
Autokäufer bewerten die Angebote der Hersteller im Vertrieb deutlich schlechter als die Hersteller selbst. (Bild: adobe Stock / เลิศลักษณ์ ทิพชัย)
Die global durchgeführte Capgemini-Studie „Joining the race: Automotive’s drive to catch up with customer experience” zeigt, dass die Automobilbranche in Sachen Customer Experience und Customer Journey noch massiven Aufholbedarf hat. Im internationalen Vergleich landet die Branche gerade einmal auf Platz neun von 13 verbrauchernahen Branchen, in Deutschland sogar nur auf Platz 10. Angebote aus dem Bereich Mobilitätsdienstleistungen schneiden zumindest in Deutschland deutlich besser ab und landen auf Platz vier.

MaaS-Player werden besser bewertet als Autounternehmen
Capgemini befragte in der Studie einerseits Führungskräfte von Fahrzeugmarken sowie Anbieter von Mobility-as-a-Service-Lösungen (Maas) und Verbraucher. Der Net Promoter Score (NPS) zur Einschätzung der Service-Qualität offenbart, wie weit die Einschätzung von Anbietern und Verbrauchern auseinandergehen. Während der NPS der Industrievertreter bei 14 liegt, strafen die Konsumenten die Branche mit einem fast neutralen NPS von zwei geradezu ab. In keinem anderen verbrauchernahen Industriezweig wurde ein schlechteres Ergebnis erzielt.
Gut drei Viertel der Autobesitzer und Kunden von MaaS-Lösungen erwarten jedoch eine vergleichbare Serviceleistung auch im automobilen Sektor (75 Prozent). „Verbraucher erwarten im Bereich Mobilität ein ebenso erstklassiges Kundenerlebnis, wie sie es aus anderen Branchen gewöhnt sind. Das bedeutet: Bequem, digital und nachhaltig“, kommentiert Christina Schehl, Executive Vice President bei Capgemini Invent die Ergebnisse der Studie.
Der Net Promoter Score (NPS) ist ein weit verbreitetes Werkzeug in der Feedbackbewertung. Die Befragten bewerten die jeweiligen Produkte und Services auf einer Skala von eins bis zehn. Bewertungen mit eins bis sechs werden als Detraktoren bezeichnet, Bewertungen mit neun und zehn als Promotoren. Aus der Differenz der Promotoren und der Detraktoren ergibt sich der NPS. Bewertungen mit sieben und acht werden als neutral angesehen und fließen nicht in die Berechnung mit ein.
Autobauer überschätzen Strahlkraft ihrer Marken
Insbesondere bei den Kategorien Markenreputation, Benutzerfreundlichkeit und der Bedeutung von emotionaler Bindung bei Kundenentscheidungen gehen die Meinungen auseinander: 73 Prozent der Unternehmen gehen international davon aus, dass die Reputation der Marke die Kundenentscheidung beeinflusst. Dem stimmen lediglich 48 Prozent der Kunden und Konsumenten zu. In Deutschland fällt der Unterschied geringer aus: Hier sehen 53 Prozent der Unternehmen und 49 Prozent der Kunden die Reputation als ein wichtiges Entscheidungsmerkmal an.

Konsumenten bewerten Kriterien wie digitale Erlebnisse und Services im Aftersales deutlich höher (weltweit 59 Prozent und 63 Prozent in Deutschland). Drei Viertel der Verbraucher treffen ihre Entscheidung für oder gegen ein Fahrzeug auf Basis der Benutzerfreundlichkeit und niedriger Zugangsbarrieren (für letzteres 77 Prozent weltweit, 80 Prozent in Deutschland). Apps und Dashboards fallen ebenso unter diese Kategorie wie eine kundenfreundliche Bearbeitung von Versicherungsansprüchen.
Auch das Thema Umweltfreundlichkeit spielt für mehr als die Hälfte der Verbraucher eine entscheidende Rolle (Deutschland 54 Prozent, 51 Prozent weltweit). Die emotionale Bindung zu einer Marke bewerten hierzulande 40 Prozent als wichtiges Kriterium (41 Prozent weltweit). Dies wird von den Unternehmen noch deutlich unterschätzt: Lediglich 29 Prozent der Hersteller und Anbieter in Deutschland (bzw. 24 Prozent international) gaben dies als relevantes Merkmal an.
Nur rund ein Viertel ist mit Customer Journey zufrieden
Insgesamt ist laut der Studienergebnisse lediglich gut ein Viertel der deutschen Konsumenten mit der Customer Experience zufrieden oder sehr zufrieden (29 Prozent international). 90 Prozent der weltweit befragten Kunden und 93 Prozent derer in Deutschland gaben hingegen an, mit der Customer Journey während des Kaufs sowie nach dem Kauf unzufrieden zu sein. Ein häufig genannter Mangel ist das Fehlen einer passenden App für alle Fahrzeug- und Mobilitätsbedürfnisse. Aus den Ergebnissen der Studie wurde insgesamt deutlich, dass sich die Anstrengungen der Unternehmen größtenteils auf die Phasen der Kaufanbahnung und den Kaufvorgang selbst konzentrieren. In die Phasen des Aftersales und am Ende des Produktzyklus‘ wird hingegen deutlich weniger investiert.
„Die Automobilbranche befindet sich im ständigen Wandel. Daher ist es unerlässlich, der Interaktion mit den Kunden höchste Priorität einzuräumen. Will man ein konsistentes Kundenerlebnis bieten, gibt es aber nicht die Einheitslösung, die sich auf alle Bereiche übertragen lässt“, so Capgemini-Expertin Schehl. Autohersteller müssten die Möglichkeiten digitaler Lösungen ausschöpfen, um ein echtes End-to-End-Kundenerlebnis zu schaffen, das den kompletten Fahrzeuglebenszyklus abdeckt - "von Angeboten in der Presale- und Kaufphase bis hin zu den Bereichen Wartung, Softwareupdates und personalisierte Dienste." Ein umfassendes Mobilitätserlebnis über die gesamte Customer Journey hinweg könne ein Alleinstellungsmerkmal im hart umkämpften Markt bilden.
Bislang wird dieser Invest jedoch laut Studienergebnissen im internationalen Schnitt lediglich von 41 Prozent der Unternehmen in Angriff genommen und auch dies teils nur durch wenige, ausgewählte Abteilungen. Gerade einmal ungefähr ein Viertel der Hersteller und Anbieter (in Deutschland 24 Prozent, international 27 Prozent) beziehen Funktionen wie das Marketing oder die Kommunikation in Projekte zur Verbesserung der Customer Experience mit ein.

Jüngere Kunden möchten flexiblere Nutzungsmodelle
Abschließend gab fast die Hälfte der befragten Verbraucher an (48 Prozent), dass sie sich unter dem Aspekt der größeren Flexibilität einen Wechsel vom eigenen Auto hin zu einer Abo-basierten Lösung vorstellen können. Vor allem unter europäischen Kunden, die der Gen Z, den Millenials und der Gen X angehörten, zeichne sich laut Christina Schehl ein Kulturwandel ab: vom Fahrzeugbesitz zum On-Demand-Zugang zu Mobilitätsdienstleistungen.
Grafiken: Capgemini