so manches "individuell" gestaltete Verkehrsschild wohl nicht so richtig in die Mustererkennung.

Vier verschiedene Motoren gibt es zum Start: zwei Benziner und zwei Diesel, alles Vierzylinder. Ein Achtstufen-Automatikgetriebe ist serienmäßig. Der Benzin-Direkteinspritzer T5 kommt mit Turbo auf 187 kW/254 PS, der T6-Benziner wird zusätzlich per Kompressor aufgeladen und schafft 235 kW/320 PS. Beide wirken beim Beschleunigen etwas lauter als die Diesel, haben aber angesichts ihrer Leistungswerte ebenso wenig Probleme, die rund zwei Tonnen Schwedenstahl zu bewegen, wie die Selbstzünder.

Der sehr leise Top-Diesel D5 hat eine neue Technik, die von den Volvo-Ingenieuren "PowerPulse" getauft wurde. Sie unterstützt den Turbo im niedrigen Drehzahlbereich. Entsprechend knapp fällt das aus, was vom Turboloch noch übrig ist. Gas geben - und der Wagen geht praktisch sofort los. 173 kW/235 liefert der D5 dank permanentem Allradsystem variabel an alle vier Räder. Entsprechend zackig ist der Vorwärtsdrang: In 7,2 Sekunden stürmt der 4,94 Meter lange D5-Kombi von 0 auf 100 km/h, bis 240 km/h reicht die Beschleunigung. Wer das öfter ausreizt, der wird den offiziellen Durchschnittsverbrauch von 4,9 Litern auf 100 Kilometern allerdings nicht mal ansatzweise erreichen. Der Bordcomputer rechnete am Ende unserer Ausfahrt denn auch eher mit 7,42 Litern.

Teilweise autonom

Komplett neu entwickelt hat Volvo die Vorder- wie die Hinterachse von Limousine und Kombi - und ist dabei tief in der Historienkiste fündig geworden: Die serienmäßige Integral-Hinterachse wird per Querblattfeder aus Verbundmaterial gedämpft. Das Grundprinzip stammt noch aus der Zeit der Pferdekutschen. Die Blattfeder spare Platz und Gewicht, sagt Mertens, und verschleiße so gut wie nicht. Vorne verbauen die Schweden eine Doppelquerlenker-Aufhängung. Das Resultat: Entspanntes Gleiten. Der Volvo bügelt alle Unebenheiten der Straße weg, die Karosseriebewegungen sind minimal. Ein Cruiser. Optional bietet Volvo allerdings auch eine adaptive Luftfederung (1970 Euro) mit automatischer Niveauregulierung an.

Klar, dass Volvo in seine Top-Modelle an Sicherheits- und Komfort-Elektronik hinein packt, was das Arsenal nur her gibt - mitunter allerdings erst gegen Aufpreis. Das reicht von Notbremssystem mit Fußgänger-, Fahrrad- und Elch-Erkennung bei Tag und Nacht über Parkassistent, Rundumkameras, Anhänger-Stabilisierungskontrolle und hört beim Kreuzungs-Bremsassistenten noch lange nicht auf.

Besonders erwähnenswert: Der Pilot Assist II ermöglicht bis zu Tempo 130 ein zumindest teilautonomes Fahren - serienmäßig. Man merkt dem System allerdings immer wieder an, dass es noch nicht ausgereift ist (wovon Volvo auch keinen Hehl macht). Das System kommt ohne Orientierung an einem vorausfahrenden Fahrzeug aus und nutzt zum Beispiel Straßenmarkierungen. Steht allerdings die Sonne tief oder spiegelt eine nasse Straßenoberfläche zu stark und egalisiert so die Kontraste, schaltet das System ab oder versagt in der Kurve. Noch ist es nur als Unterstützung des Fahrers gedacht - alle paar Minuten fordert ihn ein penetranter Ton dazu auf, mit einer kurzen Bewegung des Lenkrads zu signalisieren, dass er noch der Chef im Auto ist. Wenig konsequent dabei: Schaltet sich der Beinahe-Autopilot selbst ab, macht es darauf nicht akustisch aufmerksam - der Fahrer muss schon selbst drauf kommen.

Premium kostet - auch bei Volvo. Den Einstieg bei den Kombis markiert der 190 PS starke D4-Diesel, den es ab 45.800 Euro gibt - immerhin mit Automatik und schon sehr guter Ausstattung. Für den Allrad-Diesel D5 werden mindestens 57.500 Euro fällig. Dieses Jahr soll noch der 407 PS starke Plug-in Hybrid T8 folgen. Und auch ein Volvo V90 Cross Country ist als Erlkönig schon unterwegs.

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