
Daimler Truck und ZF sind bereits für Rüstungszwecke aktiv. (Bild: Daimler Truck / ZF / Collage)
Während der Motor der Automobilindustrie hierzulande stottert, wird der für militärische Mobilität bald auf Hochtouren laufen, denn Europa rüstet auf. Seit 2019 ist die Zahl verkaufter Neuwagen in der EU laut dem Verband der Europäischen Automobilhersteller von 15,1 Millionen Euro auf 10,6 Millionen gesunken. Warum also nicht freiwerdende Kapazitäten für Verteidigung nutzen? Oder ist diese Formel zu einfach?
Abwegig ist das nicht. „Im Zuge der Transformation der Automobilindustrie ergeben sich Veränderungen, durch die grundsätzlich auch bestehende Fabriken neue Aufgaben übernehmen könnten“, so der VDA gegenüber Automobil Produktion, „ob und in welchem Umfang dies aber konkret der Fall sein kann, ist uns aktuell jedoch nicht bekannt.“
Doch die Industrie schmiedet durchaus Pläne. Der britische „The Telegraph“ meldet, dass Volkswagen offen für Investitionen in Defence Mobility sei: „Ich denke, wenn es die Möglichkeit gäbe, militärische Fahrzeuge einzusetzen, müssten wir uns die Konzepte ansehen“, zitiert das Blatt VW-Chef Oliver Blume. Ein entsprechender Vorstoß müsse aber von der Rüstungsindustrie ausgehen.
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Kauft Rheinmetall Automobilwerke?
Dort denkt man konkret in diese Richtung. So wie Armin Papperger, Vorstandvorsitzender des Rüstungskonzerns Rheinmetall. Papperger kann sich Medienberichten zufolge gut vorstellen, Fachkräfte, die in der Autobranche ihre Jobs verlieren, zu übernehmen. Was naheliegt, denn der Konzern stellt nicht nur militärische Rad- und Kettenfahrzeuge wie den Kampfpanzer Panther her. Die Division Rheinmetall MAN Military Vehicles produziert auch militärische und militarisierte logistische Radfahrzeuge. Das Joint Venture (an dem die Rheinmetall AG 51% und die MAN Truck & Bus SE 49% hält) ist einer der weltweit führenden Anbieter für Defence-Lösungen im Bereich logistischer Landmobilität.
Konkret wird es in Neuss, wo die Rheinmetalltochter Pierburg die Autoindustrie unter anderem mit Drosselklappen und Magnetventilen versorgt. Aus Konzernkreisen wird verlautet, dass das Werk schon bald auf Rüstungsproduktion umgestellt werden soll. „Im Grunde genommen müssten wir im automobilen Bereich Leute entlassen - das wollen wir aber nicht“, wird Papperger im Interview mit dem Nachrichtensender ntv zitiert. Hier scheint Defence die Zukunft zu sein.
Weil der Markt nicht gerade vor Fachkräften strotzt, hat der Rüstungskonzern bereits am Standort Unterlüß einige Mitarbeiter von Continental übernommen, wo großkalibrige Waffenanlagen samt Munition entwickelt und produziert werden, unter anderem für den Kampfpanzer Leopard 2. Spekuliert wird auch darüber, dass Rheinmetall ganze Werke von Autokonzernen übernimmt, die unter Druck stehen. Fraglich hierbei ist jedoch, inwieweit vorhandene Produktionsanlagen tatsächlich für Rüstungsgüter brauchbar sind oder ob die Umrüstung nicht zu aufwändig wäre. Ausschließen möchte der Rheinmetall-Chef ein solches Vorgehen aber nicht: „Bevor ich in Deutschland ein neues Werk für Panzer baue, gucken wir uns das natürlich an.“
Das planen Daimler Truck und ZF
Hersteller wie Daimler stehen indes kaum vor dieser Frage – sie können skalieren: „Die Defence Mobilität ist für Daimler Truck seit Jahrzehnten ein etabliertes Geschäftsfeld“, so das Unternehmen. Die Prozesse in Entwicklung, Produktion und Vertrieb seien darauf ausgelegt, sowohl „individuelle Kundenwünsche“ umzusetzen als auch in hohen Stückzahlen für Großaufträge zu produzieren: „Wir sind gut aufgestellt, um auf unterschiedliche Bedarfe schnell und effektiv reagieren zu können und sehen daher keine größeren Umrüstungsbedarfe in unseren Werken“, betont Daimler Truck.
Die „Zeitenwende“ spürt man auch bei ZF: „Aufgrund der veränderten geopolitischen Situation verzeichnen wir aktuell eine höhere Nachfrage nach Produkten der Verteidigungstechnik, an die wir unsere Kapazitäten anpassen“, so der Konzern. „Wir planen einen Ausbau unserer Aktivitäten – basierend auf den vorhandenen Produkten und neuen Bedarfen der Verteidigungskräfte der NATO.“
Bei ZF betont man, dass Verteidigungstechnik aktuell einen Umsatzanteil von weniger als einem halben Prozent am Konzern-Gesamtumsatz hat. „Zu einem geringen Teil produziert ZF aber auch Komponenten, die für den Verteidigungsbereich entsprechend modifiziert werden“, so der Zulieferer. Hierzu zählten unter anderem robuste Getriebesysteme oder einzelne Komponenten für Transportfahrzeuge, sogenannte geschützte Radfahrzeuge. Zum Einsatz kommen sie aber auch in Kettenfahrzeugen oder Panzern. Für den Panzer Leopard 2 liefert ZF Seitenvorgelege. Mit diesen werden die Ketten angetrieben. Auch der Antrieb für den Transportpanzer Fuchs stammt von ZF sowie das Verteilergetriebe und die Achsen für den gepanzerten Transporter Boxer. Neben Getrieben werden zudem unter anderem Nutzfahrzeugbremsen an mehreren ZF-Standorten im Sinne von Dual-Use für die militärische Nutzung angepasst.
Software-definierte Landstreitkräfte
Unterdessen agieren Nutzfahrzeughersteller wie Daimler als Innovationstreiber und wollen sich so auf einem zukunftsträchtigen Markt in Position bringen. So meldete Daimler Truck im März die strategische Partnerschaft mit dem Münchner Defense-Tech-Start-up ARX Robotics. Gemeinsam wolle man militärische Fahrzeuge mittels KI vernetzter und autonomer agieren lassen.
Speziell die militärischen Fahrzeugvarianten der Baureihen Unimog und Zetros sollen, so eine Pressemitteilung, „durch Sensorik- und Software-Module und den Einsatz von Künstlicher Intelligenz für ein breiteres Aufgabenspektrum befähigt werden“. Im Vordergrund stehe dabei neben der Vernetzung die Bedienung durch Teleoperation und das autonome Fahren im freien Gelände, was durch das Mithra OS-Betriebssystem von ARX Robotics ermöglicht werden soll. „Derzeit investieren und wachsen wir im Defence-Bereich, um Kundenbedürfnisse noch besser zu erfüllen und spezialisierte Lösungen für militärische Aufgaben anzubieten“, so Daniel Zittel, Head of Defence Sales, Mercedes-Benz Special Trucks, „Digitalisierung und KI werden eine Schlüsselrolle im Verteidigungsbereich spielen, insbesondere bei der Cyberabwehr, der Verteidigungslogistik und der internationalen Zusammenarbeit.“
Ziel ist, militärische Fahrzeugflotten zu befähigen, sich mit anderen softwaredefinierten Systemen, etwa Drohnen, zu vernetzen, was wesentlich für Multi-Domain-Operationen ist, also Einsätzen, bei denen gleichzeitig am Boden und in der Luft agiert wird. Durch die zentrale Computing- und Networkingeinheit ARX Core werden die Informationen verschiedener Sensoren, Kameras und Funksystemen fusioniert, wodurch KI-gestützt Daten schneller erfasst und ausgewertet werden, was unter anderem die zuverlässige Objekterkennung voranbringt. Die Fahrzeuge sollen so aber unter anderem auch in der Lage sein, autonom den besten Weg im Gelände zu einem definierten Standort zu finden, Minenräumungen ferngesteuert durchzuführen oder Verletzte aus Risikobereichen zu evakuieren.
„Die Zukunft von Landstreitkräften ist softwaredefiniert, denn nur so können sie im Bedarfsfall eng vernetzt agieren“, betont Marc Wietfeld, Mitbegründer und CEO von ARX Robotics. „Moderne Fahrzeuge sollten deshalb die aktuellen Software- und KI-Module aufnehmen können, um auch weiterhin ein effizienter Teil der NATO-Streitkräfte zu sein.“
Elektrische Antriebe als taktisches Mittel
Und ein weiterer automobiler Trend könnte das Militär erreichen: die Elektrifizierung. So plant die australische Regierung einen Wandel der Fahrzeugflotte der Australian Defence Force (ADF) hin zu Stromern. Davon verspricht sie sich „neue taktische Möglichkeiten für die Truppen“.
Verwiesen wird dabei auf ein Whitepaper des Australian Army Research Centre, das die Vorteile von Hybrid- und Elektrofahrzeugen aufzeigt, weil sich diese unter anderem nahezu geräuschlos anpirschen könnten. Vor allem für Spezialeinheiten sei dies ein Vorteil. Neben leichten Trailbikes und Buggys teste das Royal Australian Regiment auch einen Prototypen des elektrifizierten Trucks Bushmaster.